Kontakt 02202 18898-0 | info@curado.de
Menu
Curado Search
Sie sind hier: Startseite  »  Krankheiten  »  Krebs  »  Leukämie und Lymphome  »  Therapie von Leukämie  »  Multiples Myelom

Leukämie und Lymphome

Bei einer Erkrankung an Leukämie, im Volksmund Blutkrebs, wird der Entwicklungsprozess der weißen Blutkörperchen unterbrochen. Ort der Erkrankung ist das Knochenmark, wo das Blut gebildet wird.

Leukämie & Lymphome
© IStock - Ridofranz

Multiples Myelom

Symptome, Diagnose und Therapiemöglichkeiten

Das Multiple Myelom ist eine schwerwiegende Krebserkrankung des Knochenmarks, die insgesamt eher selten ist und vor allem Menschen im höheren Lebensalter trifft. Befund Krebs hat mit Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt, Universitätsklinikum Heidelberg und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), über Symptome, Diagnose und Therapiemöglichkeiten gesprochen.

Herr Prof. Goldschmidt, was ist das Multiple Myelom?

Das Myelom ist eine bösartige Erkrankung von Blutzellen, die im Knochenmark vorhanden sind. Diese Zellen nennen wir Plasmazellen. Die entarteten Zellen wachsen im Knochenmark, verdrängen dadurch die normale Blutbildung und lösen zusätzlich den Knochen auf. So entstehen Knochenschäden, die wir Osteolysen oder Osteoporose nennen.

Wie entsteht es und was sind typische Symptome?

Die Genese des Myeloms ist nicht bekannt. Man diskutiert Umwelteinflüsse als eine mögliche Ursache, das ist aber nicht eindeutig bewiesen. Es gibt auch Hypothesen hinsichtlich einer genetischen Prädisposition, die gegenwärtig untersucht werden. Frühsymptome sind uncharakteristisch, was sehr problematisch ist. Diese können z. B. Rückenschmerzen sein, unter denen viele Menschen leiden und bei denen man meist zuerst an andere Gründe denkt. Deshalb kommt man oft erst relativ spät zu der Erkenntnis, dass es sich um ein Myelom handelt und die Rückenschmerzen durch Knochenzerstörungen bedingt sind.

Ein anderes Symptom ist Blutarmut, aber diese kann auch ganz andere Ursachen haben. Es gibt Symptome, die durch Laboruntersuchungen entdeckt werden können, wie eine hohe Blutsenkung, eine Anämie oder eine Eiweißvermehrung. Wir diagnostizieren daher heute viele Patienten, die bei Vorsorgeuntersuchungen mit Labordiagnostik durch Abnormalitäten auffällig werden. Bei etwa jedem fünften Patienten können wir die Diagnose Myelom stellen, bevor die Myelomerkrankung symptomatisch wird.

Ist eine frühe Diagnose für den Krankheitsverlauf wichtig?

Ja. Die Frühdiagnose ist vor allem deshalb wichtig, weil Organe und wichtige Funktionen durch das Multiple Myelom geschädigt werden – z. B. Knochen, Blutbildung und insbesondere auch Niere und Nierenfunktion. Wenn man weiß, dass ein Myelom in der Frühform diagnostiziert wurde, wird man darauf ein besonderes Augenmerk richten und behandeln, damit kein irreversibler Schaden entsteht. Wenn der Knochen stark geschädigt ist, muss er operiert oder bestrahlt werden. Bei schweren Schäden an den Wirbelkörpern gibt es manchmal leider keine Möglichkeiten, diese umfassend zu beheben.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Es gibt verschiedene Wege, über die die Patienten bei uns vorstellig werden. Sie kommen eventuell vom Orthopäden, weil sie der Hausarzt wegen Rückenschmerzen dorthin überwiesen hat. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Patienten zum Hämatologen oder Onkologen gehen, weil sie z. B. unter Blutarmut leiden oder auffällige Eiweißveränderungen in der Serumelektrophorese, einer speziellen Laboruntersuchung der Eiweiße des Blutserums, vorliegen. Manche kommen über einen Nierenarzt, weil die Nierenfunktion geschädigt ist.

Wir untersuchen dann das Blut, wobei sich aus den Ergebnissen schon Hinweise auf die Krankheit ergeben können. So ist eine Vermehrung von bestimmten Proteinen, wir sprechen hier von Immunglobulinen bzw. monoklonalen Antikörpern, ein ganz wichtiger Hinweis auf ein Multiples Myelom. Dann wird eine Bildgebung durchgeführt, bei der die Knochen und das Knochenmark beurteilt werden. Zudem punktieren wir das Knochenmark und entnehmen dort Zellen, um zu prüfen, inwieweit die Plasmazellen vermehrt auftreten.

Wie sieht die Therapie aus?

