Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Die Diagnose Diabetes ist für die Eltern der oftmals noch sehr jungen Patienten ein großer Schock. Die Sorge vor der Zukunft, der komplexe und erst noch zu erlernende Umgang mit der Erkrankung, die Gefahr vor mitunter lebensbedrohlichen Komplikationen und die Angst vor Folgeerkrankungen – das alles erscheint wie eine riesiger Berg, der sich vor einem auftürmt. Noch dazu sind viele Kinder zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch sehr klein, oftmals sogar noch im Baby- und Kleinkindalter, und verstehen überhaupt nicht, warum sie plötzlich mehrmals am Tag gepiekst werden müssen, entwickeln Ängste und wehren sich gegen die für sie so notwendige Behandlung. Für viele Eltern ist das eine äußerst belastende Situation – müssen sie ihrem Kind doch „mit Absicht“ weh tun und befürchten, dass es das Vertrauen verlieren könnte.
Aber auch ältere Kinder im späteren Kindergarten- und Schulalter, denen man u. U. bereits erklären kann, dass das tägliche Blutzuckermessen und Spritzen wichtig ist, müssen erst noch verstehen, dass plötzlich viel mehr auf sie geachtet wird, gerade was Dinge wie (spontanes) Essen, Sport, Toben und andere körperliche Aktivitäten angeht. Dinge, die stoffwechselgesunde Kinder meist völlig unbeschwert ausleben dürfen.
Der Diabetes stellt daher Eltern wie Kinder vor große Herausforderungen. In den ersten Wochen und Monaten nach der Diagnose stehen meist eine Schulung für Eltern und Kinder an und damit das Erlernen des richtigen Umgang mit dem Diabetes. Auch wenn die Anfangszeit chaotisch verlaufen kann und sich Eltern in diesen Fällen Hilfe suchen sollten, beispielsweise durch Diabetesberaterinnen, Selbsthilfegruppen oder Diabetes-Nannys, irgendwann kehrt der Alltag wieder ein. Doch auch dann sollten Kinder mit Diabetes nicht in Watte gepackt werden, rät der Diabetes Ratgeber. Wichtig sei es vielmehr, dass sie lernen, mit ihrem Diabetes umzugehen und auch Herausforderungen zu meistern, denn so gelangen sie zu mehr Erfahrung, Selbstvertrauen und Sicherheit.
Eltern sollten darüber hinaus keine Scheu haben, über den Diabetes des Kindes offen zu sprechen und die Menschen, die tagtäglich mit dem Kind zu tun haben, über die Erkrankung zu informieren, heißt es weiter. Dazu gehört es auch, Erzieher und Lehrer aufzuklären und ggf. auch zu schulen. Wenn die Menschen, mit denen ein diabetisches Kind zu tun hat, über den Diabetes Bescheid wissen, gibt das Sicherheit auf allen Seiten. Helfen bei der Aufklärung von Kita- und Schulpersonal können beispielsweise Diabeteszentren. Diese bieten entsprechende Schulungen an.
Allerdings: Kinder mit Diabetes mögen es oft nicht, wegen ihrer Krankheit im Mittelpunkt zu stehen – und das ist häufig auch gar nicht notwendig. „Junge Menschen mit Diabetes brauchen weder geschont zu werden, noch sollten sie eine Sonderrolle spielen“, sagt Prof. Dr. Thomas Danne, Hannover, nach Angaben von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. Sie seien genauso belastbar wie ihre gesunden Altersgenossen. Erzieher und Mitschüler sollten jedoch einige Fakten kennen: Beim Sport oder unter Stress kann der Blutzucker stark schwanken. Es kann zu Unterzuckerungen kommen. Daher rät Prof. Danne, Traubenzucker oder ein Müsliriegel im Falle einer Unterzuckerung bereit zu legen. Vor Ausflügen oder auswärtigen Übernachtungen sollten die Eltern mit den Lehrern gemeinsam überlegen, ob eine Vorbereitung des Kindes ausreicht oder vor allem bei Grundschulkindern eine Begleitung durch ein Elternteil erforderlich ist. Für Notfälle sollten die Lehrer die Telefonnummer der Eltern, des behandelnden Arztes und des nächsten Krankenhauses kennen.
Nicht nur außerhäuslich, auch innerhalb der Familie spielt der Diabetes eines Kindes meist eine wichtige Rolle – aber wenn die schwierige Anfangszeit überstanden ist und sich der Alltag wieder etwas gefunden hat, sollte der Diabetes nicht die ganze Entwicklung des Kindes dominieren, sagt Dipl.-Psych. Béla Bartus im Diabetes Ratgeber: „Diabetes ist nicht „harmlos“, aber man kann gut mit ihm leben.“
Oft entwickeln Kinder, wenn sie etwas selbstständiger werden, eine große Sorgfalt im Management ihres Diabetes – die dann mit dem Einsetzen der Pubertät wieder nachlässt. Nicht selten sind Jugendliche ziemlich pflichtvergessen, was die Kontrolle ihres Stoffwechsels angeht. Gleichzeitig sind die Eltern hin- und hergerissen: Sollen sie ihren Teenager trotz Widerstände weiter kontrollieren? Oder ihm die Freiheit geben, nach der er sich sehnt?
In diesem Punkt, so betont Bartus, zeigen Studien, dass Eltern die Kinder nicht zu früh in die Eigenverantwortlichkeit entlassen sollten. Eine Begleitung der Eltern auch noch bis über das 16. Lebensjahr hinaus, die darin besteht, dass sie den Jugendlichen im Diabetesmanagement unterstützen, ohne ihn übermäßig zu kontrollieren, scheint sinnvoller: „Unsere Erfahrungen zeigen: Je länger Eltern ihre Kinder beim Diabetesmanagement unterstützen, umso wahrscheinlicher werden diese auch später gut mit ihrem Diabetes umgehen“, erklärt Bartus.
Quelle: Befund Diabetes 4/2015