Mit dem Begriff Reizdarm werden funktionelle Störungen des Darms zusammengefasst, bei denen sich – zumindest bislang – keine biochemischen oder strukturellen Veränderungen feststellen lassen, die einen Reizdarm von einem gesunden Darm unterscheiden.
Mit dem Begriff Reizdarm oder auch Reizdarm-Syndrom (RDS) werden funktionelle Störungen des Darms zusammengefasst, bei denen sich – zumindest bislang – keine biochemischen oder strukturellen Veränderungen feststellen lassen, die einen Reizdarm von einem gesunden Darm unterscheiden. Mitunter werden Betroffene mit ihren Beschwerden daher nicht ernst genommen oder gar als Hypochonder angesehen.
Daten zu der Zahl der Betroffenen, die an Reizdarm-Symptomatik leiden, gibt es aus zahlreichen Ländern, u. a. aus den USA, England, den Niederlanden, Deutschland und Japan. Die Prävalenzraten schwanken zwischen rund 7 % und 25 %. In allen Erhebungen lag die Zahl der betroffenen Frauen über der der betroffenen Männer.
Einige Experten schätzen, dass in Deutschland zwischen 5 % und 11 % der Menschen an einem Reizdarm leiden. Andere gehen von einem Vorkommen zwischen 10 % und 15 % aus. Genaue Zahlen über die Anzahl der Menschen mit Reizdarm lassen sich aufgrund der vermutlich hohen Dunkelziffer nur schwer ermitteln, denn nur rund ein Fünftel der Menschen mit Reizdarm sucht einen Arzt auf. Viele Patienten begeben sich erst in ärztliche Behandlung, wenn die Symptome schwerwiegend sind und die Lebensqualität deutlich beeinträchtigt wird.
Der Reizdarm ist eine Erkrankung, von der relativ viele Menschen betroffen sind. Gemessen daran ist der Reizdarm noch recht unbekannt. Zu den Gründen hierfür gehört, dass der Reizdarm schwer zu diagnostizieren ist. Außerdem wissen viele Betroffene nicht, dass sie unter einem Reizdarm leiden. Darüber hinaus versuchen viele Betroffene, sich mit den Symptomen abzufinden ohne einen Arzt aufzusuchen.
Unter Erwachsenen ist ca. die Hälfte aller Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes auf einen Reizdarm zurückzuführen. Manchmal lassen sich Menschen mit entsprechender Symptomatik beim Arzt untersuchen und dieser erkennt die Problematik nicht sofort. Wenn Betroffene einen langen Weg des Leidens und der Arztbesuche hinter sich haben, kann die psychische Belastung bei Reizdarm groß sein. Einschränkungen im Alltag und bei täglichen Verrichtungen können entstehen.
Die Befürchtungen vieler Menschen, der Reizdarm könne schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, ist meist unberechtigt. Nach aktuellen Erkenntnissen führt der Reizdarm nicht zu einer Verminderung der Lebenserwartung. I d. R. ist bei Reizdarm das Risiko, z. B. eine Krebserkrankung oder eine chronische Entzündungskrankheit zu bekommen, nicht gesteigert.
Die Diagnose Reizdarm oder Reizdarm-Syndrom hat sich in den letzten Jahren in der medizinischen Forschung und Praxis etabliert. Inzwischen sind so viele Menschen vom Reizdarm betroffen, dass man ggf. von einer Volkskrankheit sprechen kann. Meist leiden Menschen im mittleren Lebensalter unter einem Reizdarm. Ungefähr 40 Prozent aller Patienten mit Reizdarm sind zwischen 35 und 50 Jahre alt. Etwa die Hälfte aller Patienten ist unter 35 Jahre. Der Reizdarm ist chronisch und nicht leicht zu behandeln. Meist werden die Patienten mit Reizdarm aufgefordert, sich aktiv an der Therapie bzw. dem Behandlungsfortschritt zu beteiligen.
Der Reizdarm gehört zu den sogenannten funktionellen Krankheiten des Magen-Darm-Bereichs. Damit ist gemeint, dass zwar eine abweichende, unnormale Organfunktion vorhanden ist, dass sich diese aber nicht in Untersuchungen durch den Arzt konkret nachweisen lässt. Führt man z. B. bei einem Patienten mit Reizdarm eine Koloskopie (Darmspiegelung) durch, so findet man keine krankhaften Veränderungen im Darm, die den Reizdarm erklären würden.
Menschen mit Reizdarm treffen oft auf Vorurteile. Manche halten die Erkrankung nur für „ein bisschen Bauchweh“ oder bezeichnen die Betroffenen als „nervenschwach“. Die gesellschaftliche Akzeptanz einer solchen Erkrankung ist im Moment noch nicht gegeben. Deshalb ist eine Aufklärung durch Fachgesellschaften, durch Forschung und Selbsthilfegruppen wichtig. Die Einschränkungen von Patienten mit Reizdarm sollten nicht unterschätzt werden. Sich mit den Symptomen einfach abfinden und sich nicht helfen zu lassen sollte der Betroffene nicht. Schließlich kann es möglich sein, die Beschwerden mit entsprechenden Maßnahmen zu lindern.
Antje Habekuß, Fedor Singer