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Parkinson

Bei der Parkinson-Krankheit handelt es sich um eine Erkrankung des Nervensystems, die langsam fortschreitet. Verursacht werden die typischen Parkinson-Symptome durch eine Störung in einem kleinen, eng begrenzten Gebiet tief im Inneren des Gehirns, der sogenannten „schwarzen Substanz“.

Parkinson
© Chinnapong

Betroffenen-Erfahrungsbericht

20 Jahre Parkinson – und noch immer Optimist

1.Vorgeschichte und Ursache

Nach einer unbeschwerten Kindheit im idyllischen Städtchen Pritzwalk in der Mark Brandenburg folgte 1945 ein Vierteljahr der Flucht vor den Russen zu den Großeltern ins nicht minder schöne Lauterberg im Harz. 1947 unterzog ich mich einer überaus schmerzhaften und erfolglosen Operation mit der Folge, dass ich zeitlebens unter Einschlafstörungen litt. Dies war vermutlich eine Ursache für den späteren Parkinson. Bis dahin genoss ich mein Dasein wie bisher. Nach dem Abitur 1951 ging es auf Colleges des YMCA nach England. Danach begann ich in Hamburg eine Exportlehre, erkannte nach 6 Monaten, dass ich nicht zum Kaufmann geboren war und studierte mit viel Elan in Hamburg, Göttingen und Freiburg Jura. Auch die dreieinhalb Jahre als Referendar in Lüneburg, Schleswig, Konstanz, Überlingen am Bodensee, Eutin in der Holsteinischen und Westerland waren ungemein schön. Es war eine wunderschöne Zeit mit Reisen, vor allem von Freiburg aus ins Elsass und in die Schweiz. Als frischgebackener Assessor landete ich 1962 in einer Kanzlei in Garmisch: Hier erlag ich den Verführungskünsten einer Frau, die ich trotz deutlicher Warnsignale 1962 heiratete. Die Geburt zweier Kinder, der Aufbau einer eigenen Praxis und Hausbau sowie gemeinsame Hobbys wie Tanzen und Schwimmen ließen zunächst eine normale Partnerschaft entstehen. Ab 1975 wurde das Zusammenleben unerträglich und 1983 kam es zur Scheidung. In dieser Zeit begann es mit den Krankheiten. Bei einem Ibiza-Urlaub 1982 fielen mir erstmals die Augenlider zu. 15 Augenärzte und Neurologen wurden konsultiert. Erst Dr. Neuhann in München erkannte 1985 den Blepharoplasmus. Er verwies mich an Professor Huber in Zürich, der mich acht Jahre vierteljährlich mit Botulin behandelte, Zürich wurde mir sehr vertraut. Unvergesslich die Umzüge mit den Steelbands voll Karibikflair. Ich genoss das Schwimmen im See sowie das Nachtleben. Ich verband die Arztfahrten immer mit einem märchenhaften Wochenende. Der Bodensee ist meine Heimat, meine Welt. Dort verlebte ich 1956/57 als frischgebackener Referendar die schönsten Jahre meines Lebens –verliebt zunächst in Lottchen und später in Christel.

2. Der Ausbruch von Parkinson

1988 stellte ich fest, dass ich den linken Fuß leicht nachzog. Dieses Hinken wurde 1989 schlimmer. Bandscheibe und Hirntumor konnten gottlob durch CT ausgeschlossen werden. Dr. Mayer in Zürich diagnostizierte den Parkinson anhand des verlangsamten Mitschwingens der linken Hand. Die Medikamente ermöglichten jedoch ein im Wesentlichen unverändertes Leben.

