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Krebs allgemein

Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.

Krebs allgemein
© iStock - koto_feja

Bewegung hilft gegen Fatigue bei Krebs

„Ich stehe am Morgen müder auf als ich ins Bett gegangen bin.“ – Ein Satz, den Dr. Jens Ulrich Rüffer häufig zu hören bekommt. Er ist Vorsitzender der Deutschen Fatigue Gesellschaft und kennt die Problematik der Betroffenen. Rund 500.000 Menschen in Deutschland leiden unter dieser chronischen Erschöpfung, deren Ursachen bislang weitgehend unbekannt sind.

Klar ist, dass Krebstherapien eine Hauptursache für Fatigue sind. „Das Ausmaß der vorangegangenen Therapie korreliert z. T. mit dem Grad der Erschöpfung“, nennt Dr. Rüffer einen Zusammenhang. Auch sind nicht alle Krebsentitäten gleichermaßen von einer Fatigue nach der Therapie betroffenen. Etwa 15 bis 20 % der Brustkrebspatientinnen fühlen sich nach der Therapie erschöpft, beim Lymphknotenkrebs sind etwa 40 % der Erkrankten betroffen.

Emotional, geistig und körperlich erschöpft

Die Erschöpfung äußert sich vielfältig, nicht nur körperlich, sondern auch geistig und emotional. Betroffene können sich nicht mehr gut konzentrieren, sind z. B. nach dem Lesen eines Absatzes in einem Buch bereits erschöpft. Auf der emotionalen Ebene kann Fatigue auch die Rolle innerhalb der Familie oder die Bindungsfähigkeit beeinträchtigen. Darüber hinaus kann die Erschöpfung nicht nur eine subjektive, sondern zugleich eine objektive Belastung sein und u. U. etwa die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. „Krebs – Fatigue – soziale Isolation – Armut“, nennt der Mediziner eine Verkettung, die nicht selten ist. „Die Hälfte der Patienten leidet so stark, dass sie sozial isoliert und auch von Armut betroffen ist“, verdeutlicht er.

Das Feld der Betroffenen selbst ist sehr heterogen. Deshalb benötigt jede Patientin eine differenzierte Behandlung. Diese wird grundsätzlich auf drei Säulen aufgebaut. „Für ein Viertel bis ein Drittel ist eine regelmäßige, angepasste Bewegung ein wichtiger Therapieansatz“, erklärt Dr. Rüffer. I. d. R. empfehlen Experten den Betroffenen, sich am Morgen und am Abend jeweils eine Stunde zu bewegen und die Bewegung auch in den Tagesablauf zu integrieren.

„Wichtig ist, dass die Patienten sich nicht massiv verausgaben. Wir empfehlen deshalb eine submaximale Belastung etwa beim Radfahren oder Walken“, verdeutlicht der Vorsitzende. Darüber hinaus müsse geklärt werden, ob eine psychoonkologische Betreuung sinnvoll und hilfreich für Betroffene ist.

Zusätzlich kommt u. U. eine medikamentöse Therapie in Betracht. „Bei Brustkrebs hat sich für Frauen, die eine Antihormontherapie bekommen Vitamin D bewährt“, nennt Dr. Rüffer ein Beispiel. Auch Ginseng kann bei allen Tumorarten gegen Fatigue helfen. Ggf. werden außerdem Psychostimulanzien eingesetzt. „So sollen Patienten die Gelegenheit bekommen, ihr Leistungsniveau wieder zu erreichen und aus ihrem Tal herauszufinden. Anschließend können diese dann wieder abgesetzt werden“, erklärt Dr. Rüffer den Hintergrund.

FatiGo-Studie erforscht Wirkung der Bewegung

Um genauer herauszufinden, wie die Bewegung am besten eingesetzt werden kann, wurde an der Universitätsklinik Köln eine neue Forschungsgruppe gegründet: Onkologische Bewegungsmedizin. Die Forschungsgruppe unter der Leitung von Sportwissenschaftler Dr. Freerk Baumann befasst sich in der sog. FatiGo-Studie derzeit mit dem genauen Wirkungszusammenhang von Bewegung und Fatigue.

„In Deutschland gibt es bereits eine sehr lange Erfahrung zum Thema Bewegung in der Onkologie. Hier wurde 1981 auch die weltweit erste Krebssportgruppe gegründet“, erklärt Dr. Baumann. Die Annahme, dass körperliche Aktivität die Genesung behindere oder gar die Bildung von Metastasen fördere, ist in zahlreichen Studien widerlegt worden, betont er.

