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Grippaler Infekt

Ein grippaler Infekt – umgangssprachlich häufig auch als Erkältung oder Grippe bezeichnet – ist ein Sammelbegriff für Infektionskrankheiten, die meist von Viren verursacht werden und die in der Regel die oberen Atemwege betreffen.

Grippaler Infekt
© iStock - Clerkenwell

Antimikrobielle Resistenzen und ihre Auswirkungen

Dr. Susanne Pätzold, Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum (FZB), hat die Koordination des Leibniz-Forschungsverbunds „INFECTIONS in an Urbanizing World – Humans, Animals, Environments“ inne. Der Fokus des interdisziplinären Forschungsverbunds INFECTIONS liegt derzeit auf dem Themenkomplex antimikrobielle Resistenz (AMR). Ein wesentliches Ziel ist die Entwicklung interdisziplinärer Strategien für Frühwarnsysteme und Risikoabschätzungen, um die Ausbreitung von Krankheitserregern besser zu verstehen und zu verhindern.

allergikus sprach mit Dr. Pätzold über antimikrobielle Resistenzen (AMR), wie sie entstehen und wie sich Menschen mit Erkrankungen wie Asthma bronchiale und COPD vor resistenten Krankheitserregern schützen können.

Was genau sind AMR? Wenn man von antimikrobiellen Resistenzen spricht, sind dann nur Bakterien gemeint, die auf Antibiotika nicht mehr ansprechen, oder auch andere Krankheitserreger?

Der Begriff AMR umfasst alle Krankheitserreger, die auf bestimmte Medikamente nicht mehr ansprechen, also sowohl Bakterien als auch Viren, Pilze und Parasiten. So ist in unserem Verbund INFECTIONS auch die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Bernhard Hube vom Hans-Knöll-Institut (HKI) Jena aktiv, die sich intensiv mit der Infektionsbiologie humanpathogener Pilze befasst.

In der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass Pilzinfektionen mehr Todesopfer fordern als z. B. Malaria. Weltweit gibt es jährlich etwa 1,7 Millionen Tote durch Pilzinfektionen gegenüber 400.000 bis 600.000 Toten durch Malaria. Denn auch Pilze entwickeln Resistenzen. Infektionen mit diesen resistenten Pilzen sind extrem schwer zu behandeln. Warum dies in der Öffentlichkeit bislang wenig bekannt ist, ist nicht klar. Es könnte unter Umständen daran liegen, dass Pilzinfektionen oft unspezifische Symptome hervorrufen und zunächst nicht erkannt wird, dass es sich beim Krankheitserreger um einen Pilz handelt.

Die WHO sieht in AMR eine der zehn größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit. Was genau macht ihr Forschungsverbund?

Wir sind ein Verbund der Leibniz-Gemeinschaft. Die Leibniz-Gemeinschaft umfasst derzeit 97 Institute in Deutschland aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen, die in fünf Sektionen eingeteilt sind. INFECTIONS ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund, an dem 15 Institute aus vier verschiedenen Sektionen beteiligt sind: der Sektion Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften, der Sektion Lebenswissenschaften, zu der das Forschungszentrum Borstel gehört, der Sektion Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Sektion Umweltwissenschaften. Die Leibniz-Institute haben sich entschieden, diese verschiedenen Expertisen zu verknüpfen, um das Problem AMR aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und die Erkenntnisse zusammenzuführen.

Mit dem Thema AMR beschäftigt sich der Verbund seit 2021. Es gibt insgesamt sechs Projekte, die sich darum ranken: So wird etwa das Vorkommen von AMR in der Landwirtschaft, in Gewässern oder in Krankenhäusern betrachtet. Das Ziel ist, die Interdisziplinarität zu nutzen, um Vorgänge zu beschreiben und besser zu verstehen, wie sie sich auf andere Bereiche auswirken. Wir von den Lebenswissenschaften schauen z. B. auf medizinisch-biologische Vorgänge, in der Landwirtschaft geht es um andere Themen.

Ein Beispiel: Das gegen das Antibiotikum Methicillin resistente Bakterium Staphylococcus aureus, abgekürzt MRSA, kommt seit einiger Zeit vermehrt in der Landwirtschaft vor. Methicillin wurde früher in der Tiermast häufig eingesetzt. In Regionen mit hoher Nutztierdichte sind bis zu 86 Prozent der Landwirt*innen und Veterinär*innen, die in Mastställen mit besiedelten Tieren arbeiten, ebenfalls mit dem Bakterium besiedelt. D. h., zunächst jedoch nicht, dass Betroffene auch krank sind. Sollten die resistenten Bakterien allerdings in offene Wunden gelangen, sind diese Infektionen oft nur schwer zu behandeln. Die Besiedelung erfolgt durch den direkten Kontakt mit den Tieren. Durch Gülle, die auf die Felder ausgebracht wird, gelangen allerdings sowohl die Keime als auch Antibiotikarückstände in die Umwelt. Das Gleiche gilt übrigens auch für Krankenhausabwässer. Natürlich vorkommende Mikroorganismen, die im Boden oder in Gewässern leben, sind den Antibiotikarückständen somit auch ausgesetzt. Sie werden einerseits durch die Medikamente dezimiert, andererseits können die wildlebenden Organismen als Folge ebenfalls Resistenzen entwickeln.