So fuhr ich wie bisher 4 – 5-mal im Jahr per PKW zu langen Wochenenden nach Tirol an den Wolfgangsee. Wenn vor St. Gilgen der See auftauchte, fühlte ich mich angesichts des grandiosen
Panoramas wie vor dem Paradies. Der Wagen wurde an der Straße oder bei den Pferden geparkt. Dann ging es entlang der Allee mit den windschiefen Birken zu einem traumhaften, im Schilf versteckten Badeplatz, die Tasche vollgepackt mit Bananen, Walkman und Kreuzworträtseln. Wenn am Abend die Entenfamilie zu einem Zwischenstopp erschien, wurde es Zeit, zum „Tirol“ herüber zu fahren. 1991 ging diese Urlaubsidylle jäh zu Ende. Wieder am besagten Plätzchen relaxend, wurde der Kopf plötzlich schief. Tags darauf fuhr ich wieder heim. Es wurde eine riskante Acht-Stunden-Tour. Drei Stunden stand ich wegen eines Dauerregens am Chiemsee. Es wurde Torticollis-Schiefhals festgestellt, der auch mit Botulin behandelt wurde.

Im Jahre 1996 verschlechterte sich der Parkinson. Ich wurde immobil, auf Haus und Ort reduziert. Die Urlaubstouren fielen weg. Zum Ausgleich baute ich auf meinem Grund einen 4 x 8 m großen Pool. Im Keller hatte ich eine Sauna. Als Stier bin ich erdverbunden – mein Element ist aber das Wasser. Schließlich bestehe ich überwiegend aus demselben. So zog es mich immer wieder zu Stränden und Seen. Die Verbindung von Saunen und Schwimmen wurde für mich – total regenerierend. Beides nun im eigenen Grundstück zu genießen entschädigte mich für manche Unbill des fortschreitenden Parkinsons. Die rauschenden Faschingsbälle waren vorbei. Mein lebensfrohes Dasein bekam einen gehörigen Knacks. Trotzdem ließ meine Lust nach heißen Flirts und mehr nur wenig nach. 1993/94 war ich 51 (!) mal in München zu schönen Stunden bei Monika. Die instabiler werdenden Augen zwangen mich, die Fahrten einzustellen. 1994 fuhr ich vier Mal zu Dr-. Pfister nach Augsburg. Die Augen besserten sich, ich konnte auf die Ptosisbrille verzichten.

Gegen 10 Uhr konnte ich mit der neuen Medizin täglich 2 Stunden normal laufen. Danach zog ich das linke Bein nach – im Haus kein Problem. Für den Weltenbummler allerdings war es das Ende eines bewegten Lebens. 1995 konnte ich nur noch von 9.30 bis 12 Uhr normal laufen. Die übrige Zeit schlürfte ich durch das Haus, konnte auch nicht mehr schwimmen.

Auf dem Schrannenfest erfreute ich mich über eine Stunde an der Musik. Danach ging der Kopf plötzlich so stark hin und her, dass ich samt Bockwurst heimwärts flüchten musste. Im Juli 1996 wurde zu wenig in die Augen und zu viel in den Hals gespritzt.

Die Augen waren bis November `96 total instabil und der Kopf schief und schmerzhaft. Das war keine schöne Zeit, zumal der Gang zunehmend trippelnd war. Auch wachte ich immer gegen 3.00
Uhr auf und konnte nicht mehr einschlafen. Trotzdem blieb ich Optimist – ich habe mein auf das Haus und den Pool reduziertes Leben voll genossen und war froh, keinen Tremor zu haben. 1998
waren die Beine nicht mehr so unruhig, der Kopfdreh war fast weg. Das Trippeln außerhalb der Wirkungszeit der Medikamente blieb. Was ich bis dahin nicht wusste: Mit der Zeit lässt die Wirkung der Medikamente nach. Ich notierte im Kalender: Es wird eng, aber ich gebe nicht auf!“ Ab August 1998 verhalf mir die „Ulmer Therapie“ von OA Storch (Madopar LT, PK Merz, Cabaserol) zu einem völlig normalen Leben. 1999 kam Freude auf: Fußpflegerin Inge trat in mein Leben. Es begann eine wunderbare Freundschaft. Sie zog bei mir ein. Am 20.8.99 folgte ein heiß ersehntes Kätzchen, das nach zwei Tagen ausbüxte, aber reumütig zurückkehrte. Übermütig spielten wir mit ihr Hase und Igel. Sie war, übermütig um den Pool rennend, immer schon da, wenn wir am Beckenrand ankamen.

