Die Arzneimittelallergie kann eine Reaktion auf ein Arzneimittel sein. Darunter verstehen sich Reaktionen auf ein Arzneimittel, die unbeabsichtigt sind und nicht mit der therapeutischen Wirkung des Medikaments in Zusammenhang stehen.
Für Allergien besteht ein Klassifizierungssystem, das 1963 von Coombs und Gell entwickelt wurde. Nach diesem System können insgesamt vier Formen einer Allergie eingeteilt werden, die sich anhand ihres Entstehungsmechanismus unterscheiden. Bei einer Arzneimittelallergie können alle vier Formen auftreten.
Die Entstehung einer Allergie kann theoretisch bei jedem Kontakt eines Menschen mit einem potenziellen Allergen, also im Falle der Arzneimittelallergie mit einem bestimmten Medikament, initiiert werden. Eine Arzneimittelallergie besteht aus zwei Phasen, der Sensibilisierungs- und der Auslösungsphase. Als Sensibilisierung wird der Prozess bezeichnet, bei dem die Arzneimittelallergie entsteht. Er verläuft symptomlos, die Betroffenen bemerken also nicht, dass sie gerade eine Arzneimittelallergie entwickeln bzw. entwickelt haben. Kommt es dann zu einem erneuten Kontakt mit dem Medikament, tritt die Auslösungsphase ein. Dabei handelt es sich um die eigentliche Allergie, da Symptome auftreten und die Betroffenen ihre Krankheit realisieren. Jeder weitere Antigenkontakt bei der Arzneimittelallergie resultiert in der Entstehung einer weiteren allergischen Reaktion.
Die Arzneimittelallergie vom Soforttyp bzw. vom Typ I ist IgE vermittelt. Beim IgE handelt es sich um eine bestimmte Klasse von Antikörpern, die auf der Oberfläche von Mastzellen und basophilen Granulozyten gebunden werden. Diese Antikörper können spezifische Strukturen eines Moleküls, eines sogenannten Antigens, erkennen und dieses binden. Dadurch werden Signale erzeugt, die in das Innere der Zelle weitergeleitet werden und dort eine Ausschüttung von Granula bewirken. Diese Granula enthält bei Mastzellen vorwiegend verschiedene Stoffe, die eine Entzündungsreaktion auslösen, wie Histamin, Leukotriene und Prostaglandine.
Typische Symptome einer Arzneimittelallergie dieses Typs, die durch eine Ausschüttung dieser sogenannten Entzündungsmediatoren hervorgerufen werden, sind eine Konjunktivitis (Bindehautentzündung), eine Rhinitis (Schnupfen), Asthma, eine Urtikaria (Nesselsucht), Ödeme und möglicherweise ein anaphylaktischer Schock. Da die Ausschüttung der Entzündungsmediatoren innerhalb kürzester Zeit, also im Bereich von Sekunden bis Minuten, Symptome einer Arzneimittelallergie hervorbringt, bezeichnet man die IgE-vermittelte Allergie auch als Allergie vom Soforttyp. Die IgE-Antikörper gegen ein Medikament werden in der Sensibilisierungsphase gebildet, und binden an Mastzellen und basophile Zellen. Wird nun das jeweilige Medikament ein weiteres Mal verabreicht, wird es von diesen Antikörpern gebunden und die beschriebene Immunreaktion läuft ab.
Die Typ II-Allergie wird auch als zytotoxische Reaktion bezeichnet. Sie kann beispielsweise bei einer Arzneimittelallergie durch eine Einnahme eines Antibiotikums, eines Blutdrucksenkers oder durch ein Mittel gegen Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden. Diese Arzneimittel können auf der Oberfläche von roten Blutkörperchen oder Blutplättchen gebunden werden, wo sie dann das Angriffsziel von IgG-Antikörpern sein können. Als Folge wird die Zelle zerstört. Resultat ist dann eine hämolytische Anämie, wenn vorwiegend rote Blutkörperchen betroffen sind, oder aber eine Thrombozytopenie, wenn viele Blutplättchen zerstört werden. Nur wenige Menschen bilden solche Anti-Medikament-IgG-Antikörper aus, sodass dieser Allergietyp bei der Arzneimittelallergie vergleichsweise selten auftritt.
Bei einer Arzneimittelallergie vom Immunkomplex-Typ (Typ III), kommt es bei der Entstehung einer Arzneimittelallergie zu einer Bildung von Antikörpern gegen lösliche Antigene. Dies führt zu einer Ablagerung von Antigen-Antikörper-Aggregaten oder Immunkomplexen, die aufgrund einer Vernetzung der Antigene und Antikörper untereinander entstehen, an bestimmten Stellen im Gewebe. Eine solche Stelle, an der sich Immunkomplexe bevorzugt ablagern, sind Kapillaren, zum Beispiel in der Niere. Die Immunkomplexe aktivieren bestimmte Zellen des Immunsystems wie weiße Blutkörperchen und Mastzellen. Dadurch wird eine Entzündungsreaktion bei der Arzneimittelallergie ausgelöst und die Gefäßdurchlässigkeit erhöht, was zu einem lokalen Eindringen von Flüssigkeiten und Zellen aus dem Blut in das umliegende Gewebe führt. Man bezeichnet diese Art der Immunreaktion bei einer Arzneimittelallergie auch als Arthrus-Reaktion. Zudem kann es zu einer Aktivierung von Komplement kommen, einem löslichen Bestandteil des Immunsystems.
Die Arzneimittelallergie vom verzögerten Typ (Typ IV) tritt im Gegensatz zum Soforttyp nicht unmittelbar nach dem Kontakt mit einem Allergen auf, sondern diese Arzneimittelallergie entwickelt ihre Symptome erst nach 24 bis 72 Stunden. Bei der Entstehung der Arzneimittelallergie dieses Typs liegt eine Aktivierung antigenspezifischer T-Zellen zugrunde, die eine entsprechende Zeit in Anspruch nimmt. Mit welchem Mechanismus schließlich das Gewebe geschädigt wird, hängt vom Untertyp der Arzneimittelallergie ab. Beim Typ IVa1 richtet sich die Reaktion bei der Arzneimittelallergie gegen lösliche Antigene. Es werden bei der Entstehung einer Arzneimittelallergie durch das Antigen, also in diesem Fall das Medikament, solche T-Helferzellen aktiviert, die selbst wiederum Makrophagen aktivieren. Auch der Typ IVa2 richtet sich gegen lösliche Antigene, allerdings aktivieren bestimmte T-Helferzellen in diesem Fall eosinophile Granulozyten. Beim Typ IVb handelt es sich um eine Antwort auf zellulär gebundene Antigene. Dabei werden zytotoxische T-Zellen aktiviert, die selbst die betroffenen Zellen zerstören.
Lydia Köper