Unter Prostatakrebs ist ein bösartiger Tumor der Vorsteherdrüse zu verstehen. Prostatakrebs gilt als eine der am häufigsten auftretenden bösartigen Tumoren beim Mann in Deutschland und betrifft vor allem Männer in höherem Lebensalter.
Onkologisch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen können sich durch „OnkoZert“ eine hohe Qualität in der Versorgung von Krebspatienten bescheinigen lassen. „OnkoZert“ ist ein unabhängiges Institut, das im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft die Zertifizierung von Organkrebszentren – z. B. für Brust-, Darm- oder Prostatatumoren – und Onkologischen Zentren durchführt, entsprechend den jeweiligen fachlichen Anforderungen an die Tumorbehandlung. Fachexperten überprüfen das jeweilige Zentrum nach genau festgelegten Kriterien. Hat ein Behandlungszentrum das Zertifizierungsverfahren erfolgreich abgeschlossen, erhält es ein Zertifikat, das die Anerkennung durch die Deutsche Krebsgesellschaft bzw. weitere medizinische Fachgesellschaften bestätigt. Ziel ist, die Betreuung von Krebspatienten zu verbessern und ihnen eine an hohen Qualitätsmaßstäben orientierte Behandlung zu ermöglichen.
Ein Kritikpunkt am Zertifizierungssystem, speziell im Hinblick auf Prostatakrebszentren, ist, dass Aufbau- und Ablauforganisation eines Krankenhauses oder einer Abteilung sehr genau beleuchtet werden, während medizinische Leistungsdaten eher stiefmütterlich behandelt werden.
Studien zeigten, dass das Behandlungsergebnis nach einer Operation für den Patienten eher positiv ist, wenn sein Behandler mehr als 75 Eingriffe dieser Art pro Jahr vornimmt. Im Erhebungsbogen für Prostatakrebszentren der Deutschen Krebsgesellschaft sind nur 25 Eingriffe pro Jahr und Operateur gefordert. Für das gesamte Zentrum ist eine Mindestmenge von 50 vollständigen operativen Entfernungen der Prostata (sog. radikale Prostatektomie) erforderlich. Ein hypothetisches Rechenbeispiel macht deutlich, wie gering diese Zahl ist: Wenn man von einer Neuerkrankungsrate von 58.000 Patienten pro Jahr für das Prostatakarzinom ausgeht und diese durch die ungefähre Anzahl der urologischen Abteilungen in Deutschland (400) teilt und davon ausgeht, dass 50 % der neu diagnostizierten Patienten für eine vollständige operative Entfernung der Prostata infrage kommen, ergibt dies 72,5 Fällen pro Klinik. Dies zeigt, wie gering die Mindestfallzahl von 50 pro Jahr ist.
Ein weiterer Kritikpunkt, der gegen die Zertifizierungsrichtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft vorgebracht wird, ist, dass Universitätskliniken eher bevorzugt sind gegenüber kleineren Kliniken im ländlichen Bereich – insofern als große Kliniken mit kleinen Prostatazentren gegenüber kleinen Kliniken mit großen Prostatazentren in Logistik und personeller Ausstattung deutlich überlegen sind. Dieser Strukturvorteil wird in den Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt.
Beispiel 1: Die sog. prätherapeutische wie auch die posttherapeutische Konferenz (Zusammenkunft aller am Zentrum vertretenen Fachrichtungen vor bzw. nach der Behandlung des Patienten) wird gemeinsam durch den Strahlentherapeuten und den Urologen durchgeführt. In kleinen Häusern mit großen Prostatazentren bedeutet dies, dass der Strahlentherapeut oder die zwei geforderten Strahlentherapeuten oft einer Anreise von mehr als 30 Minuten bedürfen, wohingegen in größeren Kliniken der Strahlentherapeut meist direkt im Campus integriert ist.
Beispiel 2: In der eher dezentralen Struktur kleiner oder ländlicher Krankenhäuser, in denen der Strahlentherapeut kein direktes Mitglied des Betriebes ist, ist es äußerst aufwendig, ein System der Daten- und Bildübertragung herzustellen, um die prä- und posttherapeutischen Konferenzen zu gewährleisten. In großen Kliniken, in denen der Strahlentherapeut in die Klinik integriert ist, wird i. d. R. ein einheitliches Dokumentationssystem angewandt.
Beispiel 3: Pro 200 Primärfälle (Ersterkrankungen) ist eine Dokumentationskraft gefordert. Bei z. B. mehr als 800 vollständigen operativen Entfernungen der Prostata sind dies schon vier Vollzeitkräfte, die allein für die Dokumentation benötigt werden.
Trotz der Kritikpunkte halten wir die Tendenz der Zertifizierung für unterstützungswürdig, da die Beleuchtung der Prozesse und das ständige Hinterfragen der täglichen Arbeit zu einer Qualitätssteigerung führen. Doch würden wir uns wünschen, dass mehr medizinische Leistungsdaten, die die tatsächliche Behandlungsqualität in anerkannter Weise dokumentieren, in die Zertifizierungsrichtlinien einfließen – u. a. sollten die Fallzahlen pro Zentrum deutlich gesteigert werden. Ferner würden wir uns wünschen, dass der Dachverband der Prostatazentren und die Deutsche Krebsgesellschaft eine gemeinsame Zertifizierung anstreben und nicht länger als konkurrierendes System auftreten.
Andreas Koch