1999 war auch das Jahr der Kontraste und der Wende. Die Praxis nahm zu, es gab erfolgreiche Termine in Neuburg und Aichach, ein neues Faxgerät wurde angeschafft sowie eine Waschmaschine.
Der Pool bekam eine Solarheizung, die Terrasse schöne neue Platten. Ich hatte viele Gäste, u.a. war Gertrud von Formentera zwei Tage bei mir. Der Parkinson brachte jedoch plötzlich Probleme. Ernst fuhr mich zu Dr. Mir nach Nittenau. Er konnte mir aber nicht helfen. Trotzdem wurde noch ein Computer angeschafft. Mein Hirn kam trotz intensivster Bemühungen mit ihm nicht zurecht. Dagegen klappte der Tausch mit Thomas’ BMW gegen Fiat Tipo ganz gut. Im Juni
kehrte ich reumütig zu BMW – einem Schnäppchen – zurück.

Dann wendete sich das Blatt auf brutale Weise. Schon in der zweiten Jahreshälfte 1999 wirkte die LT Tablette nur wenig oder gar nicht. Im Jahr 2000 kam dann der völlige Kollaps – Medikamentenwirkungen blieben aus. Die Füße wurden schwer wie Blei, die Knie schmerzten.

3. Die Wende

Völlig überraschend hatte ich plötzlich schlimme Wachträume. Ich sah vor der Terrassentür drohende Gestalten, lief auf den Flur und rief die arme Inge um Hilfe. Ich träumte, ich hätte mich im Rollstuhl im Garten verirrt und sei durch die Kanalisation von einer Party in Aichach geflüchtet. Ich fühlte mich von allen Nachbarn beobachtet, rief sie teils nachts an. Einmal stand ein starker Mann vor meinem Bett und bedrohte mich. Ich nahm mein verschüchtertes Kätzchen in den Arm und rief die Polizei um Hilfe. Die kam, fand niemanden und zog wieder ab. Ein zweites Mal rief ich sie um Hilfe, ich hatte den Schatten eines Strauches am Gartentor für eine Gestalt gehalten. Hinzu kam eine neue Not: Ich stürzte dauernd, vorwiegend vom Sessel mit voller Wucht wie von magischer Kraft angezogen zu Boden und zog mir schwere Verletzungen zu. Die Stürze besserten sich auch nach Anbinden mit einem Gurt am Sessel nicht. Träume und Stürze hörten jedoch schlagartig auf als ich ein Medikament. Cabasirol – wegließ. Am 10.03.2001 stürzte ich auf den Ellenbogen. Die Folge: Eine tiefe Wunde bis auf den Knochen, der monatelang nicht zuheilte, täglich neu von Schwestern verbunden werden musste. Ostersonntag des gleichen Jahres wurde ich operiert. Eine zweite Operation erfolgte ambulant. Völlig deprimiert war ich, als ich mich in meiner Hilflosigkeit, aber ohne medizinischen Grund, ein zweites Mal ins Krankenhaus begab, von Kolmbergers gefahren. Nach vier Tagen war ich wieder zu Hause. Kerstin kümmerte sich in dieser Zeit geradezu aufopfernd um mich, war bei Untersuchungen zur Stelle. Auch Ernst und Leni halfen mit ihrem Dabeisein. Thomas stürzte mich in zusätzliche Not – er beantragte just während des Klinikaufenthalts telefonisch beim Amtsgericht meine Entmündigung. Ich verließ sofort das Krankenhaus und verfasste meine Schutzschrift. Tags darauf bekam ich einen Termin. Der Antrag wurde abgewiesen. Jahrelang gab es bis auf zwei Besuche in Pöttmes mit Vorwürfen mangelnder Beaufsichtigung seines Seesackes keine Kontakte. Erst im Januar 2003 wurde das Verhältnis wieder normal. Im Frühjahr 2001 verließ mich Inge samt Kätzchen. Sie wollte einen gesunden Mann. Die schöne Zeit mit ihr, in der ich mich geborgen fühlte, war vorbei.

