Der Begriff Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bezeichnet eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung. Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel kann sich schädigend auf Lunge und Leber auswirken.
Uwe Deter leidet unter der Stoffwechselkrankheit Alpha-1-Antitrypsinmangel. Die Diagnose erhielt er im Jahr 2005. Seit 2009 ist er sauerstoffpflichtig und seit 2016 lungentransplantiert.
Angefangen hat alles vor etwa 19 Jahren mit Atemnot und einem Pfeifen in der Lunge bei Anstrengung. Mein damaliger Lungenarzt tippte auf Asthma und behandelte mich dementsprechend. Im Frühjahr 2003 erkrankte ich an einem Infekt und ging zu meinem Hausarzt in die Sprechstunde. Ein Arzt im praktischen Jahr, der zu dieser Zeit bei meinem Hausarzt tätig war, sah sich meine Krankenakte genauer an. Er stellte fest, dass ich in regelmäßigen Abständen einen Infekt hatte. Daraufhin nahm er mir Blut ab und ließ die Konzentration des Alpha-1-Antitrypsins bestimmen. Natürlich war der Serumspiegel viel zu niedrig. Ich wurde umgehend zum Lungenarzt überwiesen, der mich medikamentös einstellte. Die regelmäßige Verabreichung übernahm dann mein Hausarzt. Bei diesem bin ich einmal in der Woche zur Infusion gewesen – meistens Donnerstagabend nach der Arbeit, das hat super geklappt.
Nach der Diagnose im Jahr 2005 war ich alle zwei Jahre in einer Rehaklinik. 2007 war ich auf der ostfriesischen Insel Norderney zur Rehabilitation. Dort wurde ich krank entlassen – ich durfte und konnte in meinem Beruf „Zimmerer im Trockenbau“ nicht mehr arbeiten. Eine Begutachtung im November 2007 bestätigte dies. Nach 25 Jahren im Beruf war ich nun arbeitslos. Seit damals habe ich einige Schulungen von der Rentenkasse und dem Arbeitsamt gemacht.
2007/2008 war ich Teilnehmer einer Studie von Prof. Dr. Dr. Robert Bals. Bei einem Termin in Marburg wurden wir, die Teilnehmer, von Prof. Dr. Dr. Bals darüber aufgeklärt, dass Alpha-1-Antitrypsinmangel eine Erbkrankheit ist, welche nicht heilbar ist. Der Verlauf sei bei jedem Menschen unterschiedlich, aber mit Medikamenten sei die Krankheit gut einstellbar und händelbar. Zudem sei es wichtig, sich regelmäßig gegen die echte Grippe sowie gegen Pneumokokken impfen zu lassen, Sport zu treiben, Staub möglichst zu vermeiden und mit dem Rauchen aufzuhören.
Das erste Mal wurde mir eine Lungentransplantation im Dezember 2009 im Alpha-1-Fachzentrum in Berchtesgaden nahegelegt. Dort wurde mir Flüssigsauerstoff verordnet, weil unter Belastung meine Werte zu schlecht wurden. Für mich war das damals ein richtiger Schock, da ich eigentlich nur herausfinden wollte, welche Möglichkeiten ich beruflich noch hatte. Ich musste den Sauerstoff und den Umgang damit erst einmal verarbeiten. Alle Leute schauen einen an, wenn man mit einem Schlauch in der Nase unterwegs ist. Ich wurde mit einem Grad der Behinderung von 80 und für zwei Jahre berentet entlassen. Zwei Jahre später wurde dies zu 100 % unbefristet. „Und was nun“, habe ich gedacht. „Für immer zu Hause.“
2013 habe ich auf einem Patiententreffen Alpha-1 im Alpha-Zentrum in Essen gefragt, ob ich mich einmal vorstellen dürfte. Ich habe einen stationären Termin zur Untersuchung bekommen. Dort wurde mir einiges zur Transplantation mitgeteilt, wie z. B. welche Befunde von Fachärzten ich bräuchte und dass ich Idealgewicht haben sollte. Mir wurde bei einer späteren Vorstellung nahegelegt, mich in der Medizinischen Hochschule Hannover listen zu lassen, da diese näher an meinem Zuhause liegt.
