Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.
Nächtliche Schichtarbeit wird seit Längerem mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter auch Krebserkrankungen wie z. B. Eierstockkrebs. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation hat die Nachtarbeit deshalb als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Wie es zu einer Erhöhung des Krebsrisikos kommen könnte, versuchen amerikanische Schlafforschende herauszufinden.
Offenbar kann Nachtarbeit durch die Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus die normale Tagesrhythmik von Genen verändern, die an charakteristischen Tumorpfaden beteiligt sind. Außerdem stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass dieser Rhythmuswechsel die Aktivität von Genen veränderte, die an der Reparatur von Erbgut-Veränderungen beteiligt sind. Wenn Zellen mit verändertem Erbgut vom Immunsystem nicht abgefangen und repariert oder ausgesondert werden, können Tumoren entstehen.
Die Schlafforschenden simulierten mit gesunden jungen Erwachsenen Schichtarbeit mit dreimaligem Nachtdienst und entnahmen den Proband*innen alle drei Stunden Blut. Eine Kontrollgruppe behielt den üblichen Tag-Nacht-Rhythmus.
In der Nachtschicht-Gruppe waren von acht Genen, die für die „innere Uhr“ mit zuständig sind, fünf schon nach der ersten Nachtschicht aus dem Takt. Außerdem zeigte sich, dass viele wichtige Gene, die bei Fehlregulation Wegbereiter für Krebs sein können, ebenfalls ihren Rhythmus veränderten oder verloren.
„Diese Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass nächtliche Schichtarbeit den Rhythmus von in die Krebsentstehung einbezogenen Genen sehr stört und die Wirksamkeit der körpereigenen Reparaturprozesse für veränderte Zellen genau dann verringert ist, wenn diese Reparaturen am dringendsten gebraucht werden“, kommentiert Dr. Jason McDermott.
Quelle: Leben? Leben! 1/2022