Wenn der Kinderwunsch der Paare auf Dauer unerfüllt bleibt, möchten die meisten Paare der Ursache auf den Grund gehen. Die erste Anlaufstelle für Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch ist oftmals zunächst der Gynäkologe der Frau.
Franziska Ferber ist kinderlos – und glücklich. Doch das war nicht immer so. Die Kinderlosigkeit zu verarbeiten, hat sie viel Kraft gekostet. Denn eigentlich wollte auch sie eigene Kinder haben. Heute unterstützt sie als Kinderwunsch-Coach Paare dabei, die ebenfalls ungewollt kinderlos sind, wieder Kraft zu tanken und eine neue Vision des eigenen Lebens zu entwickeln.
Eine Kinderwunschbehandlung ist immer mit einem enormen Aufwand verbunden – sowohl körperlich als auch psychisch. Von weiteren Belastungen wie den hohen finanziellen Ausgaben spreche ich an dieser Stelle gar nicht erst. Dadurch, dass die Frau – allein schon körperlich – die Hauptlast zu tragen hat, erlebe ich oft, dass auch sie daher emotional viel belasteter ist. Wobei auch die beteiligten Männer kämpfen – sie möchten unterstützen, für ihre Frau da sein und können doch faktisch so wenig tun. Das ist auch für den Mann nicht leicht.
Wenn ein Paar beschließt, eine Familie werden zu wollen, dann ist das oftmals eine Phase, die sich ähnlich anfühlt, wie frisch verliebt zu sein. Das „Wir“ steht im Vordergrund. Wenn sich dieser Kinderwunsch dann Monat um Monat nicht erfüllt, wird es schwer – weil aus der Hoffnung zunehmend Enttäuschung wird.
Das belastet eine Partnerschaft natürlich sehr. Je länger ein Paar versucht schwanger zu werden, ob spontan oder mit Unterstützung der Reproduktionsmedizin, desto größer werden die Fragen, die sich ein Paar stellt. Eine der Fragen ist immer: Warum wir? Diese Frage, auf die es nur bedingt Antworten gibt, zwingt ein Paar nicht selten emotional in die Knie. Ich glaube, es ist wichtig, dass ein Paar sich nicht auseinanderdividieren lässt, indem es über Schuld spricht. Ich glaube, ein Paar darf darauf achten, dass es immer gemeinsam ein Kind bekommen möchte, und zwar unabhängig von den medizinischen Ursachen, sofern es denn welche zu verorten gibt.
Ich erlebe es immer wieder, dass nach der ersten „Wir-Phase“ im Verlauf des unerfüllten Kinderwunsches das jeweilige „Ich“ wieder stärker hervortritt. Je größer die Belastung, desto eher muss jeder Beteiligte seinen Weg finden, mit Schmerz, Traurigkeit und Enttäuschung umzugehen. Diese Bewältigungsstrategien sehen in einer Partnerschaft oft durchaus unterschiedlich aus. Ich glaube, das lässt sich nur auflösen, wenn ein Paar im engen Kontakt bleibt und sich gleichzeitig jeweils den Raum gibt, seinen Weg im Umgang mit der Schwere zu finden.
Ich glaube nicht, dass es hier ein Allgemeinrezept gibt. Schließlich handelt es sich um eine existenzielle Lebenskrise, wenn man – trotz aller Bemühungen – nicht schwanger wird und kein Wunschkind bekommt. Wenn dann ein Punkt erreicht ist, an dem ein Paar sich mit einem ungewollt kinderlosen Leben auseinandersetzen muss, dann halte ich es (nicht zuletzt, weil ich den Weg ja selbst gehen musste) für wichtig, dass genau darauf geschaut wird, was – neben dem Kind an sich – noch in der Kindersehnsucht verborgen lag.
Es geht um die Frage: Was wäre mit Kind anders gewesen? Was sind die „Versprechen“ gewesen, auf die das Paar hoffte. Ich glaube, wer das Wunschkind nicht bekommt, muss herausfinden, wofür sein Bild von einer Familie stand und welche Anteile es im Leben bedient hätte. Es tut gut, dass in der Tiefe zu erarbeiten, weil dann auch Möglichkeiten zur Kompensation entstehen können. Die ersetzen selbstverständlich kein Kind, aber sie können die Seele unterstützen, dennoch in ein zufriedenes Leben zu finden. Aber das ist eine ziemlich harte und sehr persönliche Arbeit.
Ich glaube, der einzige Weg führt darüber, seine eigenen Spielregeln zu definieren, sich also zu überlegen, wie viel Offenheit sich das Paar zutraut. Wenn ein Paar das Umfeld einbindet, dann darf es auch seine Grenzen mitkommunizieren. Wer wirklich nahestehende, vertrauensvolle Menschen im Umfeld hat, kann ihnen von ihrem Kinderwunsch erzählen. Ich empfehle jedoch immer, im gleichen Gespräch auch dem Gegenüber zu sagen, wie man mit der betroffenen Person umgehen darf. Denn wer von diesem Leid hört, will oft helfen. Gleichermaßen möchte man aber nicht immer gefragt werden. Hier helfen klare Absprachen.
Dass darüber hinaus die „gesellschaftliche Norm“ erwartet, dass ein Paar in einer gewissen Lebensphase Eltern wird und dementsprechend unbefangen mit Nachfragen umgeht, ist zwar oft erwartbar aber im gleichen Maße verletzend. Hier helfen ein oder zwei vorbereitete Sätze, die man dann einer fragenden Person erwidern kann – ohne die Frage zu sehr an sich heranzulassen. Wer vorbereitet ist, wird dann nur bedingt durch eine solche Frage aus der sprichwörtlichen Bahn geworfen.
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher, psycho-sozialer Unterstützungsmöglichkeiten. Wer sich auf die Suche nach Hilfe begibt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit verschiedene Hilfsangebote finden. Letztlich muss jeder nach der Unterstützung Ausschau halten, die zu ihm passt. Was für den einen gut ist, kann für den anderen vollkommen unpassend sein. Ich habe damals, als ich selbst Kinderwunschpatientin war, nach einer zu mir passenden Hilfe gesucht und konnte keine finden. Mir war es wichtig, dass ich mit jemandem sprechen kann, der mich nicht als „krank“ betrachtet und gleichermaßen den Kinderwunsch aus dem eigenen Erleben kennt. Denn ich bin – eben wegen meiner eigenen Geschichte – zutiefst davon überzeugt, dass der unerfüllte Kinderwunsch einige Facetten aufweist, wo es eben nicht reicht, sich nur in die Situation des Gegenübers hineinzuversetzen.
Eine Frau, die unter dem unerfüllten Kinderwunsch leidet, ist nicht „irre“ – sie ist nur in einer besonders kritischen, existenziellen Lebenssituation und ich glaube, da tut es gut, eine verstehende aber auch bei Lösungen unterstützende Hand zu reichen. Pragmatische Tipps, die sich leicht umsetzen lassen, hätte ich mir jedenfalls als Patientin damals sehr gewünscht.
Quelle: Deutsches Magazin für Frauengesundheit 1/2019