Bei einer weiteren Rehabilitation in Berchtesgaden im Jahr 2014 wurde das Thema Transplantation noch mal intensiv angesprochen. Es fand zudem ein reger Austausch von anderen Transplantierten und Menschen, die auf der Liste waren, statt. In der Medizinischen Hochschule Hannover habe ich mich dann Anfang 2015 vorgestellt und weitere Listen – bei jeder Vorstellung eine neue Liste – für Untersuchungen mitbekommen. Beispielsweise musste der Impfstatus überprüft werden, ich musste zum Hautarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, zum Urologen, Kardiologen, Zahnarzt. Ich bekam eine Sonografie des Bauchraums, die Gefäße am Hals und in den Beinen wurden überprüft, ich erhielt eine Computertomografie des Brustraums sowie eine Herzkatheter-Untersuchung und eine Darmspiegelung.
Im März 2015 hatte ich einen Infekt, der mich ins Krankenhaus nach Hamburg brachte. Die Ärzte dort stellten fest, dass mein Kohlendioxid-Wert erhöht war. Ich erhielt für nachts bzw. bei Bedarf auch tagsüber eine nicht-invasive Beatmung. Zur Anschlussrehabilitation (AHB) kam ich nach Bad Fallingbostel. Dort lernte ich Leute, die in Hannover transplantiert worden waren, kennen. Ich habe gesehen, dass die Transplantation eine Option ist, durch die die Lebensqualität gewaltig gesteigert werden kann. Es hat richtig lange gedauert, bis ich wieder fit wurde – meine Werte im Sportprogramm und Gehstrecken, die ich vor dem Infekt hatte, konnte ich danach trotzdem nicht mehr erreichen.
Anfang Oktober 2015 war der letzte Termin in Hannover zur Listung. Ca. 14 Tage später kam der Anruf zur Listung und dann der offizielle Brief. Das bedeutete, dass ich oder meine Frau immer telefonisch erreichbar sein mussten. Urlaub war zwar möglich, dann mussten wir jedoch der Medizinischen Hochschule Hannover mitteilen, wie wir zu erreichen waren.
Ich hatte drei Anläufe zur Lungentransplantation: einmal Anfang Dezember 2015. Da kam etwa um halb zwei in der Nacht der Anruf aus Hannover, ob ich bereit und gesund, also infektfrei, wäre. Der Krankenwagen wäre in etwa 30 Minuten da. Ich bin runtergelaufen wie ein Tiger. In Hannover angekommen wurde ich erst einmal geröntgt und mir wurde Blut abgenommen. Dann musste ich duschen und mich rasieren. Anschließend bekam ich ein Zimmer mit Bett. Meine Frau kam von der Arbeit nachts nach. Wir haben viel geredet, an Schlaf war nicht zu denken. Morgens kam der Arzt und sagte, dass die Spenderlunge Emphyseme hatte und ich sie darum nicht bekommen könnte. Ich habe schon ein krankes Organ, dann brauchte ich nicht ein anderes, das ebenfalls krank ist. Somit durfte ich nach einem Frühstück um halb elf nach Hause fahren. Aber so wusste ich, wie es abläuft, und das hat mir die Angst genommen.
Der zweite Anruf kam im Januar – ebenfalls in der Nacht. Zehn Minuten später dann die Absage, weil einige Werte nicht passen würden. Beim dritten Anruf im April 2016 waren wir in Bremen beim Alpha1-Treffen. Damals hat mich der Krankenwagen nachts vom Hotel abgeholt. Morgens kam in der Medizinischen Hochschule Hannover die Krankenschwester und meinte, dass es jetzt losgehen würde. Ich habe dann meine Frau angerufen und gesagt, dass es klappt. Von da an weiß ich nichts mehr. Erste Erinnerungen habe ich erst wieder von der Zwischenintensivstation. An Schmerzen kann ich mich nicht erinnern. In den drei Wochen in der Medizinischen Hochschule Hannover habe ich gelernt, meine Tabletten zu stellen und ein bisschen fit zu werden.
