Kontakt 02202 18898-0 | info@curado.de
Menu
Curado Search
Sie sind hier: Startseite  »  Krankheiten  »  Krebs  »  Krebs allgemein  »  Krebs: Das Leben von einer anderen Seite  »  „Heute gehe ich liebevoller mit mir selbst um“

Krebs allgemein

Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.

Krebs allgemein
© iStock - koto_feja

„Heute gehe ich liebevoller mit mir selbst um“

Seit vielen Jahren lebe ich alle drei Monate einige Tage in großer Anspannung – das sind die Zeiten vor meinen Früherkennungs-Terminen“.

Krebs-Früherkennung in so kurzem Abstand, über einen so langen Zeitraum? Die Erklärung dafür: Diana Vorthmann leidet am Li-Fraumeni-Syndrom. Das ist eine genetische Veränderung, die die Entstehung von Tumoren viel wahrscheinlicher macht als bei Menschen ohne diese Genvariante. Das Li-Fraumeni-Syndrom führt zu unterschiedlichen, oft schon sehr früh auftretenden Krebserkrankungen.

Seit 2006 hatte ich insgesamt zehn bösartige Tumoren, den letzten 2021. Es begann 2006 mit einem kleinen Sarkom in der Nähe des Schlüsselbeins, einem Weichteiltumor, der mit Bestrahlung behandelt wurde. Damals war ich 39 Jahre alt. Drei Jahre später folgte Brustkrebs, therapiert durch eine Mastektomie und Chemotherapie. 2014 wurde dann Lungenkrebs diagnostiziert und operativ entfernt. 2015 und 2016 machten mir mehrere große Sarkommetastasen im Oberschenkel und in der Beckenknochenhaut zu schaffen, die weiträumig operiert, bestrahlt und mit Chemotherapie behandelt wurden. 2017 fand sich eine Sarkommetastase in der Lunge sowie Brustkrebs auf der Gegenseite, sodass die zweite Brust ebenfalls amputiert wurde. Das Sarkom gab keine Ruhe, 2018 entstand eine weitere Geschwulst im Oberschenkel. 2021 schließlich wurde eine erneute Sarkomabsiedlung in der Lunge gefunden und operativ entfernt. In den 15 vergangenen Jahren sind immer wieder ungewöhnliche Raumforderungen in den MRT gesichtet worden, die operiert wurden, erfreulicherweise nicht bösartig, aber sehr belastend waren. Die letzte Kontrolluntersuchung im März dieses Jahres ergab keinen neuen Tumor, das war eine große Erleichterung. Wir sind direkt danach erst einmal in den Urlaub gefahren.

Dass hinter ihren verschiedenen Krebserkrankungen das Li-Fraumeni-Syndrom stecken könnte, weiß ich seit 2014. Nach meinem ersten Brustkrebs wurde ich zur humangenetischen Untersuchung geschickt, weil meine Mutter ebenfalls jung an Brustkrebs erkrankt und daran gestorben ist. Der Verdacht auf eine genetisch bedingte Brustkrebs-Variante bestätigte sich nicht, dafür kam die Diagnose „Li-Fraumeni-Syndrom“. Ich habe mich danach relativ gut aufgeklärt gefühlt, wurde aber weiterhin mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt. Erst 2018 fand meine Lebensgefährtin im Internet die Information, dass bei Patient*innen mit Li-Fraumeni-Syndrom weder Chemotherapie noch Strahlen eingesetzt werden sollten, da diese selbst wieder tumorauslösend wirken können. Zur Behandlung bleibt also nur die operative Entfernung der Tumoren. Da ich die Chemotherapien aber überhaupt nicht gut vertragen habe und beide Male wegen heftiger Nebenwirkungen die Dosis stark reduziert werden musste, ist eine weitere Chemotherapie ohnehin keine Option mehr für mich.

Insgesamt vertraue ich der Medizin, ich lasse mich auf die Behandlungen ein und bin dankbar, dass es all diese Möglichkeiten für mich gibt. Selbst die Corona-Pandemie hat die Therapie der Sarkommetastase in meiner Lunge nicht beeinträchtigt, alles lief normal. Bei den Corona-Impfungen war ich in einer Gruppe mit hoher Priorität und wurde schnell geimpft.

Die Krebserkrankungen haben mein Leben in allen Bereichen sehr verändert. Ich bin durch die Operationen an Bein und Becken stark bewegungseingeschränkt, gehe am Rollator. Daher sind auch der Sport und die langen Spaziergänge mit unseren Hunden weggefallen. Zudem bin ich in Rente geschickt worden. Da ich in meinem Beruf als Grafikerin aufgegangen bin, ist mir dies sehr schwergefallen.

Inzwischen habe ich wieder einen Rhythmus gefunden, aber es dauerte lange, bis ich zur Ruhe kam. Heute kenne ich meine leistungsfähigen Zeiten und nutze sie für unsere beiden Hunde, gehe Einkaufen, kümmere mich um den Haushalt und um den Garten. Mittags mache ich eine längere Pause. Insgesamt brauche ich viele Ruhephasen, in denen ich dann z. B. ein Hörbuch oder Podcasts genieße.

Am schwierigsten war und ist aber der Umgang mit den psychischen Veränderungen. Ich bin oft voller Angstzustände und Depressionen und werde dagegen seit über zehn Jahren medikamentös behandelt. Das Medikament hilft mir, die Tage zu meistern, gibt mir Abstand zu meinen Belastungen und lindert die Ängste. Meine Panikattacken sind seltener geworden, seit ich das Medikament einnehme. Sie sind erstmals bei der zweiten Krebserkrankung, dem Brustkrebs, aufgetreten. Vorher kannte ich so etwas nicht.

Ein großer Halt für mich ist meine Ehefrau, die mit der Diagnose sehr sensibel umgeht. Sie hat ebenfalls Ängste, ist aber ein ausgesprochen positiver Mensch und steht mir mit all ihrer Kraft zur Seite. Oft kämpft sie auch für mich.

Die Krebserkrankungen haben meine Lebenseinstellung verändert – ich bin weniger streng mit mir, viel gelassener, und gehe liebevoller mit mir selbst um. Ich musste lernen, vieles abzugeben, was ich nicht mehr kann und das ist mir auch weitgehend gelungen. Was früher selbstverständlich war, kann ich heute erst schätzen. Ich habe schlimme Zeiten für Körper und Seele hinter mich gebracht, aber ein Faktor hat mir immer geholfen: das Bewusstsein, dass man sich wieder erholt und dass man Zeit dafür braucht. Ich würde mich auch immer wieder auf die Medizin verlassen, auf die Schulmedizin und ebenso auf die komplementären Verfahren, die ich zwischendurch angewendet habe.

Rückschauend würde ich nur eines anders machen: nach dem zweiten Krebs früher die Dinge hinterfragen und mehr Informationen über genetisch bedingte Tumoren suchen. Daher unterstütze ich auch die Li-Fraumeni Syndrom Association (LFSA), durch die ich dazu beitragen kann, die Erkrankung bekannter zu machen; dies ist – neben den aktuellen Informationen, die ich dort bekomme – meine Hauptmotivation, um mich in der LFSA zu engagieren (www.lfsa-deutschland.de).

Quelle: Leben? Leben! 2/2022

 

31.12.2022
Copyrights © 2021 GFMK GMBH & CO. KG