4. Das triste Leben in Altenheimen

Am 23.01.2001 stürzte ich vor der Sparkasse voll auf die Stirn, die vom Notarzt genäht werden musste. Ich war total verunsichert. Ich las ein Inserat über die Seniorenresidenz Haile in Pöttmes und fuhr mit Kerstin hin. Das 80 qm große Apartment sagte mir zu. In ein Einzelzimmer wo auch immer, wäre ich damals nicht gegangen. In meinem Frust – ich war tagelang im Haus mühsam auf allen Vieren bzw. mit dem Rollstuhl zum Telefon gezogen, um Hilfe herbeizuholen – schreckte mich der horrende Preis für Pöttmes nicht. So zog ich am 10.11.2001 dort ein. Nach 35 wunderschönen Jahren im eigenen Haus gab ich es blutenden Herzens auf. Essen und Pflege waren sehr gut. Man hatte Zeit. Weihnachtsfeier und Silvester bei Bowle und Musik waren herzlich. Eichstätt wurde angefahren. Anfang 2002 ging es mir so schlecht, dass ich nicht allein das Bett verlassen konnte. Ich musste klingeln, wenn ich teilweise sehr dringlich heraus musste. Zu den Mahlzeiten und zum Zurückbringen im Rollstuhl war ich auf Hilfe angewiesen. Teils rollte ich mühsam selber, teils versuchte ich mich auch mit dem elektrischen Rollstuhl im Apartment.

Es war dann schon ein großer Fortschritt, als ich im Jan./Feb. für 5 –10 Minuten Einkäufe selbst machte, Orangen kaufte im Supermarkt. Im Frühjahr 2002 wagte ich dann wieder mit dem BMW zu fahren, zu kleinen Seen mit kurzem, mutigen Eintauchen. Schließlich wagte ich sogar sehr riskante Fahrten bis Schrobenhausen, einmal mit Weiterfahrt per Zug nach Ingolstadt. Die freundliche Pflegerin Hannelore, selbst mit sieben Kindern gesegnet, half einmal wöchentlich einsame Senioren und richtete betrübte Gemüter wieder auf, war sie doch mit einem heißen Draht nach oben ausgestattet. Rita und Gabi mahnten öfter die fällige Pille an. Und Musikus Puskas sorgte für die nötige Stimmung.

Ich war auf Dauer in einem fremden Dorf, wo mich niemand kannte wie auf einem fernen Planeten. So ging ich am 26.04.04 wieder nach Schrobenhausen zurück ins Altenheim Steingriff in ein ungemütliches 32qm-Zimmer, 2 km von der Stadtmitte entfernt. Seit 2000 bin ich von der Apomorphinspritze abhängig, die mir für rund eine Stunde offene Augen und ein normales Laufen beschert. Unverändert quält mich die Unfähigkeit, nach dem Aufwachen nach ca. zwei Stunden wieder einzuschlafen. Grund: Die vom total unbefriedigten Leben gesteigerte Gewöhnung sowie restless legs und cold feet. Ich habe mein Leben nicht mehr im Griff, verwinde den Verlust von
Beruf, Haus und Partner nur schwer. Zu meinem Leben gehören Reisen, Tanzen und – die Liebe! Lichtblicke waren, wenn Leni mich abholte oder Hauskäuferin Wenke mit mir Schach spielte. Auf Sommer- und Volksfest tanzte ich gern wie in alten Zeiten. Das Heim war ungemütlich, das Mittagessen wurde in einem Raum eingenommen, der einer Bahnhofgaststätte ähnlich war. Die Mitbewohner waren Schwerstkranke, Kontakte gab es nicht. Ein Lichtblick war das wöchentliche Singen mit der charmanten Frau des Heimleiters und der tägliche Weg zum Kirchplatz und zu den Pferden. Mit dem Wagen fuhr ich manchmal zum Gut Weil über dem Friedhof. Im Februar 2003 fuhr mir ein Taxi meinen Wagen kaputt. Er hatte Vorfahrt, kam aber sehr schnell daher. Mit dem Ende des Autofahrens verlor ich ein weiteres Stück Heimat. Ich war nun auf den Bus angewiesen. Alle zwei Wochen kam die Leni und wir fuhren zum Eis essen oder zum Griechen. Im Mai 2003 wechselte ich ins Stadtzentrum St. Georg und beendete damit die Isolation. Man war herzlicher hatte aber auch keine Zeit zum Ratschen. Das Essen war besser. Eine Abwechslung war der wöchentliche Gym-Kreis. Mit der den Kreis leitenden Pflegerin legte ich beim Sommerfest eine halbe Stunde einen heißen Beat hin.

