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Allergie

Als Allergie bezeichnet man die übermäßige und teilweise heftige Abwehrreaktion des Immunsystems auf körperfremde Stoffe (Antigene).

Allergien
© iStock - bluecinema

Geschichte und Wirkmechanismus der Hyposensibilisierung

Spezifische Immuntherapie (SIT)

Untersuchungen in verschiedenen westlichen Industrienationen zeigen eine markante Zunahme von Allergien. Allergische Erkrankungen gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen, so leiden etwa ein Drittel der westlichen Bevölkerung unter einer allergischen Rhinitis, einem Asthma bronchiale oder einem atopischen Ekzem.

Warum nehmen Allergien zu?

Ursächlich werden eine Steigerung der genetischen Disposition in der Gesamtbevölkerung, eine durch die globale Erwärmung bedingte Zunahme der Pollenproduktion und Pollenverbreitung sowie eine Veränderung im Auftreten von neuen und bisher unbekannten Pollenarten diskutiert. Ein weiterer Faktor ist die Luftverschmutzung mit Autoabgasen, beruflichen Schadstoffen und Zigarettenrauch. Auch spielen Veränderungen des menschlichen Verhaltens bzw. Lebensstils (Hygiene, Ernährung, Stillgewohnheiten, Wohnraumisolation) eine Rolle. Die Abnahme frühkindlicher Infekte bzw. eine verminderte Exposition mit bakteriellen Endotoxinen scheinen ebenfalls verantwortliche Faktoren zu sein. Vor diesem Hintergrund gewinnt ein kausales Behandlungsregime, wie es die Hyposensibilisierung oder spezifische Immuntherapie (SIT) darstellt, zunehmend an Bedeutung.

Geschichte der spezifischen Immuntherapie

Die SIT ist ein seit über 100 Jahren bekanntes Therapieverfahren. Die Verabreichung von Allergenen zu therapeutischen Zwecken wurde erstmals um die Jahrhundertwende von Curtis durchgeführt. 1911 veröffentlichte Leonard Noon die erste kontrollierte Studie zur SIT bei Pollinose (durch Proteinbestandteile in pflanzlichen Pollen verursachte Überemp- findlichkeitsreaktion). Dennoch ist die SIT bis in die jüngste Zeit sehr kritisch gesehen, die Behandlung sogar abgelehnt und in England verboten worden. Erst in den neueren nationalen und internationalen Therapieempfehlungen der WHO, der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) wird die SIT als kausale Behandlung der allergischen Rhinokonjunktivitis (allergischer Schnupfen) und des leichten allergischen Asthma bronchiale gesehen.

Wirkmechanismus der spezifischen Immuntherapie

Das Ziel der SIT ist es, die Immunlage der Patienten so zu verändern, dass Allergene vertragen werden. Die Wirkung der SIT ist komplex. Unter Beteiligung regulatorischer T-Lymphozyten kommt es zu einer funktionellen Umorientierung und Toleranzentwicklung allergenspezifischer T-Lymphozyten.

Indikationen und Kontraindikationen

Die Effektivität der SIT ist abhängig von dem spezifischen Allergen, der Qualität der Allergenextrakte, der Gesamtdosis und dem Applikationsschema (Verabreichungsschema). Neben der etablierten Therapie bei Bienen- und Wespengiftallergie ist die Indikation zur SIT bei allergischer Rhinokonjunktivitis und leichten Formen des allergischen Asthma bronchiale gegeben. Die Wirksamkeit der SIT ist am gründlichsten für Gräser- und Birkenpollen untersucht, aber auch für Milben, Katzen- und Hundeallergene sowie einzelne Schimmelpilzsporen, wie Cladosporium und Alternaria, nachgewiesen. Demzufolge ist die SIT nach den WHO- bzw. DGAI-Empfehlungen bei allergischem Asthma bronchiale mit niedrigem Schweregrad und kontrollierter Symptomatik bei Sensibilisierungen gegen Pollen, Milben, Schimmelpilzsporen (Alternaria, Cladosporium) und Katzen indiziert. Bei der Durchführung der SIT sind einige Kontraindikationen (Gegenanzeigen) zu berücksichtigen. Dazu gehören eine fortgeschrittene Asthmaerkrankung, Autoimmunerkrankungen, Immundefekte, maligne Tumorerkrankungen, schwere kardiovaskuläre Erkrankungen mit erhöhtem Risiko von Nebenwirkungen nach Adrenalingabe, eine Therapie mit Beta-Blockern oder ACEHemmern und eine unzureichende Patientencompliance (Bereitschaft des Patienten zur Mitarbeit bei therapeutischen Maßnahmen). Aus Sicherheitsgründen sollte eine SIT nicht während einer Schwangerschaft begonnen oder eine Steigerung der Allergenkonzentration vorgenommen werden. Eine bislang gut vertragene Behandlung bzw. Dosierung kann fortgesetzt werden.

Stellenwert der spezifischen Immuntherapie

Die SIT kann die Ausweitung des Sensibilisierungsspektrums verhindern und den Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Asthma potenziell beeinflussen. Diese präventiven Effekte konnten erstmals in einer Langzeituntersuchung aus dem Jahr 2002 bei Kindern sehr eindrücklich gezeigt werden. Bei allergischem Asthma bronchiale können durch die SIT die Asthmasymptome, die bronchiale Hyperreagibilität und der Medikamentenverbrauch signifikant reduziert werden. Dies gilt jedoch nur, wenn es nicht bereits zu irreversiblen Sekundarveränderungen bei schweren, langjährigen Asthmaverläufen gekommen ist.

Anhaltende Allergentoleranz

Die SIT führt zu einer anhaltenden Allergentoleranz, auch nach dem Abschluss einer dreijährigen Therapie. Die Behandlungserfolge können sowohl beim Heuschnupfen als auch beim allergischen Asthma bis zu neun Jahren anhalten. Die Erfolge der SIT sind um so besser je schmaler das Allergenspektrum, je milder die Erkrankung und je jünger der Patient ist. Aus diesem Grund sollte die SIT möglichst früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden.

Durchführung der spezifischen Immuntherapie

Das Standardverfahren der SIT ist die subkutane Injektionstherapie, die präsaisonal, perennial, d. h. ganzjährig auch während der Pollensaison, oder als präsaisonale Kurzzeittherapie durchgeführt wird. In der Regel erfolgt die SIT über drei Jahre. Demgegenüber hat sich in den vergangenen Jahren die sublinguale Immuntherapie (SLIT) entwickelt. Auch wenn mittlerweile Daten zur Effektivität und Sicherheit vorliegen, beinhaltet diese Form der Immuntherapie noch zu viele offene Fragen bezüglich Wirkmechanismus und Dosierung, um sie als Alternative zur SIT einsetzen zu können.

Zusammenfassung

Die SIT ist neben der Allergenkarenz die einzige kausale Therapie allergischer Erkrankungen und gewinnt wieder zunehmend an Bedeutung. Ganz entscheidend für den Therapieerfolg ist die sorgfältige Patientenselektion und korrekte Durchführung durch den erfahrenen Allergologen. Bei richtiger Indikationsstellung ist die SIT eine wirksame Maßnahme in der Behandlung der allergischen Rhinokonjunktivitis und des allergischen Asthma bronchiale. Das Standardverfahren ist weiterhin die subkutane Applikationsform.

Dr. med. Gundi Willer, Davos

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