Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Diätologin Birgit Meisinger von der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diätetik erklärt im Interview, welche Ernährung für Betroffene empfehlenswert ist, und gibt Eltern Tipps zum richtigen Umgang mit der Krankheit ihrer Kinder.
Ein wichtiger Punkt bei der Ernährung von Kindern mit Diabetes ist die ausreichende Zufuhr komplexer Kohlenhydrate – nicht in Form von Süßigkeiten und Zucker. Kohlenhydrate sind für Kinder eine wichtige Energiezufuhr, mindestens 50–60 % der täglichen Nahrung sollte daher durch Kohlenhydrate aufgenommen werden.
Nach dem heutigen Kenntnisstand sind keine speziellen Diäten oder Ernährungsformen notwendig. Normalgewichtige Kinder und Jugendliche mit Diabetes können und sollen, basierend auf der Ernährungspyramide, gleich essen und trinken wie gesunde Gleichaltrige. Der einzige Unterschied besteht in der Berechnung der Kohlenhydratmenge. Das gestaltet sich in der Praxis aber oft schwierig, da in Fertiggerichten und in Fast Food-Lokalen eine genaue Berechnung schwer bis unmöglich ist.
Trotz guter theoretischer Kenntnisse kommt es immer wieder zu Problemen bei der Umsetzung in der Praxis. Viele Kinder naschen heimlich, ohne dafür Insulin zu spritzen. Kinder werden außerdem permanent mit Lebensmittelwerbung konfrontiert, der sie sich schwer entziehen können. Auch das Einhalten von fixen Mahlzeiten ist nicht mehr überall üblich. Das und ein permanentes Überangebot an Nahrung machen ein Einhalten der Ernährungsvorgaben oft schwer.
Gerade in der Pubertät nehmen sich Teenies gerne eine Auszeit und essen nach Lust und Laune, ohne den Blutzucker zu messen oder Insulin zu spritzen. Hier ist es wichtig, nicht mit erhobenem Zeigefinger, vermehrten Kontrollen oder Verboten zu reagieren. Eher sollte man den Jugendlichen verständlich erklären, dass sie als Teenager selbst Verantwortung übernehmen müssen. Und, dass die Eltern weniger eingreifen müssen, je besser das Diabetes-Management funktioniert. Sollten die Spannungen groß sein, kann auch ein Gespräch mit einem Berater angedacht werden.
Die Diabetesdiät wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer liberaler und auch aus erzieherischen Gründen sprechen wir nicht gerne von Tabus. Tatsache ist jedoch, dass sehr große Mengen von einfachem Zucker die Blutzuckereinstellung massiv belasten und somit vermieden werden sollten. Das sind z. B. gesüßte Getränke oder große Mengen Süßigkeiten. Natürlich sollten auch nicht täglich Fast Food sowie süße und/oder fette Snacks verzehrt werden. Aber in Maßen und mit einer guten Blutzuckerkontrolle ist es möglich, kleinere Mengen süßer Lebensmittel zu essen. Generell sind Lebensmittel mit einem niederen glykämischen Index empfehlenswert, aber letztlich muss man ein gutes Mittelmaß finden. Denn Essen hat auch eine gesellschaftliche Komponente und sollte mit Freude verbunden sein.
In jedem Fall müssen die Betreuungspersonen informiert werden. Auch eine Broteinheit-Tabelle vor Ort ist hilfreich. Natürlich kann nie ausgeschlossen werden, dass die Jause nicht doch einmal getauscht wird. Wenn den Kindern aber zu Hause erklärt wird, was wichtig ist, reagieren sie meist verantwortungsbewusst. In Tirol haben wir derzeit eine Diabetes-Nanny, die Kindergärten und Schulen besucht und das Betreuungspersonal informiert. Das sowie eine gute Kommunikation sind die wichtigsten Bausteine für eine gute Betreuung von Kindern mit Diabetes.
Leider sind Gewichtsprobleme bei Kindern mit Diabetes häufig. Die intensive Insulintherapie führt zu einer Steigerung des Body-Mass-Index (BMI). Jene Kinder und Jugendliche, die gerne fett und süß essen, sind besonders von übermäßiger Gewichtszunahme betroffen. Jugendliche Mädchen mit Diabetes zeigen dabei das höchste Risiko. Manchmal hilft es schon, auf eine geeignete Ernährungsweise hinzuweisen. Auch kalorienarme, süße Zwischenmahlzeiten wie etwa Erdbeer-Buttermilch oder Topfencreme können eine Hilfe sein, um den Konsum an fetten und süßen Snacks zu reduzieren. Natürlich spielt auch Bewegung eine Rolle. Eltern, die ihre Kinder aus Angst vor einer Unterzuckerung vom Turnunterricht befreien lassen und zuhause nicht auf ausreichend Bewegung achten, tun ihrem Nachwuchs auf lange Sicht nichts Gutes.
Eltern möchten häufig Auskunft über mögliche gesundheitliche Folgen bei der Verwendung von Süßstoff. Vor allem seit Stevia offiziell am Markt ist, wird nach natürlichen Süßungsalternativen gefragt. Auch Fragen, wie das Essen bei Klassenfahrten, Feiern, Urlaub etc. bewältigt werden kann, sind häufig. Bei betroffenen Kindern ist es das Lieblingsgericht, auf das sie nicht verzichten möchten. Da ist dann die häufige Frage, ob es noch gegessen werden darf, und wie viel BE zu berechnen sind.
Quelle: Befund Diabetes Österreich 1/2016