5. In die eigene Wohnung

Ende Januar 2004 war mein Leben in einem AH-Zimmer endlich vorbei. Ich bezog eine ETW mit Terrasse. In den Altenheimen habe ich mich fremd, nicht dazugehörig gefühlt und war todunglücklich. In der Schleifmühle zauberte ich meine neue Heimat mit schönen Möbeln aus dem Nichts. Ich bekam auch den Parkinson weitgehend in den Griff: ab 6 Uhr alle 75 Minuten eine Nacom und am Nachmittag alle 90 bis 105 Minuten eine Pen-Spritze. Abends bleibt die Wirkung meist aus – da geht kein Fernsehen und Lesen, es bleibt Musik von der MC, bevor gegen 22 Uhr die noch immer chaotische Nacht beginnt. Einschlafen gelingt nur mit 2 Planum. Nach 2 Stunden wecken mich coldfeet und ein dringendes Bedürfnis. Spätestens gegen 3 Uhr verhindern restlesslegs ein Weiterschlafen. Am Tage hänge ich meist müde herum, hole das Schlafdefizit meist nach und überschlafe dabei häufig fällige Medikamente mit der Folge instabiler Augen und Beine, bis 15 bzw. 30 Minuten nach dem Einnehmen N +P wieder wirken. Schlimme Hilflosigkeit straft mich, wenn ich das Einnehmen vergesse. Das Zusammentreffen von Parkinson mit Lidschwäche, Schlafnot, restlesslegs und coldfeet bewirkt ein ständiges on- off, happy-deprimiert. Reisen sind passe, mit dem Tag –und Nachtkult kann ich nur hier leben und schlafen. Ich bin reduziert auf das Dreieck ETW, Rathaus-Hallenbad.

2005 – es geht mir gut!

Höhepunkte waren wie 2004 zwei Fahrten zum Kuhsee, bei denen mich Horst Hinkel chauffierte. Horst half mir auch beim Einkaufen und bei den Umzügen. Am 1.04.05 wechselte ich wieder mal mein Domizil und zog in eine schöne 50 qm große Wohnung zwei Häuser weiter.

2006 – 75 Jahre und ein bisschen weise – Ereignisse des Jahres:

Am 13. 04.06 wurde ich in Augsburg am Leistenbruch operiert.
Zum 75. schenkte mir Thomas eine wunderschöne Schiffsreise von Kehlheim nach Weltenburg.

Am 11.7.06 kam es zur Katastrophe. Ich fuhr allein mit der Bahn nach Augsburg Hochzoll und weiter per Bus zum Kuhsee. Dort verbrachte ich schöne Stunden am und im See.

