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Diabetes

Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.

Diabetes Mellitus
© iStock - PixelsEffect

Experten-Interview mit Prim. Univ.-Doz. Dr. Raimund Weitgasser

Prim. Univ.-Doz. Dr. Raimund Weitgasser ist Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin mit Kompetenzzentrum Diabetologie im Diakonissen-Krankenhaus Salzburg und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Befund Diabetes. Als Facharzt für Innere Medizin sowie Endokrinologie und Stoffwechsel, Kardiologie, Gastroenterologie und Hepatologie und Experte für Ernährungsmedizin kämpft Univ.-Doz. Dr. Weitgasser vor allem gegen die Volkskrankheit Diabetes.

Herr Primar, warum haben Sie sich für den Arztberuf entschieden und was hat Sie bewogen, sich auf die Diabetologie zu spezialisieren?

Häufig ergibt sich die Berufswahl durch Zufälle. Während des Präsenzdienstes wurde ich erstmals mit einem medizinischen Umfeld konfrontiert und fand besonderes Interesse am Arztberuf. Der Weg in die Innere Medizin führte mich anfangs in Richtung Kardiologie. Dann faszinierte mich aber die Diabetologie besonders, einerseits vom wissenschaftlichen Hintergrund und andererseits als umfassender Zugang zur Patientenbetreuung. Dazu gehören ja die Einbeziehung kardiovaskulärer und anderer Risikofaktoren, die Beschäftigung mit der Prävention der Erkrankung und die Auseinandersetzung mit deren Folgen.

Was ist Ihnen besonders wichtig im Umgang mit Ihren Patienten?

Genaue Information und Aufklärung sowie die Einbeziehung der Lebensumstände der Patienten zur möglichst einfachen Umsetzung notwendiger therapeutischer Schritte. Gerade im Umgang mit chronisch Erkrankten sind Behandlungsziele nur durch gemeinsame Anstrengungen erreichbar.

Wie sieht die Epidemiologie des Diabetes in Österreich derzeit aus?

Leider gibt es derzeit nur für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes ein Diabetesregister, sodass wir die übrigen Zahlen nur schätzen können: Es dürfte in Österreich etwa 400.000 diagnostizierte Personen mit Diabetes geben, wahrscheinlich kommt dann noch eine Dunkelziffer von weiteren 100.000 bis 200.000 dazu. Der Großteil davon ist dem Typ-2-, nur etwa 10 % sind dem Typ-1-Diabetes zuzurechnen. Neben der in Österreich wie in den meisten Ländern weltweit steigenden Zahl an Personen mit Typ-2-Diabetes sehen wir in den letzten Jahren auch einen deutlichen Anstieg des Typ-1-Diabetes, insbesondere bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr. Von 1999 bis 2008 haben sich hier die Inzidenzzahlen (Rate der Neuerkrankungen in einem definierten Zeitraum) in Österreich verdoppelt. Derzeit versuchen wir, mit einer Plakataktion die Früherkennung zu fördern und eine Ketoazidose als Erstmanifestation des Typ-1-Diabetes zu verhindern.

Worin sehen Sie das größte Problem bezüglich der wachsenden Anzahl von Betroffenen?

Eine adäquate Versorgung für all diese Personen zu erreichen, ist nicht einfach. Zwar wurde das Disease Management Programm für Typ-2-Diabetes „Therapie Aktiv“ eingeführt, doch gilt es hier, noch mehr Ärzte und Patienten zur Einschreibung zu motivieren. Zudem stellt die steigende Zahl an bereits multimorbiden Diabetespatienten eine hohe medizinische und finanzielle Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, welches auf Einschränkungen in der Versorgung zusteuern könnte.

Welchen Einfluss hat der Lebensstil auf den Diabetes?

Bekannterweise ist die Motivation zu einem gesunden Lebensstil mit ausgewogener Mischkost als optimale Ernährungsform und bereits frühzeitiger Beginn regelmäßiger körperlicher Bewegung die bedeutendste Maßnahme in der Prävention und der Behandlung des Diabetes. Dazu sind nicht nur national, sondern auch auf EU-Ebene Programme unterwegs, die den Bogen von der Nahrungsmittelindustrie bis zur Städteplanung spannen. Aber auch negative Trends sind festzustellen, z. B. wurde der Schulsport, der Anreiz zu regelmäßiger Bewegung geben könnte, in Österreich auf ein geradezu lächerliches Maß reduziert.

Was sind Ihrer Ansicht nach Irrtümer in Bezug auf Diabetes und seine Behandlung?

Am häufigsten fällt mir dazu die Bezeichnung „leichter Altersdiabetes“ ein, welche die möglichen Komplikationen, die ja oft schon bei Diagnose der Erkrankung vorhanden sind, herunterspielt und die chronische Erkrankung bagatellisiert.

Bei der Behandlung sind es vor allem den Typ-1-Diabetes betreffend wissenschaftlich nicht bewiesene therapeutische Ansätze (Stammzelltherapie, Homöopathie etc.), die Patienten massiv verunsichern können und die lebensnotwendige Therapie mit Insulin infrage stellen.

Welches sind Ihrer Meinung nach die erfolgversprechendsten Forschungsansätze in der Diabetes-Therapie und welche Erwartungen haben Sie bezüglich zukünftiger Möglichkeiten?

Den Typ-2-Diabetes betreffend stehen mit Sicherheit Präventionsprogramme an vorderster Stelle. In der Therapie messe ich zzt. der Behandlung mit GLP-1-Analoga, vor allem in der lang wirksamen Form, Bedeutung bei. Die damit verbundene Gewichtsreduktion und damit Verbesserung der Insulinresistenz und deren Folgen ist ein wichtiger Ansatz. Ob es sich im Langzeiteinsatz um eine nebenwirkungsarme Therapie handelt, ist allerdings noch unklar. Der Einsatz von Medikamenten ohne Hypoglykämierisiko wird aufgrund neuerer Studiendaten immer bedeutender, damit ist z. B. auch die Forschung im Bereich der Insulin-Analoga gefordert.

Die Entwicklung der künstlichen Betazelle und der Einsatz der Inselzelltransplantation beim Typ-1-Diabetes scheinen als heilende Methoden weiterhin sehr fern, die Strategie dazu hat sich auch eher als additive Maßnahme etabliert. Die Vereinfachung und Verbesserung von Insulinpumpen und Glukosesensoren, Letztere auch in nicht invasiver Form, sollte in den nächsten Jahren durchaus erreichbar sein.

Welche Rolle spielen Patientenmagazine bei der Deckung des Informationsbedarfs der Betroffenen?

Diabetes-Patienten haben einen hohen Informationsbedarf, welcher sich nicht allein durch die Diabetesschulung und das regelmäßige Gespräch mit dem behandelnden Arzt abdecken lässt. Artikel aus Medizin und Forschung mit Praxisbezug sollten dabei gemeinsam mit der Ankündigung von Beratungs- und Vortragsangeboten im Mittelpunkt stehen.

Inwieweit tragen Befund Diabetes und der vorliegende Ratgeber Diabetes aus Ihrer Sicht zur Aufklärung und Deckung des Informationsbedarfs bei?

Das Diabetesjournal Befund Diabetes und der ergänzende Ratgeber widmen sich in übersichtlicher und fundiert recherchierter Weise Themen zum Diabetes. Es stellt eine wertvolle Ergänzung bisheriger Informationsquellen für Patienten mit Diabetes sowie deren Angehörige und Betreuer dar.

Herr Primar, wir danken Ihnen für Ihre Erläuterungen.

Quelle: Ratgeber Diabetes Österreich 2011

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