Unter Nachtblindheit versteht man die mangelhafte oder fehlende Anpassung der Augen an die Dämmerung und die Dunkelheit. In der Medizin wird Nachtblindheit auch als Hemeralopie oder Nyktalopie bezeichnet.
Für die Entstehung einer Nachtblindheit ist die mangelhafte oder fehlende Fähigkeit des Auges, sich an eine lichtarme Umgebung anzupassen verantwortlich. Ursächlich für die eingeschränkte Fähigkeit des Auges, in der Dunkelheit mehr als nur Umrisse zu erkennen, ist eine Fehlfunktion oder der völlige Ausfall der lichtempfindlichen Rezeptoren auf der Netzhaut (Retina). Die Stäbchen dienen dem Hell-Dunkel-Sehen des Auges und nehmen Schwarz- und Weiß-Kontraste wahr. Demgegenüber dienen die Zapfen der Farberkennung. Die Stäbchen sind hochempfindliche Rezeptoren und nehmen das Licht der Umwelt wahr und leiten diesen Impuls an das Gehirn weiter.
Ist die Wahrnehmungsfähigkeit der Stäbchen, die Hell-dunkel-Kontraste aufnehmen, gestört oder fällt ihre Funktion völlig aus, kommt es zur Entstehung der sogenannten Nachtblindheit. Dem Gehirn fehlt das Signal, das Auge an die geringeren Lichtverhältnisse anzupassen. Wie der Name Nachtblindheit schon sagt, sind die Betroffenen im Extremfall in der Nacht und bei Dunkelheit völlig blind.
Es gibt verschiedene mögliche Ursachen für die Entstehung einer Nachtblindheit. Die genauen Ursachen kann der Augenarzt im Gespräch mit dem Betroffenen und bei weiteren medizinischen Untersuchungen feststellen.
In den meisten Fällen ist eine Nachtblindheit angeboren. Die Nachtblindheit kann in diesem Fall von Geburt an vorhanden sein oder aber erst im Laufe des Lebens auftreten. Diese sogenannte essenzielle Nachtblindheit beruht auf einer ererbten Schwäche der Stäbchen. Die Anpassung an die Dunkelheit, die sogenannte Dunkeladaption, ist ein chemischer Prozess in den Sinneszellen des Auges, der bei einer erblichen Nachtblindheit nicht einwandfrei aufgrund einer angeborenen Schwäche der Rezeptoren funktionieren kann.
Eine weitere ererbte Erkrankung, die zur Entstehung einer Nachtblindheit führen kann, ist die Retinopathia pigmentosa. Diese Erkrankung hat eine Zerstörung der Netzhaut zur Folge. Weltweit leiden etwa drei Millionen Menschen an einer Form der Retinopathia pigmentosa. Die Stäbchen sind lichtempfindliche Rezeptoren auf der Netzhaut, die für das Sehen von Hell-dunkel-Kontrasten zuständig sind. Bei einer ererbten Nachtblindheit funktionieren die Stäbchen bei ausreichender Helligkeit, die Anpassung an eine geringere Beleuchtung ist jedoch eingeschränkt.
Ein weiterer Grund für die Entstehung einer Nachtblindheit kann Mangelernährung sein. Eine mangelhafte Versorgung des Körpers mit Vitamin A führt in vielen Fällen zu einer Nachtblindheit. Vitamin A ist in einer ganzen Reihe von Lebensmitteln enthalten. Dazu gehören Fleischprodukte – insbesondere Leber von Rind und Huhn – Milchprodukte wie Butter und Milch sowie Eier und Eiprodukte. Einer der bekanntesten Vitamin-A-Lieferanten sind Karotten. Doch auch in Kürbissen, Aprikosen, Mangos und anderen Obst- und Gemüsesorten ist Vitamin A enthalten. Ein Mangel an Vitamin A kann durch eine Magen-Darm-Erkrankung oder eine Erkrankung der Leber als sekundäre Folge der Krankheit hervorgerufen werden. Vitamin A benötigt der Körper, um den sogenannten Sehpurpur zu regenerieren, der in der Netzhaut eine wichtige Rolle bei der Hell-dunkel-Adaption hat. Die Behandlung der Patienten mit Vitamin A bei einer Nachtblindheit war schon im vorchristlichen Ägypten bekannt.
Auch durch Erkrankungen des Auges und/oder der Netzhaut kann die Entstehung einer Nachtblindheit begünstigt werden. Eine mögliche Folge einer Diabetes-Erkrankung können zuckerkrankheitsbedingte Veränderungen der Netzhaut, diabetische Retinopathie, sein. Infolge der Diabetes-Erkrankung kann es zu Verschlüssen kleinster Blutgefäße in der Netzhaut kommen, die dadurch schlechter mit Sauerstoff versorgt werden können und dadurch auf Dauer Schaden nehmen und zu einer Nachtblindheit führen können. Eine Chorioretinitis ist eine Entzündung der Netzhaut, bei der es in bestimmten Erkrankungsformen zu einer großflächigen Zerstörung des betroffenen Netzhautgewebes und damit der auf der Netzhaut beheimateten Rezeptoren kommen kann. Je nachdem, welche Rezeptoren von einer Chorioretinitis betroffen sind, kann es zu Nachtblindheit bis hin zu völliger Erblindung kommen. Die Entstehung der Nachtblindheit kann auch eine sekundäre Folge des Grauen Stars oder anderer Erkrankungen des Auges sein, bei denen die Sehnerven verkümmern.
Schließlich können bei der Entstehung einer Nachtblindheit auch Trübungen der Hornhaut und die beim Grauen Star typische Trübung der Augenlinse verantwortlich dafür sein, dass zu wenig Licht auf die Netzhaut fällt. Die Unterscheidung von Hell-dunkel-Kontrasten ist durch die Trübung bedingt für die Stäbchen-Rezeptoren nicht mehr möglich. Auch in diesem Fall kommt es ab einem bestimmten Grad der Augentrübung zu einer Nachtblindheit.
Pia-Susan Berger-Bügel