Als ich den See wieder Richtung Heimat verließ, versäumte ich es, am See-Kiosk ein Getränk für die Einnahme von Nacom zu kaufen. Der Getränkekauf war jedoch völlig überflüssig, weil ich nach dem Mittagsschlaf gegen 14 Uhr mir statt der Nacom eine Penspritze gebe. Wenn ich wegen einer Tour keinen Mittagsschlaf mache, nehme ich auch mal die Nacom bis 16 Uhr und erst dann die Pen. Am Schicksalstag hatte ich wohl weder ein Getränk noch eine Spritze mitgenommen. Ich rannte im Bahnhof Hochzoll treppauf treppab, dabei auch blind an der Wirtschaft vorbei und fuhr dann zum Hauptbahnhof. Am Kiosk musste ich lange für eine Flasche Bier anstehen. Mit dieser in der Tasche und dem Rollator unterm Arm eilte ich die Treppe hinunter. Es war zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges und ich musste zum Gleis 5A am Ende des Bahnsteigs. Klüger wäre es gewesen, einen späteren Zug zu nehmen. Mein Hirn war jedoch ausgeschaltet, sonst hätte es mir gesagt, dass ich den Zug niemals erreichen konnte. So kam, was kommen musste. Ich stürzte von Stufe 4 vornüber die Treppe hinunter. Die Folgen waren Gleichgewichtsstörungen mit vielen weiteren Stürzen in Schrobenhausen. Auf dem Stadtwall konnte ich mehrmals keinen Schritt mehr gehen. Hilfsbereite Türken brachten mich heim.

Die Stürze endeten erst, als ich beschloss, nur noch mit dem Rollator zu gehen. Trotzdem kam es immer wieder zu Stürzen im Haus. Starke Schmerzen an den Hüften und Beinen machten mir zu schaffen. Sie verschlechterten den Schlaf.

Ella, mein guter finnischer Engel hielt meine Wohnung in Ordnung. Mit ihr war ich Silvester zum ersten Mal nach 20 Jahren in der Kirche. Ich fühlte mich heimgekehrt als Pfarrer Last zu mir in die letzte Reihe kam, um mir das Abendmahl zu spenden.

2007 – ein gutes Jahr

Im Mai wechselte ich zum Pflegedienst der Frau Voss. Sie und ihre Damen hatten mehr Zeit und waren herzlicher.

Am 18.5.07 wies mich Dr. Hiltensperger wegen eines großen Magengeschwürs ins Krankenhaus ein. Nach Gabe von 2 Blutkonserven und starken Medikamenten war das Geschwür am 18.9. wieder weg.
Am 27.9. starb mein Hausarzt. Er war seit 2001 jeden Montag zum Hausbesuch bei mir gewesen.

Beim Seniorentreff der evangelischen Kirche hielt ich einen Diavortrag über Traumstrände Europas, der großen Anklang fand. Die Presse brachte darüber einen Bericht. Die Kinder fuhren mich öfter zu dem idyllisch gelegenen Kloster.

Scheyern, mein Bade-und Wanderparadies.

In der Klosterschenke wurde am Ende eines Tages jedes Mal lukullisch getafelt.

Ende Dezember wurden meine Schmerzen in den Beinen stärker, ich konnte nicht mehr auf der Seite liegen. Meine Nachbarn rügten meinen vom Herumwälzen unruhigen Schlaf mit dem Heraufziehen und Herunterlassen der Rollläden.

2008 – ich ziehe nach Konstanz in die Rosenau – ein Haus für betreutes Wohnen!

Im März stieß ich per Zufall auf die „Rosenau“. Ich überredete die Eila, mit mir hinzufahren. Ende März kam ich, sah und buchte. Ich machte einen Traum wahr und bezog am 30.4.08. Ein Appartement auf der Südseite im 5. Stock inklusive See-Blick. Ich genoss das südliche Flair, fuhr per Schiff nach Überlingen und flirtete beim „Beine baumeln lassen“ an der Seepromenade. Ein liebes Ex-Ehepaar trug mir den Rollator auf das Oberdeck. Ich genoss das nahe Thermalbad und das Strandbad Horn.

