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Rohe Kuhmilch schützt Kinder vor Atemwegsinfekten, Fieber und Mittelohrentzündung. Das zeigt eine europaweite Studie unter der Leitung von Prof. Erika von Mutius, über die in der Fachzeitschrift Journal of Allergy and Clinical Immunology berichtet wird. Da Rohmilch jedoch auch krankmachende Mikroorganismen enthalten kann und ihr Verzehr daher ein hohes gesundheitliches Risiko birgt, plädieren die Forscher für neue schonende industrielle Verfahren, bei denen die schützenden Inhaltsstoffe der unbehandelten Milch erhalten bleiben, so die Ludwig-Maximilians-Universität München.
Im Rahmen der Langzeitstudie PASTURE hielten rund 1.000 Mütter die Ernährung und Gesundheit ihres Kindes bis zum ersten Lebensjahr wöchentlich fest. „Kinder, die unbehandelte Kuhmilch tranken, hatten ein deutlich niedrigeres Risiko für Schnupfen, Atemwegsinfekte, Fieber und Mittelohrentzündungen als Kinder die kommerziell hocherhitzte Milch tranken“, sagt Dr. Georg Loss. Ihr Risiko, etwa an Atemwegsinfektionen zu erkranken, sank um bis zu 30 %. Dieser Effekt schwächte sich etwas ab, wenn die Milch von den Eltern erwärmt wurde. Pasteurisierte Milch, die industriell erhitzt wird, schützte noch vor fieberhaften Erkrankungen, während dieser Effekt bei H-Milch gar nicht mehr bestand. Die Ergebnisse sind der Studie zufolge unabhängig von anderen möglichen Einflussfaktoren wie der Ernährung der Kinder.
„Die unterschiedlich schützenden Effekte der Milchtypen beruhen vermutlich auf bestimmten hitzeempfindlichen Inhaltsstoffen der Milch. Vor allem bei Atemwegsinfekten und Mittelohrentzündung scheinen Inhaltsstoffe, die in Rohmilch vorkommen, aber nicht in erhitzter Milch, eine tragende Rolle zu spielen“, sagt Dr. Loss.
Im Alter von zwölf Monaten wurde den Kindern Blut abgenommen, das immunologisch untersucht wurde. Säuglinge, die Rohmilch tranken, hatten niedrigere Normalwerte des Entzündungsparameters CRP (C-reaktives Protein), der Ärzten Auskunft über Entzündungen im Körper gibt. „Höhere Entzündungswerte hängen mit der Entwicklung chronischer Erkrankungen wie Asthma und Übergewicht zusammen, wie aus anderen Studien bekannt ist. Der Konsum von Rohmilch könnte also das Risiko senken, später an Asthma zu erkranken“, sagt Dr. Loss.
Bei der industriellen Verarbeitung wird Milch erhitzt, beim Pasteurisieren auf Temperaturen zwischen 72 und 75 Grad Celsius, bei der Herstellung von H-Milch auf Temperaturen um 135 Grad Celsius. Zudem wird die Milch homogenisiert, damit sich das Fett verteilt und sich kein Rahm bildet. „Beim Verzehr von Rohmilch ist Vorsicht geboten“, sagt Dr. Loss. Unbehandelt als Rohmilch kann Milch bakteriell belastet sein und verschiedene Krankheiten wie Listeriose, Tuberkulose und EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) basierte Durchfallerkrankungen und schwere Niereninsuffizienz auslösen. Die Forscher regen daher an, neue Verfahren bei der industriellen Milchverarbeitung zu entwickeln: „Durch neue schonende Verfahren könnte ein gesundheitlich unbedenkliches Milchprodukt erzeugt werden, das noch die schützenden Inhaltsstoffe von Rohmilch enthält, aber nicht die krankmachenden Mikroorganismen“, sagt Dr. Loss.
Kuhmilch liefert neben Fett und Kohlenhydraten auch Proteine, die das Immunsystem beeinflussen können. „Die Zusammensetzung von Kuhmilch und Muttermilch ist in vielen Aspekten sehr ähnlich“, sagt Dr. Loss. Es ist schon länger bekannt, dass Stillen Kinder vor Infektionen schützt. Die Mechanismen, wie Mutter- oder Kuhmilch das Immunsystem des Kindes beeinflussen, um vor Infektionen zu schützen, sind noch ungeklärt. Möglich ist z. B., dass Inhaltsstoffe direkt mit Viren agieren oder dass sie einen Einfluss auf die Darmflora haben, wodurch sich das Immunsystem positiv entwickelt.
Die Gabe von Kuhmilch ist heute umstritten, weil Säuglinge und Kleinkinder auch allergisch darauf reagieren können. In der PASTURE-Studie hatten bis zum ersten Geburtstag nur 2 % aller Kinder Allergien auf Kuhmilch oder andere Nahrungsmittel.
Die positiven Effekte des Landlebens auf die Immunabwehr wurden bereits in mehreren Untersuchungen bestätigt. „Kinder, die auf einem traditionellen Bauernhof mit Milchvieh aufwachsen, sind am besten vor allergischen Reaktionen geschützt“, fasst Prof. Erika von Mutius die bisherigen Ergebnisse zusammen.
An der PASTURE Studie nahmen 1000 schwangere Frauen aus ländlichen Regionen in Bayern, Finnland, Frankreich, der Schweiz und Österreich teil. Etwa die Hälfte lebt auf Bauernhöfen. Ihre Kinder werden bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wissenschaftlich begleitet, um die Umwelteffekte bei der Entstehung von Asthma und Allergien zu untersuchen. Auch die Ernährung der Mütter während der Schwangerschaft wurde berücksichtigt.
Quelle: Allergikus 1/2015