Mittlerweile gilt deshalb: Bewegung ist immer wichtig und auch immer möglich. Schon direkt nach der Diagnose sollten Patienten ihre Bewegung fortsetzen oder mit Bewegung beginnen, um eine Bewegungsmangel-Situation zu verhindern. Häufig ziehen sich Betroffene nach der Diagnose zurück, werden passiv z. T. bis zur psychischen Lähmung. Dies kann durch regelmäßiges Bewegen verhindert werden.

„Wichtig ist allerdings immer, die Bewegung der individuellen Situation anzupassen“, betont Dr. Baumann. Deshalb sei ein personalisiertes Bewegungsprogramm von großer Bedeutung. Diese umfasst immer zwei Teile: Die Bewegung, die Patienten selbst durchführen können und eine betreute Bewegungstherapie, die schon während der medizinischen Therapie, also z. B. einer Chemotherapie, beginnen kann. Sofern der Arzt grünes Licht für eine Bewegungstherapie gegeben hat, können Patienten mit ihrem Therapeuten einen Bewegungsplan entwickeln. „Diese Therapie sollte immer zielorientiert und personalisiert angelegt sein“, betont der Sportwissenschaftler. „Bewegung ist ein Medikament, das auch richtig dosiert werden muss. Geschieht dies nicht, kann sich Fatigue u. U. auch verschlimmern.“

Um herauszufinden, ab wann genau Bewegung bei Fatigue wirkt, werden Patienten, die sich in der Nachsorge befinden und unter Erschöpfung leiden, vier Wochen in die FatiGo-Studie eingebunden. Die Experten schneidern für jeden Teilnehmer ein individuelles Bewegungsprogramm und messen dann mehrfach am Tag, wie sich das Fatigue-Syndrom verändert. „Wir möchten herausfinden, wie wirkt die Bewegung unmittelbar und wie im Verlaufe eines Tages“, erklärt Dr. Baumann. Dafür werden die Studienteilnehmer in verschiedene Gruppen eingeteilt, die dann Kraft- oder Ausdauertraining moderat oder intensiv durchführen.

Darüber hinaus ist die Forschungsgruppe auch bemüht, die Versorgung von Patienten mit Sport- und Physiotherapeuten zu verbessern, die für diesen speziellen Bereich gesondert fortgebildet werden müssen. Am Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) wurde deshalb das Ausbildungs- und Bewegungskonzept Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) entwickelt.

Patienten unterstützen

Dr. Rüffer und die Deutsche Fatigue Gesellschaft haben sich außerdem vor allem die Aufklärung und die Unterstützung der Patientinnen auf die Fahnen geschrieben. Denn gerade nach der Therapie sind Patienten oft auf sich allein gestellt und fühlen sich mit dann aufkommenden Problemen alleine gelassen. „Nach der Erkrankung erwartet das Umfeld, dass man wieder funktioniert“, verdeutlicht Dr. Rüffer. Deshalb setze sich die Gesellschaft dafür ein, dass die Probleme, die mit Fatigue einhergehen, auch anerkannt werden. Broschüren, Filme und ein Leitfaden zur sozialrechtlichen Beurteilung sollen hier helfen, um die Problematik der Betroffenen in die Öffentlichkeit zu bringen und auch ernst zu nehmen. Außerdem hat die Gesellschaft Messinstrumente entwickelt. Neu ist ein spezieller Fragebogen, der Anfang dieses Jahres publiziert wurde.

Mithilfe standardisierter Fragebögen, sog. User-Self-Assesment Fragenbögen, kann die Problematik der Betroffenen besser eingeschätzt werden, da eine Fremdbeurteilung bei Fatigue grundsätzlich nicht möglich ist. Zudem helfen diese Fragebögen, die Erkrankung z. B. von einer Depression abzugrenzen und in der Öffentlichkeit die Akzeptanz der Fatigue zu vergrößern.

Doch auch, wenn die Gesellschaft bereits einiges erreicht hat, hat sie noch viel vor. Der Vorsitzende wünscht sich für die Zukunft Gesundheitscoaches für die von Fatigue betroffenen Patienten, damit jedem Einzelnen individuell geholfen werden kann. Er weiß aber auch, dass für Betroffene vor allem eines wichtig ist: „Sie sollten den Status quo erst einmal annehmen und das Leben dementsprechend organisieren. Es kann auch sehr kräftezehrend sein, immer gegen den aktuellen Zustand anzukämpfen.“

Quelle: Leben? Leben!

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