Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Dysphagie ist der medizinische Ausdruck für Schluckstörung. Der Schluckvorgang ist ein komplexer Prozess, an dem Mund, Rachen, Speiseröhre und Mageneingang beteiligt sind. Bei MS kann dieser Prozess durch eine Beeinträchtigung der Nerven gestört sein. Beeinträchtigt können alle Phasen des Schluckvorgangs sein (Ablauf im Mund, Transport in den Rachen, Transport der Nahrung in der Speiseröhre, Übergang der Nahrung von der Speiseröhre in den Magen).
Eine Dysphagie äußert sich i. d. R. mit einem vermehrten Hustenreiz, verstärkter Speichelproduktion, Schwierigkeiten beim Kauen oder Schlucken von Speisen (z. B. Verschlucken). In manchen Fällen geraten Speisereste oder Flüssigkeiten (manchmal auch Speichel) in die Lunge, wodurch es u. U. zu Lungenentzündungen kommen kann. Besonders problematisch ist es, wenn die Betroffenen bestimmte Nahrungsmittel nicht mehr oder kaum noch Nahrung bzw. Getränke zu sich nehmen können. Dann können Mangelernährung, starke Gewichtsabnahme oder Austrocknung die Folgen sein. Zwischen 24% und 55% der Menschen mit MS sind wissenschaftlichen Studien zufolge von Dysphagie betroffen.
Die Dysphagie gehört zu den Symptomen der MS, die das allgemeine Wohlbefinden stark einschränken können. Deshalb ist es sinnvoll, bei einem Verdacht auf eine Schluckstörung möglichst rasch den Arzt aufzusuchen. Der wird i. d. R. eine Schlucktherapie bei einem darauf spezialisierten Therapeuten einleiten. Das Erlernen spezieller Techniken (z. B. das Einnehmen einer bestimmten Haltung beim Essen oder Trinken, bestimmte Atemtechniken) erleichtert den Betroffenen das Schlucken und kann verhindern, dass Nahrung oder Flüssigkeiten eingeatmet werden.
Daneben kann die Umstellung der Ernährung sinnvoll sein. Es gibt Speisen, die leichter gekaut und geschluckt werden können als andere. In manchen Fällen ist auch das Passieren von Speisen sinnvoll. Weiterhin gibt es Ess- und Trinkhilfen sowie Verhaltensweisen, die Betroffenen das Schlucken erleichtern.
Bestimmte Nahrungsmittel lassen sich schlechter schlucken als andere. Dazu gehören z. B. alle körnerhaltigen Speisen wie Brot oder Brötchen mit Körnern, Müsli, Lebensmittel mit Nüssen u. Ä. Auch ausgesprochen faserige Nahrung (z. B. zähes oder trockenes Fleisch, faserige Obst- und Gemüsesorten wie Ananas, Mangos, Hülsenfrüchte oder Spargel) ist für Menschen mit Dysphagie weniger geeignet. Besonders trockene bzw. scharf angebratene oder krosse Nahrungsmittel wie Pommes frites oder Bratkartoffeln sind bei Schluckstörungen ebenfalls nicht zu empfehlen. Genauso sollten Betroffene besser auf Fisch verzichten, der Gräten enthält. Dann gibt es Nahrungsmittel, von denen man auf den ersten Blick nicht unbedingt vermutet, dass sie schwer zu schlucken sind. Dazu gehören z. B. Nuss-Nugat-Brotaufstriche und Erdnussbutter, längliche Suppennudeln oder Quark mit Kräutern. Nahrungsmittel, die am Gaumen kleben bleiben können (z. B. Kartoffelbrei, Schmelzkäse), sind für manche Menschen mit Dysphagie ungeeignet, obwohl sie sehr weich sind. Von der Ausprägung der Schluckstörung ist abhängig, welche Lebensmittel Probleme hervorrufen.
