Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Ass.-Prof. Priv.-Doz. OÄ Dr. Sabine Hofer, Medizinische Universität Innsbruck, spricht im Interview mit Befund Diabetes Österreich über die Rolle von Eltern und Kindern bei bzw. nach der Diagnose Diabetes und über die Therapieformen.
Welche Problematik stellt sich Ihrer Erfahrung nach Eltern, die Kinder mit Diabetes haben, am häufigsten?
Die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 1 führt in erster Linie zu Überforderung, da Diabetes den Alltag der Kinder und somit den der ganzen Familie prägt. Mehrmals täglich müssen Blutzuckermessungen durchgeführt werden und Insulininjektionen erfolgen. Verunsicherung, Überforderung und Verzweiflung bei Erstmanifestation betreffen alle Eltern.
Wie können Eltern und Kinder mit dieser Problematik am besten umgehen?
Die Betreuung durch ein geschultes Team inklusive psychologischer Betreuung hilft, besser mit der Verunsicherung bei Manifestation umzugehen. Das Verarbeiten der Diagnose benötigt Zeit, daher ist die weitere Anbindung der Patienten an eine Spezialambulanz, in der die Familie vom ersten Betreuungsteam weiter betreut wird, wichtig.
Im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthaltes werden viele Schulungen durchgeführt und Wissen vermittelt, um mit Herausforderungen des Alltags trotz Diabetes gut zurechtzukommen. Von diesem Schulungsangebot können nur Patienten und Eltern profitieren. Durch die Fremdbetreuung vieler Kinder und Jugendlicher in Kindergarten und Schule, Tagesheimen und Hort, ist eine weitere Schulung von Betreuern notwendig. Nur durch Schulung und Aufklärung kann auf die Besonderheiten und die besonderen Bedürfnisse eines Kindes mit Diabetes hingewiesen und eine Teilnahme an schulischen und außerschulischen Aktivitäten in sicherem Rahmen gewährleistet werden.
Wie sieht die Therapie für Kinder und Jugendliche mit Diabetes im Allgemeinen aus?
Kinder und Jugendliche mit Diabetes werden ausschließlich mit intensivierter Insulintherapie behandelt. Insulin wird ins Fettgewebe unter die Haut gespritzt, entweder mit Insulinpens oder per Insulinpumpe. Mehrfache Blutzuckermessungen täglich, die genaue Berechnung der Kohlenhydratmenge in der Nahrung sowie ausreichende Bewegung vervollständigen die Therapieempfehlung bei Diabetes mellitus Typ 1.
Gibt es Behandlungsformen, die Sie besonders empfehlen können?
Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen wird vom betreuenden Diabetesteam sehr individuell gestaltet. Säuglinge und Kleinkinder mit Diabetes unterscheiden sich nicht nur in ihren täglichen Bedürfnissen von Schulkindern, auch der physiologische Insulinbedarf ist stark altersabhängig. Eine individualisierte Therapie, angepasst und kontrolliert von einem Expertenteam, ist daher unerlässlich.
Welche Probleme treten in diesem Zusammenhang Ihrer Erfahrung nach am häufigsten auf?
Die wichtigsten Probleme der Insulintherapie sehen wir in der falschen Dosierung des Medikamentes. Fälschlicherweise zu viel Insulin führt zu akuter Unterzuckerung – Hypoglykämien. Diese verlangen eine sofortige Therapie mit Zufuhr von Kohlenhydraten, da sie sonst zu Bewusstlosigkeit und Krampfanfall führen können.
Die sog. Therapiecompliance ist in allen Altersgruppen – bis ins hohe Erwachsenenalter – ein Thema. Vor allem bei Jugendlichen kann die Umsetzung der Therapieempfehlungen im Alltag oft mangelhaft sein. Das erlebnisorientierte Verhalten der Jugendlichen ist mit dem empfohlenen geregelten Tagesablauf bei Diabetes oft schlecht vereinbar.
Können Sie Eltern diesbezüglich Tipps geben?
Kontaktaufnahme mit dem betreuenden Diabetesteam ist ein wichtiger erster Schritt. Dort sollten Probleme dezidiert angesprochen werden. Diabetescamps und Diabetesrehabilitation sind weitere Angebote. Zahlreiche Internetseiten und soziale Netzwerke widmen sich ebenso dem Thema Diabetes im Kindesalter.
Quelle: Befund Diabetes Österreich 2/2015