Die typischen Hautveränderungen bei der Nesselsucht tauchen nach dem Kontakt mit bestimmten Reizen oder spontan – scheinbar ohne besonderen Grund – auf. Die plötzlich auftretenden Hauterscheinungen bezeichnen Mediziner als Quaddeln.
Überempfindliche Patienten reagieren auf bestimmte Reize mit einer Nesselsucht (Urticaria, Urtikaria). Zu diesen Reizen gehören unter anderem: Druck, Wärme, Kälte, Wasser, Sonnenlicht, Medikamente (vor allem Salizylate) Bienen- oder Wespenstiche, Infektionen bakterieller Art oder durch Viren ausgelöst, Stress bzw. Depressionen.
Beinahe alle Formen der Nesselsucht haben eine Gemeinsamkeit – durch die Stimulation bestimmter Zellen in der Haut, den sog. Mastzellen, kommt es zur vermehrten Freisetzung von Histamin. Der Gewebsbotenstoff Histamin bewirkt eine Erweiterung der Hautgefäße. In der Folge geben diese Flüssigkeit an das umliegende Gewebe ab, die sich in der Haut ansammelt. Es entstehen die polsterartigen Quaddeln. Die Histaminfreisetzung führt auch zu dem starken Juckreiz und der Rötung der Haut.
Mastzellen erschweren Eindringlingen wie Bakterien oder Parasiten das Vordringen in den menschlichen Körper – sie sind quasi die „Grenzpolizei“. Besonders häufig kommen Mastzellen in der Haut und in den Schleimhäuten des menschlichen Körpers vor. Meist sind sie im lockeren Bindegewebe und in kleinen Gefäßen zu finden, also überall dort, wo sie mit unserer Umwelt in unmittelbarem Kontakt stehen. Entweder töten sie die Eindringlinge selbst ab oder sie alarmieren Zellen des Abwehrsystems unseres Körpers. In den Mastzellen findet sich der Gewebsbotenstoff Histamin, der eine Schlüsselrolle für die Juckreizauslösung besitzt. Eine Unverträglichkeit gegen bestimmte Reize führt zur Freisetzung von Histamin und anderen Substanzen (Mediatorstoffe).
Bei Allergien löst die übermäßige Ausschüttung von Histamin die bekannten Symptome aus. Histamin bewirkt neben der Weitung der Gefäße auch eine Stimulation in der Haut befindlicher Nerven. Die typische Rötung und ein unangenehmer Juckreiz sind die Folge. Bei älteren Menschen nimmt die Zahl der Mastzellen ab, die Haut wird weniger reaktiv.
Urtikaria, auch bekannt als Nesselsucht, definiert sich durch das Vorhandensein von Juckreiz, Quaddeln oder Angioödeme. Die Symptome können von einem auf den anderen Tag auftauchen und auch wieder verschwinden.
Bei der Urtikaria unterscheidet man eine akute und eine chronische Variante der Erkrankung. Bei der akuten Urtikaria kann es häufig ein Infekt sein, der die Symptome hervorruft. Oder es kann eine allergische Reaktion sein, auf Nahrungsmittel oder eine Unverträglichkeitsreaktion auf ein Medikament“, sagt Prof. Martin Metz, Berlin. Bei der chronischen Urtikaria spielen Allergien keine Rolle, sondern es handelt sich um Infekte, z. B. Magen-Darm-Infekte, chronische Nasennebenhöhlenentzündung oder chronische Beschwerden an den Zähnen.
„Außerdem unterscheidet man zwischen spontaner und induzierbarer Urtikaria. Spontan bedeutet, dass die Rötungen und Quaddeln spontan, quasi aus dem Nichts auftauchen. Bei der induzierbaren Urtikaria muss immer eine bestimmte Situation vorliegen. Ein bestimmter Reiz, also Wärme, Kälte, Licht, Reibung oder Druck löst die Urtikaria aus“, erläutert Prof. Metz. Das quälende Symptom für die Betroffenen ist der Juckreiz. Die Quaddeln, die auftreten, empfinden viele auch als sehr unangenehm. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu Angioödemen kommen. Das sind tiefe Schwellungen, die entweder um die Quaddeln herum auftreten können oder das Auge oder die Lippe anschwellen lassen. Der Juckreiz ist meist nur für wenige Stunden präsent, die Quaddeln für ein paar Tage. Häufig passiert es auch, dass die Quaddeln am Körper wandern. Unter welcher Form der Urtikaria der Betroffene leidet, muss ein Spezialist abklären. Deswegen ist der Besuch beim Hautarzt unumgänglich.
Äußerlich lässt sich die Nesselsucht durch physikalische Einwirkung auslösen. Man spricht dann unter Medizinern von physikalischer Urtikaria.
Zu ihr gehören:
Weiterhin gibt es noch folgende Formen der Nesselsucht:
linsengroße Quaddeln mit rotem Rand, gelegentlich Übelkeit, Kopfschmerzen
Vergleichsweise häufig wird die Kälteurtikaria diagnostiziert. Sie ist keine Allergie im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr eine durch Histamin ausgelöste Form der Nesselsucht. Hier bewirkt der Kältereiz die Freisetzung von Histamin und zwar an der Stelle, an der Kälte auf die Haut einwirkt. Symptome sind Hautrötungen, Schwellungen und Quaddeln, die mit unangenehmem Juckreiz einhergehen.
Lebensmittel wie Nüsse, bestimmte Gewürze, Fisch oder Schalentiere (Muscheln, Krabben etc.) können bei überempfindlichen Menschen zu allergischen Reaktionen führen, die sofort nach dem Verzehr zu Quaddeln oder Ödembildung führen. Auch zu Luftnot oder in schweren Fällen zum anaphylaktischen Schock kann es kommen.
Die Häufigkeit und die Bedeutung von Infektionen als Auslöser für die Nesselsucht werden in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich beurteilt. Z. B. werden Hepatitis-Virusinfektionen als häufige Ursache von Untersuchungen im südeuropäischen Raum genannt, sehr selten allerdings im nordeuropäischen Raum.
Bei einigen infektiösen Erkrankungen, insbesondere bei Infektionen mit Helicobacter pylori (einem Magenbakterium) ist unklar, ob der Erreger oder die durch ihn verursachte Entzündungsreaktion für die Nesselsucht ursächlich ist.
Auch organische Ursachen für die chronische Urtikaria (Nesselsucht) existieren. So können Störungen der Nebennierenrinde oder versteckte Entzündungsherde im Körper zu Nesselsucht führen. Unbedingt zu erwähnen ist auch Stress, der Nesselsucht nicht nur verstärken kann, sondern auch als Auslöser diskutiert wird.
Birgit Lindner