Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
Zertifizierte Brustkrebszentren erfüllen die Qualitätsstandards der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), die damit einen konkreten Qualitätsanspruch fördern und so die Versorgung von Patientinnen verbessern will.
Ob die Brustkrebszentren die an sie gestellten Anforderungen auch erfüllen, wird vom unabhängigen Institut OnkoZert regelmäßig inspiziert. Bei der Überprüfung werden festgelegte Kennzahlen, wie etwa die Anzahl der Primärfälle in einer Klinik, kontrolliert. Sind die Kennzahlen nicht wie vorgegeben erfüllt, kann einer Klinik kein Zertifikat ausgestellt werden.
Das Institut schickt zur Überprüfung dieser Qualitätsindikatoren Fachexperten in die Kliniken, die sich vor Ort mit den Gegebenheiten und der Behandlung der Patientinnen auseinandersetzen. Dr. Heike Rosendahl, selbst leitende Oberärztin in einem Berliner Krankenhaus, ist seit rund 13 Jahren als Auditorin tätig. „Als wir mit der Zertifizierung begonnen haben, konnten wir nicht sagen, wie die Qualität der Krebstherapie in Deutschland – auch im Vergleich zu anderen Ländern – überhaupt ist. Somit war und ist die Zertifizierung auch eine Möglichkeit, Daten über die Versorgung der Patientinnen zu bekommen“, betont sie. Sie ist sich sicher: „Die Arbeit der letzten zehn Jahre wird jetzt belohnt!“
So wird heute z. B. jede Patientin in einer Tumorkonferenz vorgestellt oder die Bestimmung von Hormonrezeptoren bei Brusttumoren ist zum Standard geworden. Dies zeigt, dass die Zertifizierung in der Praxis die Qualität der Behandlung der Patientinnen verbessert. „Die Erfüllung einiger Kennzahlen ist z. B. so selbstverständlich geworden, dass sie aus dem Zertifizierungssystem entfernt werden können, weil sie ohnehin an den Kliniken umgesetzt werden“, erklärt Dr. Maggie Banys-Paluchowski, die ein Brustzentrum in Hamburg leitet und ebenfalls als Auditorin an den Kliniken unterwegs ist. Das System zur Überprüfung bereitstehender Kennzahlen ist also immer in Bewegung und passt sich den aktuellen Entwicklungen an.
Für Dr. Maggie Banys-Paluchowski ist die Zertifizierung nicht nur ein Leitfaden zur Verbesserung der Qualität, sondern auch eine wichtige Orientierungshilfe für die Patientinnen. „Für die Patientinnen selbst ist eine fachliche Beurteilung der Klinik im Grunde nicht möglich“, bemerkt sie. Gerade deshalb kann die Zertifizierung hier einen guten Dienst leisten. Wichtig zu wissen: Der Begriff Brustzentrum ist nicht geschützt. Somit kann sich jede Klinik als Brustzentrum bezeichnen.
Bevor sich die Auditoren auf den Weg in die Kliniken machen, erhalten sie von der jeweiligen Einrichtung den ausgefüllten Erhebungsbogen. Auf diese Weise bekommen die Experten einen ersten Eindruck von den Abläufen vor Ort und können festlegen, welche Kriterien sie bei ihrem Besuch ganz genau betrachten möchten. Bei der Erstzertifizierung schauen sich die Auditorinnen immer alle Bereiche der Klinik an, die sich um eine Zertifizierung bewirbt. „Ich prüfe, ob die Angaben im Erhebungsbogen mit der Realität übereinstimmen, hinterfrage Abläufe, komme mit dem Personal vor Ort ins Gespräch und gebe Tipps zur Verbesserung“, berichtet Dr. Heike Rosendahl. Dabei geht es ihr, ebenso wie ihrer Kollegin Dr. Maggie Banys-Paluchowski, stets um ein kollegiales Miteinander. „Ich prüfe nicht mit dem drohenden Zeigefinger“, sagt deshalb Dr. Heike Rosendahl. Und die Kliniken freuen sich i. d. R. über Hinweise und sind dankbar dafür.