Leichter zu schlucken als trockene Speisen sind alle Nahrungsmittel, die Feuchtigkeit enthalten. Dazu gehören z. B. weich gekochte Kartoffeln und Nudeln, weich gekochter Blumenkohl, Kohlrabi oder Brokkoli, Nektarinen, Bananen, Joghurts ohne größere Fruchtstücke, Obst- und Gemüsesaft. Bei Obst, das Kerne enthält, die nicht vor dem Verzehr entfernt werden können (z. B. Kiwis), ist Vorsicht geboten. Bei Fleisch und Fisch sollten faser- und grätenarme Sorten bevorzugt werden, z. B. Geflügel, Würstchen und Fischfilets (am besten gekocht und unpaniert). Weichkäse ist oft besser als Hartkäse, Weißbrot oder Toast geeigneter als Grau- oder Vollkornbrot. Beim Brot kann zusätzlich die Rinde entfernt werden. Fruchtgelee ist Marmelade mit Fruchtstücken vorzuziehen, Honig kann oft verzehrt werden. Daneben gilt, dass Speisen, die ein wenig säuerlich sind, den Speichelfluss anregen. Je mehr Speichel produziert wird, umso leicht lässt es sich schlucken. Für Menschen, die jedoch beim Schlucken Gefahr laufen, Speichel einzuatmen, eignen sich diese Nahrungsmittel nicht.
Menschen mit Schluckstörungen profitieren i. d. R. von weicher Nahrung. Viele Speisen – insbesondere Obst- und Gemüsesorten – lassen sich gut weichkochen. Dadurch kommt es zwar u. U. zu einem Vitaminverlust. Vitamine können dem Körper z. B. über Obst- und Gemüsesäfte zugeführt werden. Einfach das Obst und/oder Gemüse im Mixer pürieren und bei Bedarf mit ein wenig Saft oder Wasser verdünnen. Kohlensäurehaltiges Wasser bzw. kohlensäurehaltige Getränke sind weniger gut geeignet, denn sie erschweren das Schlucken. Besser sind Leitungswasser oder stilles Mineralwasser.
Bei stark ausgeprägter Dysphagie kann es auch sinnvoll sein, Speisen zu zerdrücken oder zu pürieren. So lassen sich z. B. viele Fleischspeisen zu Püree verarbeiten. Richten Sie die pürierten Speisen getrennt voneinander auf dem Teller an, damit ihr Geschmack erhalten bleibt. Außerdem wirkt dies appetitlicher.
Manche Menschen mit Dysphagie haben Probleme mit dem Trinken. Sie können nicht so schnell schlucken, wie die Flüssigkeit in den Rachen gelangt, und verschlucken sich oder atmen die Flüssigkeit ein. In diesem Fall ist es sinnvoll, die Getränke (und auch Suppen) anzudicken, sodass sie besser kontrolliert werden können. Daneben gibt es Becher mit Nasenausschnitt, die das Überstrecken des Kopfes beim Trinken nach hinten verhindern, sodass die Flüssigkeit kontrollierter in den Mund gelangen kann. Schnabeltassen sind bei Dysphagie zum Trinken nicht geeignet. Fürs Essen eignen sich oft Löffel, die nur ein geringes Fassungsvermögen haben. Gelangt zu viel Nahrung auf einmal in den Mund, können manche Menschen mit Dysphagie diese nicht oder nur schwer verarbeiten. Für den Fall, dass die über das Essen aufgenommene Energiemenge nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, sollte über eine hochkalorische Ergänzungskost nachgedacht werden.
Damit das Essen auch weiterhin Spaß macht, sollten Menschen mit Schluckstörungen (wie alle anderen auch) darauf achten, dass sie sich für jede Mahlzeit Zeit nehmen. Das Essen sollte – unabhängig von seiner Konsistenz – appetitlich serviert werden. Das Reden während der Mahlzeiten sollte nur erfolgen, wenn der Mund gerade frei von Speisen ist, denn sonst besteht die Gefahr des Verschluckens. Das Essen selbst sollte ohne Zeitdruck eingenommen werden. Eine aufrechte und entspannte Haltung sorgt dafür, dass der Schluckvorgang reibungslos abläuft. Während des Essens sollten die Betroffenen sich zudem ausschließlich aufs Essen konzentrieren.
Quelle: Befund MS 3/2014