Gleich im Anschluss an den Klinikaufenthalt in Hannover ging es zur Reha nach Bad Fallingbostel. Dort habe ich Hygienemaßnahmen gelernt und was ich alles essen darf: Ich muss drauf achten, dass alles gekocht, durchgebraten und geschält ist bzw. frisch geöffnet wurde. Kurz: Ich muss auf eine keimarme, schimmelfreie Ernährung achten. Einiges darf ich mein ganzes Leben nicht mehr essen – es könnte verkeimt sein bzw. Schimmel enthalten. Aber diese Umstellung ist nicht so schlimm, man gewöhnt sich an alles. Hausarbeiten durfte ich im ersten Jahr auch nicht machen, wie Staubsaugen, Rasenmähen, Gartenarbeit, Bettenmachen und die Mülltonnen anfassen. Nach dem ersten Jahr wurde es etwas gelockert, z. B. beim Staubsaugen.
Meine Tabletten muss ich immer mitnehmen, wenn ich das Haus für längere Zeit verlasse. In der Öffentlichkeit muss ich zudem einen Mundschutz tragen, damit ich mich bei anderen Menschen nicht anstecke. Besonders wichtig ist dieser beim Arzt, in Apotheken, in Krankenhäuser und immer dort, wo sich viele Menschen aufhalten. Hände schütteln ist tabu und ich muss immer ein Händedesinfektionsmittel (gegen Bakterien + Viren) bei mir tragen. Das erste halbe Jahr nach der Operation durfte ich kein Auto fahren und keine öffentlichen Transportmittel benutzen – aber das geht auch. Für meine Termine wie z. B. die wöchentliche Blutabnahme und Krankengymnastik hätte ich einen Transportschein bekommen können.
Verbessert hat sich alles! Ich habe keine Luftnot beim Duschen, Spazierengehen und Radfahren. Ich kann meine Schuhe wieder im Bücken zubinden und die Milch aus dem Keller holen. Meine ganze Lebensqualität hat sich gebessert. Nur die Bronchoskopien sind nicht so toll.
Für die regelmäßige Einnahme der Immunsuppressiva (morgens und abends um 8 Uhr) habe ich mir meinen Wecker im Handy gestellt, das funktioniert prima! In den ersten Monaten nach der Transplantation wurden die Immunsuppressiva eingestellt, da ein gewisser Spiegel erreicht werden muss. Ich musste lernen, dass Essen und Trinken diesen Spiegel beeinflussen. Es hat bestimmt ein Dreivierteljahr gebraucht, bis diese eingestellt waren. Heute nehme ich noch neun verschiedene Tabletten regelmäßig ein und spritze mir zudem Insulin. Durch die Kortisontherapie habe ich Blutzuckerprobleme bekommen. Seit meiner Transplantation hatte ich vier Infekte, die hauptsächlich mit hoch dosiertem Kortison behandelt wurden, die Virusinfekte zusätzlich mit antiviralen Medikamenten.
Ganz wichtig nach der Transplantation ist der regelmäßige Sport, den ich mehrmals die Woche allein oder in Gesellschaft betreibe. Neben Spazierengehen und dem Training auf dem Ergometer, gehe ich noch zur Lungensportgruppe, zur Rückenschule, Krankengymnastik, Lymphdrainage und reflektorischen Atemtherapie. Die Krankengymnastik, den Lungensport und die reflektorische Atemtherapie mache ich seit etwa 2011/2012. In meinen Beruf Zimmerer im Trockenbau kann ich nicht mehr zurück – es ist zu staubig und die Temperaturen sind zu wechselhaft.
Ich kenne einige Leute, die ebenfalls eine neue Lunge bekommen haben. Diesen geht es allen ganz gut. Mir ist bewusst, dass es immer wieder Probleme geben und z. B. zu einer chronischen Abstoßung kommen kann. Es kann auch anders ausgehen! Eine Lungentransplantation ist eine mögliche Therapie, die – wenn es funktioniert – das Leben extrem verbessern kann.
Anderen Betroffenen rate ich, sich viel auszutauschen, sich zu informieren und Sport zu machen – auch wenn es schwerfällt! Leichter wird es in der Gruppe. Wichtig ist zudem der Zusammenhalt in der Partnerschaft. Eine Lungentransplantation ist doch eine harte Zeit mit einigen Umstellungen.
Quelle: COPD und Asthma 2/2019