Das weiß die Hamburger Medizinerin nicht nur aus ihrer Erfahrung als Auditorin, sondern auch als Leiterin eines Brustzentrums. Auch sie ist froh über Tipps der Kollegen, die als Auditoren ihre Einrichtung unter die Lupe nehmen. Schließlich sind auch die Kliniken motiviert, mit der Zertifizierung nicht nur ihre Darstellung nach außen zu verbessern, sondern auch ihren eigenen Anspruch zu erfüllen.
Nach der Erstzertifizierung erfolgt im Abstand von einem Jahr ein Überwachungsaudit, bei dem stichprobenartig die Einhaltung der Kriterien erneut überprüft wird, bevor nach drei Jahren dann ein Wiederaudit ansteht, bei dem erneut jeder Bereich geprüft wird. Grundsätzlich darf ein Auditor nur drei Mal hintereinander die gleiche Klinik prüfen. So soll auch langfristig die Qualität der Einrichtung sichergestellt werden, denn ein neuer Fachexperte mit einem anderen Blickwinkel kann möglicherweise neue Tipps geben.
Zu den Kriterien, die erfüllt werden müssen, gehört etwa die Anzahl der Primärfälle im Jahr, die eine Klinik behandelt (100 Fälle), das Angebot von Studien, die psychoonkologische Betreuung der Patientinnen oder die Anwesenheit eines Sozialdienstes im Haus, ebenso wie physiotherapeutische Angebote. Jeder Auditor hat dabei Kriterien, die ihm oder ihr besonders am Herzen liegen und ganz genau überprüft werden. „Für mich ist z. B. die Organisation und der Ablauf der Chemotherapien sehr wichtig. Dazu gehört auch, dass die Nebenwirkungen sorgfältig erfasst werden“, sagt Dr. Heike Rosendahl. „Und es sollten gute Hilfestellungen für die Patientinnen vorhanden sein, die sie durch die Therapie hindurchleiten“, betont sie. Grundsätzlich müssen die Abläufe in den zertifizierten Zentren nicht immer deckungsgleich sein. „Das Ergebnis an der Patientin zählt“.
Ihre Kollegin Dr. Maggie Banys-Paluchowski schaut vor allem bei der psychoonkologischen Betreuung ganz genau hin. „Die Psychoonkologen sind das Sicherheitsnetz für die Seele. Sie fangen auf, was Ärzte aufgrund von Zeitmangel oft nicht auffangen können“, sagt sie. Und betont: „Hier gibt es bei der Erstzertifizierung häufig Verbesserungsbedarf, weil z. B. ein Psychoonkologe mit einer halben Stelle für vier Krebszentren zuständig ist. Das ist zu wenig.“ Dann werden die Kliniken aufgefordert, die Stelle aufzustocken. Neben den Kennzahlen steht für Auditorin Dr. Maggie Banys-Paluchowski bei ihren Besuchen vor Ort immer noch ein ganz anderer Aspekt im Vordergrund: „Ich versuche bei einem Audit ein Gefühl dafür zu bekommen, ob ich in dieser Klinik ein Mitglied meiner Familie behandeln lassen würde“, bemerkt sie.
Stellen die Experten vor Ort Abweichungen von den Kriterien fest, geben sie den Kliniken, ggf. in Verbindung mit einer Fristsetzung, die Möglichkeit nachzubessern. Gelingt es der Klinik nicht, die geforderten Verbesserungen auch umzusetzen, kann das Zertifikat nicht verliehen werden.
Insgesamt gibt es in Deutschland mittlerweile rund 255 Brustzentren und 155 gynäkologische Krebszentren. Seit Einführung der Zertifizierung hat sich im Bereich der Qualität der Krebsbehandlung damit einiges getan. Aus Sicht der Auditoren wie Dr. Heike Rosendahl ist das aber noch lange nicht genug: „Ich möchte, dass z. B. Brustkrebspatientinnen irgendwann nur noch in zertifizierten Zentren behandelt werden.“
Quelle: Leben? Leben! 3/2017