Den asymptomatischen Patienten behandelt man zunächst nicht. Diesen wird man engmaschig diagnostizieren – also durch Laboruntersuchung und Bildgebung verfolgen, wie sich die Krankheit entwickelt oder ob sie stabil bleibt. Wenn ein Organschaden nachgewiesen ist, wird man behandeln. Dabei gibt es zwei Strategien. Die eine ist sehr intensiv, die andere ist – angepasst an ein höheres Lebensalter – weniger intensiv.

Die intensive Therapie besteht in Mitteleuropa und Nordamerika aus dem Einsatz von neuen Substanzen plus Hochdosis-Chemotherapie und autologer Stammzelltransplantation. Die weniger intensive Therapieform ist eine Chemotherapie in Kombination mit neuen Substanzen.

Sie sagten, dass die Therapie abhängig vom Alter ist. Können Sie diesen Zusammenhang genauer erläutern? Wie hoch ist das mittlere Erkrankungsalter?

Das liegt ungefähr bei 65 bis 70 Jahren. Bei der Therapieentscheidung wird manchmal diskutiert, wer ein alter Mensch ist und wer nicht. Für uns ist ein alter Myelom-Patient eher über 70, ein junger darunter. Wichtig ist, dass es ein kalendarisches Alter gibt, welches im Ausweis steht, und ein biologisches Alter. Wir haben heute zunehmend auch Senioren, die in einem Topzustand sind, Sport treiben und fit sind. Wir würden daher auch einen 70-Jährigen mit intensiver Therapie behandeln, wenn er in guter Verfassung ist.

Wie ist die Prognose?

Die Prognose ist besser geworden, aber sie ist trotzdem für die Betroffenen problematisch. Das mittlere Überleben liegt bei ungefähr fünf Jahren. Das heißt für einen 65-jährigen Patienten, dass die Diagnose Myelom immer noch dramatisch ist. Eine Frau hat in Deutschland immerhin eine Lebenserwartung von über 80 Jahren. Die Patienten sind daher i. d. R. sehr bestürzt über die Diagnose – deshalb gibt es in Deutschland auch viele Selbsthilfegruppen, in denen sich die Patienten organisieren, austauschen, Netzwerke bilden und Informationen weitergeben.

Wie kann die Lebensqualität von Patienten verbessert werden?

Ich denke, hier ist gute Information besonders wichtig. Es gibt das Internet, Patientenhefte und Broschüren, z. B. von der Deutschen Leukämie- und Lymphomhilfe und der Krebshilfe, wo man sich über Sachfragen informieren kann. Die amerikanische Organisation International Myeloma Foundation bietet auch auf Deutsch viele Aufklärungsseiten und Broschüren an.

Welche Möglichkeiten gibt es, bei Schmerzen zu helfen?

Wir arbeiten eng mit Schmerztherapeuten zusammen und sind daher auch bei der Wahl der Medikamente in Kommunikation mit Spezialisten für Schmerztherapie. Es gibt Medikamente, die den Knochen stärken und auch eine Anti-Schmerz-Wirkung haben, das sind die Bisphosphonate. Jede Therapie muss aber individuell mit dem Patienten abgestimmt werden. Wir arbeiten auch sehr viel mit Morphinen, die sich keineswegs nur für die Endstufe eignen. Durch Morphin erzielt man auch gute schmerzlindernde Ergebnisse, wodurch z. B. die Bewegungsfähigkeit des Patienten erhalten oder wiederhergestellt werden kann. Wenn er sich bewegen kann, ist das gut für die Knochen, die Muskeln und die Lunge. Außerdem bieten wir auch immer eine physiotherapeutische Begleitung an.

Worauf können Patienten in Zukunft hoffen – welche neuen Forschungsansätze gibt es?

Zum einen hat die pharmazeutische Industrie die Myelomtherapie als Erfolgsgeschichte erkannt, viele große pharmazeutische Firmen testen neue Medikamente nun auch bei Myelom-Patienten. Meiner Ansicht nach werden in den nächsten zwei, drei Jahren Medikamente kommen, die weniger Nebenwirkungen haben, die sogar besser wirken. Bezüglich der geringeren Nebenwirkungen bin ich mir sogar ganz sicher. Es werden zudem ganz neue Substanzklassen umfassend beim Myelom geprüft, die bisher in der Therapie noch keine Rolle spielen, z. B. Antikörper, die gegen die Tumorzellen wirken. Zwei Antikörper sind in Deutschland bereits zur Therapie des Myeloms zugelassen.

Erste Studienergebnisse sind vielversprechend. Wir sind zudem überzeugt, dass Myelom nicht gleich Myelom ist. Es gibt molekularbiologisch und über andere Methoden definierte Untergruppen der Erkrankung. Wir wollen daher versuchen, eine risikoadaptierte Therapie umzusetzen, d. h., dass ein Patient, der eine gute Prognose hat, nicht so intensiv behandelt wird, und ein Betroffener, der schlechte molekulare Kennzeichen aufweist, gleich zu Anfang eine sehr intensive Therapie bekommt.

Quelle: Befund Krebs 3/2011

Copyrights © 2024 GFMK GMBH & CO. KG