Frauen unterscheiden sich durch mehrere Aspekte von Männern: die körperlichen Unterschiede sind am augenfälligsten, doch auch in der Hormonbildung und anderen körperlichen Eigenschaften grenzen sich Frauen und Männer voneinander ab.
Lange Zeit spielten Unterschiede zwischen Mann und Frau nur eine geringe Rolle in der Medizin. Dennoch oder gerade deswegen wurde das Gesundheitswesen aus Sicht der Frauenbewegung noch Mitte der 1970er-Jahre von Männern dominiert. Unrecht hatten die Frauen damals mit manchen Aspekten ihrer Ansicht wohl nicht.
Gender-Medizin hat ihre Wurzeln in der Frauengesundheitsbewegung, die in den 1970er-Jahren entstand. Themenbereiche, mit denen sich die Bewegung beschäftigte, waren beispielsweise Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch sowie Medikamententests. Bis etwa in die 1990er-Jahre hinein wurden Medikamente vor allem an Männern getestet. Das hatte zur Folge, dass die Auswirkungen der Arzneimittel speziell auf den weiblichen Körper unberücksichtigt blieben. Mittlerweile ist das Geschlechterverhältnis bei solchen Tests deutlich ausgewogener.
Anders als bei der Frauengesundheitsbewegung richtet sich der Blick bei der Gender-Medizin heute weniger auf eins der beiden Geschlechter. Im Vordergrund steht dagegen die Erkenntnis, dass die Ungleichheit von Frau und Mann auch in viele Gesundheitsthemen hineinspielt, und deshalb berücksichtigt werden sollte. Neben speziellen Angeboten für Frauengesundheit gibt es daher inzwischen auch Organisationen und Websites, die sich mit Männergesundheit auseinandersetzen.
Mit der Ungleichheit zwischen Mann und Frau sind in der Gender-Medizin natürlich einerseits biologische Unterschiede gemeint. Sie zeigen sich in Bezug auf Gesundheit nicht alleine in einer Frauen vorbehaltenen Lebenssituation wie einer Schwangerschaft oder bei eindeutig einem Geschlecht zuzuordnenden Krankheiten wie Prostata- oder Gebärmutterhalskrebs. Sie können auch bei Vorsorge und Behandlung von Krankheiten bedeutend sein, die beide Geschlechter betreffen. Wie wichtig hier die Unterscheidung zwischen Mann und Frau sein kann, zeigt etwa das Beispiel Digitalis:
Ein medizinisch relevanter biologischer Unterschied zwischen Männern und Frauen zeigt sich etwa aufgrund der unterschiedlichen produzierten Hormone beider Körper. So wirken die überwiegend im weiblichen Körper produzierten Östrogene laut Professorin Vera Regitz-Zagrosek vom Institut für Geschlechterforschung in der Medizin (Charité Berlin) einerseits für lange Zeit schützend auf das Herz. Andererseits, so die Professorin in einem Interview mit der Zeit, ist das Hormon an der Blutstillung beteiligt und erhöht das Risiko einer Thrombose.
Gender-Medizin nimmt nicht alleine die biologischen Unterschiede der Geschlechter in den Fokus. Mit Blick auf Gesundheitsfragen sind auch psychosoziale Fragen relevant. Hier kann es etwa um spezielle Lebensumstände (z.B. alleinerziehende Frauen) gehen oder um Verhaltensweisen, die sich zwischen den Geschlechtern unterscheiden und die Einfluss auf Fragen rund um Gesundheit und Wohlbefinden haben. Schließlich geht es auch um eine gerechte Medizin: Der Tagesspiegel berichtet etwa von Studien, nach deren Ergebnissen Männer eher teure, innovative Therapien verschrieben bekommen als Frauen.
Mit Gender-Medizin beschäftigen sich heute eine Reihe von Organisationen, zu denen in Deutschland etwa die Deutsche Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin e. V. gehört.
Ansgar Sadeghi