Wenn der Kinderwunsch der Paare auf Dauer unerfüllt bleibt, möchten die meisten Paare der Ursache auf den Grund gehen. Die erste Anlaufstelle für Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch ist oftmals zunächst der Gynäkologe der Frau.
10 bis 15 % der Paare, die sich ein Kind wünschen, bleiben zunächst kinderlos. Stellt sich nach einem Jahr mit regelmäßigem ungeschützten Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft ein, sollten Paare ärztlichen Rat einholen. Ist die Frau älter als 35 Jahre, ist es sinnvoll, bereits vor Ablauf eines Jahres einen Experten aufzusuchen.
Dieser kann dann in der Regel genau herausfinden, warum sich die gewünschte Schwangerschaft nicht einstellt. „Die Ursachen für eine ungewollte Kinderlosigkeit sind fast immer organisch“, betont Prof. Dr. Christoph Keck, Hamburg. „Ein unerfüllter Kinderwunsch verursacht sicher Stress bei den Paaren, es können sich sogar Depressionen entwickeln. Der Stress ist aber niemals ursächlich für die Kinderlosigkeit“, verdeutlicht er.
Die Hauptursachen für eine ausbleibende Schwangerschaft bei der Frau ist eine Funktionsstörung der Eileiter oder der Eierstöcke. Eine Störung der Eileiter verhindert, dass die Eizelle vom Eierstock in die Gebärmutter transportiert wird. Sie wird überwiegend durch eine Chlamydieninfektion verursacht. Ist die Funktion der Eierstöcke gestört, bedeutet dies, dass die Eizellreifung nicht richtig funktioniert, der Eisprung beispielsweise nicht stattfindet. Darüber hinaus kann eine verminderte Samenqualität des Mannes die Ursache für Kinderlosigkeit sein. Bei etwa 10 bis 15 % der Paare ist eine sogenannte idiopathische Sterilität festzustellen, d. h., die Ursachen für Kinderlosigkeit können nicht eindeutig festgestellt werden.
„In 40 % der Fälle liegt der Hauptfaktor für die Infertilität bei der Frau, in 40 % der Fälle beim Mann. Und in 20 % der Fälle liegt die Ursache bei Mann und Frau“, erklärt Prof. Keck. Um die Ursache festzustellen, wird eine ausführliche Diagnostik durchgeführt. In einem ersten Gespräch klärt der Mediziner mit der Frau u. a., ob sie bereits schwanger war, welche Vorerkrankungen oder Zyklusstörungen vorliegen. Außerdem erfolgen Abstrich und Bluttest. „Im Blut ist dann nachweisbar, ob relevante Hormonstörungen vorliegen“, erläutert der Experte. „Darüber hinaus kann so das Anti-Müller-Hormon bestimmt werden. Dieses ist der wichtigste Prognosefaktor, um die Eizellenreserve bestimmen zu können. Allerdings sagt diese Reserve nichts darüber aus, wie schnell eine Schwangerschaft eintreten wird.“
Zu den hormonellen Störungen, die eine Schwangerschaft verhindern können, gehört u. a. ein Überschuss an männlichen Hormonen oder ein Überschuss an Prolaktin, was in der Folge jeweils zum Ausbleiben des Eisprungs führen kann. Zudem kann auch das Zusammenspiel zwischen den übergeordneten Hormondrüsen, die die Eizellenreifung steuern, gestört sein.
Abhängig von der Ursache gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, das Eintreten einer Schwangerschaft medizinisch zu unterstützen. Bei einer Störung der Eierstockfunktion werden in der Regel zunächst medikamentöse Therapien angewendet. Ist der Spiegel an männlichen Hormonen erhöht, kann u. a. über die Einnahme der Pille das Gleichgewicht der Hormone wieder hergestellt werden. Ist der Prolaktinspiegel erhöht, wird in der Regel ein Prolaktinhemmer verabreicht. Wird der Eisprung verhindert, weil das Zusammenspiel der übergeordneten Hormondrüsen nicht funktioniert, kommt der Wirkstoff Clomifen zum Einsatz. Darüber hinaus kann die Reifung der Eizellen mit Hormonspritzen, die das Follikelstimulierende Hormon (FSH) enthalten, stimuliert und gezielt ausgelöst werden.
„Mithilfe dieser medikamentösen Therapien kann bei jungen Frauen zu 60 % eine Schwangerschaft erzielt werden“, bemerkt Prof. Keck. Sechs Behandlungen werden in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Der Mediziner rät allerdings dazu, nach vier bis fünf erfolglosen Behandlungen weitere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Dazu gehört die künstliche Befruchtung, die sogenannte In-vitro-Fertilisation (IVF), die nach erfolglosen Therapien mit Medikamenten durchgeführt werden kann und außerdem bei einer Störung der Eileiterfunktion die einzige Möglichkeit ist, schwanger zu werden. Hier werden die Eizellen mit dem aufbereiteten Sperma in einem Reagenzglas zusammengebracht, wo dann eine spontane Befruchtung stattfindet. Die daraus entstandenen Embryonen werden der Frau direkt in die Gebärmutter eingesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, auf diese Weise schwanger zu werden, liegt pro Versuch bei 35 bis 40 %. Üblicherweise werden zwei Embryonen eingesetzt, da dies die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Schwangerschaft erhöht.
Die Eizellen, die für diese Behandlung benötigt werden, werden der Frau zuvor in einer kurzen Narkose entnommen. Damit ausreichend Eizellen zur Entnahme zur Verfügung stehen, wird deren Reifung mit Medikamenten stimuliert, die sich Frauen selbst unter die Haut spritzen können. Die häufigste Nebenwirkung einer Kinderwunschbehandlung ist eine Mehrlingsschwangerschaft. Bei der medikamentösen Behandlung liegt das Risiko hier bei ca. 10, bei der künstlichen Befruchtung bei ca. 20 %.
Die Kosten für eine künstliche Befruchtung werden von der gesetzlichen Krankenkasse zur Hälfte übernommen, wenn das Paar älter als 25 Jahre, die Frau unter 40 und der Mann unter 50 Jahren alt ist. Außerdem müssen beide miteinander verheiratet sein. „Dann bleiben noch Restkosten für eine IVF von etwa 1.000 Euro.“ Für die privaten Krankenkassen gelten andere Regeln, sodass privat versicherte Paare oftmals die kompletten Behandlungskosten erstattet bekommen.
Auch wenn sich die Chancen, mit einer Kinderwunschbehandlung schwanger zu werden, in den vergangenen 30 Jahren deutlich verbessert haben, bleiben 15 bis 20 % der behandelten Paare dauerhaft kinderlos. Für die Paare ist die Erkenntnis oft schwer zu verarbeiten. „Aber es gehört als verantwortungsbewusster Arzt auch dazu, dass man den Paaren dann auch nahelegt, mit der Therapie nicht weiterzumachen und den gemeinsamen weiteren Lebensweg anders zu planen, sagt Prof. Keck.
Quelle: Deutsches Magazin für Frauengesundheit 1/2019