Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.
Seit der Corona-Pandemie ist der Begriff mRNA-Impfstoff bekannt, als die beiden Wissenschaftler Prof. Ugur Sahin und Prof. Özlem Türeci in kurzer Zeit einen mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 entwickelten.
Mittlerweile kehrten die beiden zu ihrem ursprünglichen Forschungsgebiet, der Krebsforschung, zurück und erklärten, vor 2030 werde ihrer Einschätzung nach ein mRNA-Krebsimpfstoff zur Verfügung stehen.
Mit einer mRNA-Impfung soll das körpereigene Immunsystem gegen den Krebs aktiviert werden. Das Ziel ist es, Immunzellen in die Lage zu versetzen, wieder Krebszellen zu erkennen und zu zerstören.
Die wichtigsten Aufgaben in einer Körperzelle erledigen Proteine. Ihr Bauplan ist der wertvollste Schatz der Zelle, der gut geschützt und in der DNA verschlüsselt im Zellkern lagert wie in einer Art Tresor, so Marisa Kurz in der Zeitschrift spektrum.
Wenn neue Proteine hergestellt werden, bleibt das Bauplan-Original im Zellkern; es wird stattdessen eine Kopie angefertigt und herausgegeben. Diese Kopie heißt Messenger-RNA, kurz mRNA, und mit ihr können im Zellinnenraum die benötigten Proteine hergestellt werden.
Mithilfe von mRNA-Impfstoffen soll das Immunsystem Krebszellen besser erkennen. Die Idee ist: Ein Stückchen Tumorgewebe wird entnommen, dann werden die enthaltenen Tumorzellen auf Erbgutveränderungen untersucht.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler prüfen dann, welche dieser Erbgutveränderungen zu besonders auffälligen Proteinen führen, erklärt Marisa Kurz. Dann wird mRNA hergestellt, die den Bauplan für diese auffälligen veränderten Proteine oder für Proteinstückchen tragen.
Nach der Impfung mit dem mRNA-Impfstoff nehmen die gesunden Körperzellen die mRNA auf und stellen dann, gemäß dem enthaltenen Bauplan, die veränderten Proteinstücke her. Die Immunzellen finden dann die Zellen mit der auffälligen Oberfläche (auch die Krebszellen) und machen sie unschädlich.
Die mRNA wird vom Körper wieder abgebaut. Das Immunsystem hat sich das entartete Protein gemerkt und kann damit ausgestattete Zellen erneut bekämpfen, wenn diese in Zukunft erneut auftreten sollten.
Gegen Covid-19 hat das Prinzip der mRNA-Impfung seine Wirksamkeit und Sicherheit bei einer großen Zahl von Menschen unter Beweis gestellt. Ob es auch als Krebstherapie funktioniert, werden die nächsten Jahre zeigen.
Erste klinische Anwendungen eines mRNA-Impfstoffs konnten in Kombination mit einer Immuntherapie bei Personen mit fortgeschrittenem Melanom die Zeit bis zu einem Rückfall verlängern, berichtete Dr. Jeffrey Weber auf dem Jahreskongress der amerikanischen Gesellschaft für Krebsforschung.
Quelle: Leben?Leben! 4/2023