Am 12.5.08 hatte ich einen Rückfall wie 2001. Ich saß rätselratend am Seeweg, als plötzlich meine Beine schwer wurden und ich nicht mehr sprechen konnte -sprach und hilflos war. Passanten hielten mich für betrunken.

Schließlich erschienen zwei Polizisten. Sie packten mich an Schulter und Hosenbeinen und trugen mich in mein Appartement. Tags darauf war ich wieder fit.

Mit der Rosenau habe ich mich für ein erstklassiges Haus entschieden. Das Appartement geht nach Süden und hat einen traumhaften Blick auf die Konstanzer Bucht und das gegenüberliegende Schweizer Ufer. Es ist zwar nur 30 qm groß, bietet jedoch mit einem geräumigen Balkon guten Komfort und hat den Vorteil kurzer Wege. Das Haus verfügt über ein sehr schönes Hallenbad und eine Sauna, ferner eine „Lädele“ für das selbst gestaltete Abendessen, einen Friseur und eine Sparkassenfiliale. Das Frühstücksbüfett hat die Qualität eines 5-Sterne-Hotels. Der Höhepunkt bisher war eine Fahrt nach Überlingen am 26. Juli 2008.

Aus der geplanten Busfahrt zum Hafen wurde nichts.

Mit dem für mich sprichwörtlichen „Planen in letzter Minute“ sauste ich mit dem Fahrstuhl in die Tiefe. Der Vorschlag des Taxifahrers nach Gstaad zu fahren und bei Ankunft meines Schiffes einfach zuzusteigen, schien mir ein Geschenk des Himmels. So geschah es. Hilfsbereite Menschen trugen meinen Rollator wieder auf das Oberdeck. In Überlingen erstand ich eine Schale Himbeeren und das beste Eis weltweit, das mir allerdings herunterfiel. Ich eilte zum Strandbad West, mit dem viele schone Erinnerungen verbunden sind. Das Westbad war nicht wiederzuerkennen. Vor fünf Jahren war es in ein Thermalbad mit Zugang zum See umgestaltet worden. Mit dem Fahrstuhl ging es in den Eingangsbereich, wo ich 7,50 € berappen musste. Nachdem ich das Verschließen des Kleiderschranks mittels Elektronik kapiert hatte, fand ich mich endlich auf der großen Wiese. Die Tischtennisplatte von 1956 war noch da, ebenso der große Steg in den See. An seinem Ende ließ ich meine Beine ins Wasser baumeln. Wie berauscht schwamm ich dann mehrmals im See. Ich beschloss, meine Rückreise um zwei Stunden zu verschieben. Es waren wunderschöne Stunden in unbeschreiblicher Hochstimmung.

Ich schwelgte so in Erinnerungen, dass ich meine seit 14 Uhr fälligen Spritzen total vergaß und auch ohne sie mich im Wasser völlig normal bewegen konnte. Erst gegen 16.46 spürte ich Warnzeichen und gab mir die erste Pen. Auch der schönste Tag geht einmal zu Ende und so wollte ich gegen 17 Uhr umziehen, um nach Hause zu fahren. Als ich vor meinem Kleiderschrank stand, um mich wieder anzuziehen, bekam ich einen Schock. Er stand offen und war leer. Ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich erfuhr, er sei offen gestanden und daher habe man den Inhalt sicher gestellt. Bevor das Schiff abfuhr, holte ich mir noch drei Kugeln Eis gegen den gröbsten Hunger. Man schenkte mir noch eine weitere Kugel und diesmal verlor ich keine. Und wieder ging ein schöner Tag zu Ende. Beim Sommerfest in der Rosenau fegte ich wie in den besten Tagen über die Tanzfläche und rockte auch ein paar Takte solo.

Der Sommer 2008 war einer der schönsten meines Lebens. Warum?

