Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Auf einmal ist das Leben nicht mehr so, wie es mal war: Wenn junge Erwachsene die Diagnose Typ-1-Diabetes erhalten, kann das ganze Lebenskonzept infrage gestellt sein. Typische Fragen sind: Wie geht es jetzt weiter? Muss ich meine Ausbildung oder meinen Beruf unterbrechen? Darf ich einen bestimmten Beruf nicht mehr erlernen? Wie sieht es mit dem Führerschein aus?
Iris Eberspächer, heute 29 Jahre alt, hat selbst erst mit 18 Jahren die Diagnose Diabetes erhalten. Sie arbeitet in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis, ist ehemalige Vorsitzende und Gründungsmitglied der Jugendorganisation innerhalb der Selbsthilfeorganisation DDH-M sowie Administratorin einer großen Facebook-Gruppe für junge Menschen mit Typ-1-Diabetes und kennt sich mit ihren Fragen, Sorgen und Nöten gut aus. „Nach meiner Erfahrung kann man zwei typische Reaktionen auf die Diagnose bei jungen Erwachsenen unterscheiden. Es gibt diejenigen, die versuchen, alles dafür zu tun, um den Diabetes und das ganze Leben wieder in den Griff zu kriegen, und diejenigen, die das eher verdrängen wollen und sich sagen: Darauf habe ich gerade keine Lust – was natürlich später oft zu gesundheitlichen Problemen führen kann“, erzählt sie.
Die Diagnose Diabetes als junger Erwachsener ist ein „zweischneidiges Schwert“, sagt Iris Eberspächer. Menschen mit Diabetes, die als Kind diagnostiziert wurden, müssen mit der Krankheit durch Schulzeit und Pubertät gehen und als Jugendliche und Erwachsene lernen, sich von den Eltern zu lösen, die all die Jahre das Diabetesmanagement übernommen haben. Junge Erwachsene können dieses indes von Anfang an selbst übernehmen.
Das Problem, das hingegen junge Erwachsene mit einem frisch diagnostiziertem Diabetes haben, ist vor allem, die Krankheit überhaupt erst einmal als solche zu akzeptieren. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zu denjenigen, die bereits seit frühester Kindheit erkrankt sind, so Iris Eberspächer: „Als Erwachsener weiß man, wie das Leben vorher war. Und Diabetes tut nicht weh – zumindest nicht am Anfang – und plötzlich heißt es, man ist chronisch krank. Da fragt man sich natürlich auch, warum es ausgerechnet einen selbst trifft.“
Und die Diagnose bedeutet mit der Verpflichtung zum Spritzen, Blutzuckermessen, dem Berechnen der Kohlenhydrate im Essen und der entsprechenden Insulindosis sowie der eigenen körperlichen Aktivität eben auch eine Lebensumstellung auf allen Ebenen: Freizeit, Sport, Beruf und Ausbildung. „Oft sind es auch ganz alltägliche Dinge, die einen dann beschäftigen“, erzählt Iris Eberspächer: „Z. B., ob ich meinem Chef davon erzählen soll. Oder ob ich im Büro spritzen soll oder doch besser auf die Toilette dafür gehe.“
Antworten auf diese Fragen, aber vor allem auch Kontakt und Austausch finden junge Erwachsene einerseits bei der Selbsthilfe wie der DDH-M, die auch Rechtsberatung und Sozialberatung anbietet, aber auch in sozialen Netzwerken. Auf Facebook und Twitter ist der Austausch junger Erwachsener mit Diabetes groß, sagt Iris Eberspächer. Und sie empfiehlt auch jedem frisch Diagnostizierten: Komme in Kontakt mit anderen Betroffenen – das ist das A und O. „Es ist einfach sehr, sehr wichtig, mit Menschen in Kontakt zu kommen, denen es genauso geht und die das verstehen. Sie können auch ein Vorbild sein, wenn man sieht, das Leben geht auch mit Diabetes weiter und man kann auch gut damit leben. Und manchmal geht es auch einfach nur mal darum, sich den Frust von der Seele zu reden.“
Quelle: Befund Diabetes 3/2017