Der Begriff Tinnitus bezeichnet eine Gruppe von inneren Ohrgeräuschen, die vom Pfeifen im Ohr über Zischen und Rauschen bis hin zu einem unaufhörlichen Knacken oder Klopfen reichen können. Dabei existiert keine äußere Schallquelle als Ursache.
Die Entstehung des akuten Tinnitus ist auf jeweils unterschiedliche Grunderkrankungen zurückzuführen – diese können körperlicher oder seelischer Natur sein. Bei den körperlichen Erkrankungen ist zusätzlich zu unterscheiden zwischen solchen, die
Die Entstehung eines akuten oder chronischen objektiven Tinnitus hängt deutlich von der Entstehung bzw. Fortexistenz des Grundleidens ab – dieses erzeugt eine oder mehrere körperinnere Schallquellen, die nahe genug am Innenohr liegen, dass ihre akustischen Reize von einem korrekt funktionierenden Gehör aufgenommen und weiter verarbeitet werden.
Die Entstehung des subjektiven Tinnitus kann vielfältige Gründe haben, die – besonders, wenn es sich um einen idiopathischen oder seelisch motivierten subjektiven Tinnitus handelt – gelegent-lich medizinisch nicht ohne weiteres zuzuordnen sind.
Hauptauslöser bei der Entstehung eines akuten subjektiven Tinnitus sind Ohrenerkrankungen oder gelegentlich auch Verschmutzungen des äußeren Gehörganges.
Störungen im Außenohr bei Tinnitus
Zur Entstehung subjektiver Ohrgeräusche können im Außenohr Entzündungen beitragen, Wucherungen, ein Pfropf aus Ohrschmalz und Fremdkörper wie Steinchen, Schmutzteile oder kleine Insekten, die in den Gehörgang geraten sind.
Störungen im Mittelohr bei Tinnitus
Im Mittelohr können Mittelohrentzündungen, fortgeleitete Nasennebenhöhlen-Entzündungen und Entzündungen aus dem Nasen-Rachen-Raum, aber auch die Otosklerose, die Versteifung des Steigbügels, an der Entstehung der Ohrgeräusche beteiligt sein. Auch Schädelverletzungen durch Unfälle können die Strukturen von Mittel- oder Innenohr so beeinträchtigen, dass es zu Ohrgeräuschen kommt.
Störungen im Innenohr bei Tinnitus
Entstehungsgründe der Ohrgeräusche im Innenohr können ein Hörsturz, Alters- oder Lärmschwerhörigkeit sein, eine akustische Überbelastung (zum Beispiel ein Knall- oder Explosionstrauma), die Menière-Krankheit oder Erkrankungen des Hörnervs durch Entzündungen oder Tumoren.
Weitere organische Ursachen eines Tinnitus
Weitere organische Ursachen können die Entstehung von Ohrgeräuschen verursachen – etwa Blutarmut (Anämie), Erkrankungen des Stoffwechsels, Arteriosklerose, Bluthochdruck, Veränderungen des Knochengefüges, zum Beispiel an der Halswirbelsäule (hier sind Nervenverbindungen zum Hörzentrum für eine Fehlwahrnehmung verantwortlich), Kieferschäden oder Zähneknirschen.
Medikamente als Ursache von Tinnitus
Auch Medikamente können die Entstehung von akuten oder chronischen Ohrgeräuschen verursachen: Bestimmte Antibiotika, Diuretika oder platinhaltige Medikamente der Chemotherapie, wie sie zur Behandlung von bösartigen Tumoren eingesetzt werden, können u. a. dauerhafte Ohrgeräusche auslösen; manche Schmerz- oder Rheuma-Medikamente bewirken mitunter vorübergehende akute Ohrgeräusche.
Seelische Ursachen als Auslöser von Tinnitus
Stress, übermäßige Belastung, Verspannungen, seelische Erkrankungen können mitunter nicht nur die Folge von chronischen Ohrgeräuschen sein, sondern auch an ihrer akuten Entstehung mitgewirkt haben. Je nach psychologischer oder psychiatrischer Ausrichtung kann das akute oder chronische Ohrgeräusch dabei als Bestandteil eines komplexen psychiatrischen Krankheitsbildes gewertet werden – oder als vereinzeltes symbolisches Symptom: Der Patient „hört wohl nicht recht“, „kann etwas nicht mehr hören“, „hört nicht mehr zu“, „kann nicht glauben, was er hört“ oder ihm „klingen die Ohren“. In psychoanalytischer Interpretation schlagen sich im dauerhaften Ohrgeräusch gar unbewusste frühkindliche Fantasien nieder, die sich nur in körperlichem Ausdruck mitteilen lassen.
Alle bisher genannten Gründe für die Entstehung akuter Ohrgeräusche können auch herangezogen werden, um die Ausbildung eines chronischen Tinnitus zu erklären – mit einer wesentlichen Ausnahme.
Fachgerecht und zeitnah zum ersten Auftreten behandelt, vergehen akute Ohrgeräusche in den meisten Fällen nach kurzer Zeit. Lassen sich die zugrunde liegenden Störungen nicht beseitigen, bleiben auch die Entstehensgründe bestehen – hält bei diesen Patienten das Klingeln, Sausen, Brummen, Rasseln oder Pulsieren an.
Nicht so eindeutig erklärbar allerdings ist, warum bei einer beträchtlichen Anzahl von Betroffenen die Ohrgeräusche auch dann noch bestehen bleiben, wenn die zugrunde liegende Ursache beseitigt worden ist. Das Rauschen, Hämmern, Pfeifen klingt nicht wieder ab.
Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein chronischer Tinnitus nicht mehr allein nur von einem einzigen Bereich des Hörsystems ausgeht, etwa von einem geschädigten Innenohr, sondern sich auch im Hörnerv und in den zentralen Gehörbahnen im Gehirn niederschlägt.
Ein Beispiel macht dies deutlich. Der häufigste Grund für die Entstehung von Ohrgeräuschen liegt in
Schallempfindungsschwerhörigkeiten mit verschiedenste Ursache – allerdings steht die Intensität der Schwerhörigkeit nicht in einer unmittelbaren Beziehung zu der Intensität der von den Erkrankten erlebten Tinnitus-Störungen. Es ist die Schädigung von Sinneszellen, auf deren Basis die Spontanaktivität der Hörnerven eine Veränderung durchläuft. Diese veränderte Spontanaktivität wird von den Betroffenen als Hörempfindung wahrgenommen – und verfestigt sich mit der Zeit.
Jochen Winkelmann