Die Resistenzen in der natürlichen Mikroflora im Boden nehmen zu. Durch die intensive Landwirtschaft können zudem Rückstände ins Grundwasser gelangen, aus dem wir zum Teil unser Trinkwasser gewinnen, und somit zurück zu uns kommen. Es handelt sich um einen Kreislauf. Bei uns sind mittlerweile strengere Richtlinien für die Antibiotika-Nutzung in der Landwirtschaft in Kraft. Doch auch die Herstellung antimikrobieller Wirkstoffe und Medikamente, z. B. in Indien, geht mit hohen Umweltbelastungen einher. Oft gelten keine Sicherheitsstandards oder sie werden nicht eingehalten bzw. es kann deren Einhaltung nicht überprüft werden. Dort ist die Verschmutzung der Umwelt durch diese Rückstände enorm hoch. Das wiederum hat in der Folge auch Auswirkungen auf uns, da sich die rasant entwickelnden resistenten Krankheitserreger etwa durch den Flugverkehr weltweit verbreiten können.

Welche weiteren Übertragungswege für AMR gibt es? Sie prüfen z. B., ob auch Insekten Überträger sein können?

Eines unserer Projekte befasst sich damit, Fliegen in der Umgebung von Schweinemastanlagen in verschiedenen Radien um die Ställe daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie Keime mit AMR aufweisen. Eine Pilotstudie zeigte bereits, dass man in Stallungen Fliegen findet, die mit solchen Keimen besetzt sind – sogar in Ställen, in denen dem Futter keine Antibiotika zugesetzt werden. Als Grund wird vermutet, dass zugekaufte Ferkel aus Zuchten stammten, in denen das Futter Antibiotika enthielt. Da es sich um eine Pilotstudie handelte, lassen sich aus diesen Ergebnissen jedoch noch keine tragfähigen Schlüsse ziehen. Bei INFECTIONS verfolgen wir diesen möglichen Ausbreitungsweg deshalb weiter.

Wie entstehen Resistenzen? Kommen sie schon oft vor? Wie sind Ihre Erfahrungen damit?

Mikroorganismen entwickeln mit der Zeit Abwehrmechanismen gegen Medikamente, um weiter zu überleben. Interessant ist, dass sich diese Resistenzen auch innerhalb der Mikroflora von einem Keim auf den anderen übertragen können. Bakterien etwa verfügen auch über Gene, die auf in der Regel ringförmigen DNA-Molekülen, Plasmid genannt, vorkommen. Diese Gene gehören nicht zum Bakterienchromosom. Sie können zwischen verschiedenen Bakterien ausgetauscht werden. Liegt nun das Gen für die Antibiotika-Resistenz auf einem Plasmid kann es auf andere Bakterien übertragen werden, wodurch diese dann ebenfalls resistent werden.

Resistenzen können aber auch durch Mutationen im Bakteriengenom selbst entstehen. Für die Erkrankung Tuberkulose etwa sind viele Resistenzen bekannt. In Deutschland ist das bislang noch kein großes medizinisches Problem, doch z. B. im Osten Europas, in den ehemaligen Sowjetrepubliken, herrschen diesbezüglich zum Teil verheerende Zustände.

Für Menschen mit Vorerkrankungen, wie Asthma oder COPD, stellen AMR eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Gibt es Maßnahmen, mit denen sich dieser Personenkreis schützen kann?

Wie immer gilt hier: Wichtigste Vorbeugung für die Übertragung von Krankheitserregern ist die Hygiene. Vor allem Händewaschen ist von großer Bedeutung. Ganz allgemein gesagt sind vorbeugende Maßnahmen, wie sie für den Schutz vor der Übertragung des Corona-Virus gelten, auch hier sinnvoll. Die meisten Vorerkrankten sind ohnehin bereits sensibilisiert und wissen, dass sie Menschen mit Erkältungssymptomen und vor allem in der kalten Jahreszeit größere Menschenansammlungen meiden sollten.

Der Forschungsverbund INFECTIONS arbeitet nach dem One Health-Ansatz, auch Eine-Gesundheits-Konzept genannt. Was bedeutet das?

Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Gesamtheit der Ökosysteme eng miteinander verknüpft ist. Unsere interdisziplinäre Forschung trägt diesem Ansatz Rechnung: Man muss alle drei Bereiche gemeinsam und in ihren Wechselwirkungen betrachten, um Gesundheit für alle herzustellen bzw. zu erhalten.

Frau Dr. Pätzold, vielen Dank für dieses Gespräch.

Quelle: Allergikus 4/2022

12.04.2023
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