Schwindel ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein sogenanntes multi-sensorisches Symptom, das auf verschiedene Erkrankungen hindeuten kann. Schwindel äußert sich durch die Störung der räumlichen Orientierung und des Gleichgewichts, oft verbunden mit dem Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren.
Die Ursachen von Schwindel können vielfältiger Natur sein. Die verschiedenen Arten des Schwindels variieren bezüglich Auslöser, Dauer und Art. Allen liegt aber der gleiche Entstehungsmechanismus zugrunde: Diejenigen Sensoren im Körper, die dem Bewusstsein Bewegung und Stellung im Raum melden, werden durch Sinnes-bewegungen gereizt. Dazu gehören die Augen innerhalb des visuellen Systems, sogenannte Tiefenrezeptoren in den Muskeln (somatosensorisches System) und das Gleichgewichtsorgan im Innenohr, das vestibuläre System. Die Informationen, die diese Sinnessysteme übermitteln, werden im Gehirn verglichen und ausgewertet. Stehen diese Informationen nicht im Einklang miteinander oder sind diese unbekannt, entsteht Schwindel.
Die am häufigsten auftretende Form des Schwindels aufgrund ungewohnter Sinneserfahrungen oder als Nebensymptom verschiedener Krankheiten nennt man Reizschwindel. Er tritt als Schutzmechanismus des Körpers auf, um ihn vor potenzieller Gefahr zu warnen, beispielsweise in der Höhe. Auch außergewöhnliche Bewegungen und Beschleunigungen, beispielsweise auf Seereisen oder bei einer Karussellfahrt lösen Reizschwindel aus. In diesem Fall ist Schwindel ein natürliches Phänomen. Eine Form des Reizschwindels ist der visuelle Schwindel, der beispielsweise auftritt, wenn Beifahrer beim Autofahren lesen. Die Augen melden dem Gehirn Stillstand, während das Gleichgewichtssystem Bewegung wahrnimmt. Die scheinbare Widersprüchlichkeit der Sinnesempfindungen führt zu Schwindel.
Auch die Wahrnehmung von Tiefe spielt eine Rolle bei der Entstehung von Schwindel: verändert sich zum Beispiel während einer Fahrstuhlfahrt die Tiefenwahrnehmung, meldet das Gehirn die Druckveränderung als Bewegung. Das Auge kann aber keine Bewegung wahrnehmen und es entsteht ein sogenanntes „Fahrstuhlgefühl“ des Fallens, das auch „Liftschwindel“ genannt wird. Andersherum geht es Sitzenden in einem stehenden Zug, die einen anfahrenden Zug auf dem Nebengleis sehen. Das Gefühl entsteht, als würde der eigene Zug fahren. Hier meldet das Auge Bewegung, der Körper erfährt diese aber über die Tiefenrezeptoren nicht.
Als Begleitsymptom anderer Erkrankungen tritt Reizschwindel zum Beispiel aufgrund von Blutdruckveränderungen, Sauerstoffmangel oder Vergiftungen auf. Als Ursachen kommen ungenügende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und verschiedene Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge infrage.
Liegen Erkrankungen an den für das Gleichgewicht zuständigen Systemen vor, bezeichnet man den als Hauptsymptom auftretenden zentralen Schwindel als Läsionsschwindel. Hierbei liegen Fehler in den sogenannten messenden Sinnen Sehsinn und Hörsinn oder des auswertenden Organs, des Gehirns, vor. Erkrankungen, die in Zusammenhang mit den Ohren stehen, sind beispielsweise die Vestibulopathie, eine Erkrankung des Innenohrs, die Entzündung des Gleichgewichtsnervs und Morbus Menière (Menière-Krankheit), eine weitere Erkrankung des Innenohrs.
Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohrs, die als Hauptsymptom Drehschwindelattacken aufweist. Betroffene spüren ein starkes Drehgefühl mit Fallneigung, das in der Regel von Übelkeit und Augenzittern (Nystagmus) begleitet wird. Weitere Symptome des Morbus Menière sind Blässe, Schweißbildung und ein Druckgefühl im Ohr, verbunden mit verminderter Hörfähigkeit und Tinnitus (Ohrgeräuschen).
Die eher seltenere Erkrankung tritt in der Regel zwischen dem vierzigsten und sechzigsten Lebensjahr auf und betrifft mehr Männer als Frauen. Die genaue Ursache von Morbus Menière ist nicht bekannt. Die Symptome entstehen, weil sich durch eine vermehrte Produktion von Innenohrflüssigkeit der Innenohrdruck erhöht und die Trennhäute innerhalb des Innenohrs zerreißen. Die dadurch entstehenden Druckschwankungen und Milieuveränderungen führen zum Schwindel und eventuellen Stürzen.
Treten Drehschwindelattacken regelmäßig auf, kommt Migräne als Ursache infrage. Neben Kopfschmerzen kann Schwindel ein Symptom für Migräne sein, speziell für den Typ Basilaris-Migräne, der besonders bei jungen Erwachsenen auftritt. Bei Patienten, die an Multipler Sklerose erkrankt sind, können geschädigte Nervenbahnen für Drehschwindelattacken sorgen. Antibiotika aus der Gruppe der Aminoglykoside können als Nebenwirkung Schwindel auslösen.
Hält die Drehschwindelattacke stunden- oder sogar tagelang an, liegt wahrscheinlich eine Virusinfektion des Gleichgewichtsnervs (Neuritis vestibularis) vor, der zu einem einseitigen Ausfall des Gleichgewichtsorgans führt. Die Entzündung klingt in der Regel innerhalb von zwei Wochen ab. In selteneren Fällen sind eine Hirnschädigung in Form eines Tumors, der Ausfall bestimmter Hirnnerven oder Durchblutungsstörungen Ursache von anhaltendem Drehschwindel. Von dieser Schwindelform sind am häufigsten Patienten zwischen fünfzig und sechzig Jahren betroffen, wobei das Symptom bei Frauen häufiger auftritt als bei Männern.
Verschiedene psychische Erkrankungen können Schwindel als Symptom zeigen. Oft tritt er in Verbindung mit einer Phobie oder Angsterkrankung oder als Folge starker psychischer Belastung und Anspannung auf (phobischer Attackenschwindel). Diese Form des Schwindels wird nach dem ersten Auftreten von den Betroffenen häufig generalisiert. Depressionen, Psychosen und Neurosen sind weitere psychische Erkrankungen, deren Symptom Schwindel sein kann. Dabei handelt es sich in der Regel um einen unterschiedlich ausgeprägten Dauerschwindel, der als Schwankschwindel auftritt.
Barbara Kliem