Unter dem Begriff „Neurologische Erkrankungen“ fasst man eine Vielzahl verschiedener Krankheiten zusammen. Gemeinsames Kennzeichen ist, dass sie das Nervensystem betreffen. Man unterscheidet hierbei das zentrale Nervensystem und das periphere Nervensystem.
Von Komorbidität spricht man, wenn unterschiedlich diagnostizierbare und eigenständige Krankheitsbilder nebeneinander bei einem Patienten auftreten und einen insgesamt ungünstigen Krankheitsverlauf bedingen. Patienten mit solchen vielschichtigen Krankheitssymptomen wurden früher häufiger als heute nicht optimal behandelt, da oftmals kein Zusammenhang zwischen den Krankheiten gesehen wurde.
Die moderne Medizin hat sich inzwischen dem Thema Komorbidität verstärkt zugewandt, sodass nun Krankheiten, die auf den ersten Blick getrennt zu betrachten sind, nun eher in einen Zusammenhang gesetzt werden – mit dem Ziel, für den Patienten bessere Therapieergebnisse zu erzielen. Denn Komorbiditäten bedingen sich in ihrem Ergebnis gegenseitig. Eine häufige Komorbidität ist die Depression.
Zur Veranschaulichung des Phänomens stelle man sich zwei Krankheitsbilder vor, von denen das erste dem zweiten zeitlich vorgelagert ist, sodass das zweite als Komorbidität zum ersten bezeichnet wird und diesem unter bzw. nachgeordnet ist. Bei den verschiedenen neurologischen Erkrankungen treten unterschiedliche Komorbiditäten auf. Es können auch sekundäre, durch die Behandlung verursachte Symptome auftreten.
Allgemein lässt sich feststellen, dass besonders häufig Depressionen und Angstzustände als komorbide Symptome auftreten. Die Ursachen für die verschiedenen Krankheitssymptome und deren Zusammenhänge zu erkennen, ist eine neue Herausforderung für die behandelnden Ärzte.
Bei Schlaganfällen wird die Diagnose häufig durch die Begleiterkrankungen der Patienten erschwert. Insbesondere auf dem Gebiet der Schlaganfall-Komorbidität sind bislang nur wenig systematisch erhobene Daten veröffentlicht worden. Neurologen des Universitätsklinikums Greifswald berichten, dass sich bei Schlaganfallpatienten häufig mindestens eine der folgenden Krankheiten diagnostizieren lässt:
Als wichtigste Begleiterkrankung muss dabei aber die Depression angesehen werden, da sie der größte Risikofaktor für Schlaganfälle ist. Sie kann sowohl vor als auch nach einem Schlaganfall („poststroke depression“) auftreten. Gerade für Schlaganfall-Patienten hat sich die Situation aber entscheidend verbessert. Durch den Aufbau von Schlaganfall-Spezialstationen (Stroke Units) konnten bessere Überwachungsmechanismen zur Erkennung von Zweit- oder Mehrerkrankungen eingeführt werden.
Laut Greifswalder Neurologen wird durch das Ausmaß der Komorbidität bei akuten Schlaganfällen nicht nur die Wirkung der Akutbehandlung und die Langzeitprognose negativ beeinflusst, sondern auch der notwendige therapeutische Aufwand in der Akutsituation enorm gesteigert. Dem sollen die Schlaganfall-Spezialstationen entgegenwirken.
Bei Parkinson-Patienten besteht die Komorbidität vor allem in Verhaltensstörungen und psychiatrischen Störungen. 40-60 % aller Parkinson-Patienten zeigten Depressionssymptome, hauptsächlich innerhalb der „Off-Phasen“. Hinzu kommen gerade im Anfangsstadium Schlafstörungen und bei hohen Tagesdosen der meisten Parkinson-Medikamente kann es zu einem erhöhten Halluzinationsrisiko kommen.
Demenz in Zusammenhang mit der Parkinson-Krankheit kommt bei etwa 40 % der Patienten vor, allerdings fast ausschließlich bei spätem Krankheitsbeginn. Dann sind die Symptome, gerade der Gedächtnisverlust, die Konzentrationsschwäche und die verminderte Reaktionsfähigkeit, aber viel ausgeprägter als bei einem alleinigen Parkinson-Befund.
Patienten mit Epilepsien haben laut einer Studie der Universitätsklinik Bonn häufig auch Schlaf- und Angststörungen, Depressionen, Psychosen und kognitive Störungen. Besonders bei Kindern mit Epilepsie besteht ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Leidet ein Patient unter Depressionen, kann es als Folge zu vermehrtem Konsum von Alkohol oder anderen Drogen kommen, womit die Betroffenen häufig versuchen, den Depressionsattacken zu entfliehen. Dieser Drogenmissbrauch ist dann als eine komorbide Störung zu der Depression zu betrachten.
Depressive Patienten sind sehr oft auch von Angststörungen befallen. Knapp die Hälfte aller Patienten mit Depressionen zeigt Angstsymptome und umgekehrt. Depression kann aber auch die komorbide Begleitkrankheit zur Demenz sein, besonders in deren Frühstadium, wenn der Patient noch in hohem Maße erkenntnisfähig ist. Mit einer Antidepressiva-Versuchstherapie sollte eine Diagnose erleichtert werden.
Die komorbide Depression sollte immer behandelt werden, da sie bei erkannter Demenz noch vorhandene kognitive Funktionen erheblich verringern kann. Insbesondere bei manisch-depressiven Erkrankungen wird der schon angeführte Substanzmissbrauch bei fast 60 % der Patienten festgestellt. Ein Substanz- oder Drogenmissbrauch kann diese so genannte bipolare Störung und den Krankheitsverlauf durch Verstärkung der Symptome enorm verschlechtern und neue Komorbiditäts- Erkrankungen hervorrufen.
Früher behandelte man bei zeitnahem Auftreten unterschiedlicher Krankheitserscheinungen jedes Krankheitssymptom einzeln, ohne die oftmals enge Verstrickung zwischen verschiedenen Krankheiten zu beachten. Doch diese Zusammenhänge der physischen und psychischen Auffälligkeiten zu erfassen ist wichtig, um das Krankheitsbild in seiner Gesamtheit richtig behandeln zu können.
Durch die Gesamtwahrnehmung der Symptome wird auch die Diagnosestellung auf die wesentlichen und erforderlichen Untersuchungen reduziert, bei gleichzeitig verbesserten Therapiemöglichkeiten. Eine Ergänzung der physischen durch psychische Therapien kann häufig zu höherem Behandlungserfolg führen. Gerade weil häufig vorkommende Krankheitsbilder oftmals parallel auftreten und z.T. feste Komorbiditäten erwiesen sind, lassen sich mit einer zweigleisig angelegten Therapie die Symptome oft in eine günstige Richtung lenken.
Gregor Lenkitsch