In den 43 Jahren in Schrobenhausen hatte ich nie ein Heimatgefühl. Ich hatte immer den Wunsch, am Bodensee zu leben, wo ich ab 1956 zwei glückliche Jahre verbracht hatte. Als ich im März 2008 von der „Rosenau“ las und sie mir anschaute, entschied ich mich ohne Zögern zum Umzug. Bereits am 30.04.2008 wurde ich Konstanzer Bürger. Ein Traum wurde wahr!

Ich bin wie verwandelt. Es ist in meinem Leben endlich eine gute Zäsur, ein vorherrschendes Glücksgefühl, in der Heimat zu sein.

Die Wasserratte wurde nicht enttäuscht. Ich genoss das tägliche Schwimmen im See und nach Ende der Saison die nahegelegene Bodenseetherme, in der ich jede Woche in die Sauna und zum Essen gehe. Seit meinen Reisen nach Schweden liebe ich Schiffe und hier am Bodensee kann ich das aufs Neue genießen. Ich war ständig unterwegs nach Meersburg, Überlingen, Friedrichshafen, Gottlieben sowie auf die Mainau und die Reichenau.

Ich hieße nicht Friedrich Baumann, wenn zu meinem genussvollen Leben in Konstanz nicht auch Ladys gehören würden. An meinem Glücksgefühl sind Arlette und Katharina nicht ganz unschuldig. Ich bin mit beiden je zweimal die Woche einen halben Tag zusammen. Sie sind dadurch ein Teil meines Lebens geworden. Wir sind immer wieder überrascht, wie gleich wir denken und planen. Sie sind auch praktisch veranlagt. Außerdem kann ich ihnen alles anvertrauen. Selten gibt es unterschiedliche Ansichten, die werden dann toleriert. Klar, dass da mit der Zeit Gefühle entstehen. Erst verliebte ich mich in Kathi und später in Arli. Ich fand aber bald wieder zur Realität zurück. Schließlich sind beide verheiratet und sollen es bleiben.
„Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.“ (Schiller). Und so verbringen wir die Stunden mit Schach spielen, diskutieren und spazieren gehen. Sie begleiten mich zum Shoppen und Schwimmen, aber auch bei unerfreulichen Zahnarztbesuchen stehen sie mir bei, bringen Ordnung in mein kleines Reich und haben für jedes Problem eine Lösung. Die beiden sind herzensgut und ergänzen sich wunderbar, da sie schon lange miteinander befreundet sind. Für mich sind Kathi und Arli “Traumfrauen“, sie sind ein Teil meines Lebens. Ich freu mich immer wieder, wenn sie vor der Tür stehen. Wie schön, dass es sie gibt!

Für meine gefestigte Lage ist die Freude über die zunehmende Gewissheit verantwortlich, dass ich in der Rosenau am Bodensee die optimalen Voraussetzungen für meine noch verbleibenden Jahre gefunden habe. Auch die Zeit mit Dieter, der mein Nachbar in Kreuzlingen geworden ist, war sehr angenehm.

Last but not least waren die seltenen Stunden mit meinen Kindern, die jetzt eine weite Anreise haben, immer schön. Mit meinem Sohn Thomas verlebte ich im August harmonische Stunden bei einer Schiffstour mit dem Katamaran nach Friedrichshafen sowie bei einem Ausflug auf die Reichenau, wo er von den Kunstschätzen fasziniert war. Auch die Begegnung mit meinen beiden Engeln und Thomas war ein echtes Highlight, wurde es doch ein entente cordial (herzliches Einvernehmen). Meine Tochter Kerstin kam mit ihrer Herzdame Susanne zum Seenachtsfest angereist und sie waren vom Feuerwerk begeistert. Zum Weihnachtsfest erfreuen beide ihren Vater nochmals mit ihrem Kommen.

Obama gewann die Präsidentschaft. Auch ich gewann einige Schlachten. Gegen alle Widrigkeiten meiner Krankheit bin ich wieder oben. Da will ich auch 2009 bleiben. Yes I can!

Quelle: Friedrich Baumann

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