Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
Warum sich der lokale Tumor im Körper ausbreitet, ist noch nicht ausreichend geklärt. „Bei Brustkrebs können die Zellen die Brust über den Blutkreislauf verlassen und auf diese Weise können die Tumorzellen an einer anderen Stelle im Körper zu wachsen anfangen“, erklärt Prof. Dr. Volkmar Müller, Hamburg. D. h. allerdings nicht, dass bei allen Frauen, bei denen Tumorzellen im Blut nachgewiesen werden, sich auch Fernmetastasen entwickeln. „Die Zahl der Brustkrebsneuerkrankungen liegt derzeit bei 70.000 pro Jahr in Deutschland. Man geht davon aus, dass ungefähr 30 % der Frauen einen Rückfall erleiden, ein Teil davon in Form einer metastasierten Erkrankung“, sagt Prof. Müller. Die Frage, wie viele davon Metastasen entwickeln, lässt sich schwer beantworten, da es dafür kein Register gibt, in dem diese Daten festgehalten werden. Das Ziel der Behandlung ist es, den betroffenen Frauen eine gute Lebensqualität zu ermöglichen und Beschwerden zu lindern.
Abhängig von den Eigenschaften der Tumorzellen werden verschiedene Therapiemöglichkeiten gewählt. Da sich die Eigenschaften der metastasierten Tumorzellen im Vergleich zu dem Brusttumor ändern können, sollte aus einer Metastase eine Gewebeprobe entnommen werden, falls dies möglich ist. Bei hormonempfindlichen Tumoren wird in aller Regel zuerst eine antihormonelle Therapie eingesetzt. „Falls der Tumor nicht hormonempfindlich ist oder eine rasch voranschreitende Erkrankung mit akut bedrohlichen Symptomen vorliegt, wird eine Chemotherapie empfohlen. Bei Tumoren, auf deren Zellen der Wachstumsrezeptor HER-2 verstärkt vorhanden ist, können zusätzlich zur Chemotherapie sog. zielgerichtete Therapieansätze verwendet werden“, sagt Prof. Müller. In den letzten Jahren wurden eine Reihe neuer Substanzen entwickelt, die bei geringen Nebenwirkungen die Lebensqualität verbessern und die Lebenszeit der betroffenen Frauen verlängern können. „Zusätzlich werden bei Knochenmetastasen Medikamente eingesetzt, die die Ausbreitung von Tumorzellen im Knochen eindämmen können und den Knochen wieder stabilisieren können. Außerdem gibt es bei Knochenmetastasen auch die Möglichkeit einer Strahlentherapie“, erklärt Prof. Müller.
Es ist seit Längerem bekannt, dass Metastasen Botenstoffe aussenden, die zu einer Bildung von neuen Blutgefäßen führen. Dies ist notwendig, damit die Tumorzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden können. „In den letzten Jahren sind eine Reihe von Medikamenten erprobt worden, die diese Blutgefäßbildung hemmen können. Zugelassen ist ein Medikament, das einen dieser Botenstoffe (VEGF) in der Blutbahn neutralisiert. Mit seiner Gabe kann die Wirksamkeit einer Chemotherapie verstärkt werden und die Zeit bis zum erneuten Wachstum der Metastasen verlängert werden“, sagt Prof. Müller. Bei der Einnahme dieser Medikamente kommt es nicht zu den typischen Nebenwirkungen einer Chemotherapie. „Allerdings kommt es häufiger zu erhöhtem Bluthochdruck, der sich meist medikamentös gut behandeln lässt. Weitere Nebenwirkungen sind eine vermehrte Eiweißausscheidung im Urin sowie Wundheilungsstörungen und Blutungen“, sagt Prof. Müller.
Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs sind besonders auf die Behandlung durch erfahrene Ärzte angewiesen. Dies können spezialisierte Gynäkologen oder internistische Onkologen sein. „Die Behandlung sollte individuell auf die Situation der Patientin abgestimmt werden. Zur Behandlung gehören auch eine ausreichende Schmerztherapie und eine unterstützende Betreuung. Hierzu hat sich in den letzten Jahren ein, zumindest in den Ballungsräumen, flächendeckendes Netz an palliativmedizinischen Versorgungsmöglichkeiten entwickelt“, sagt Prof. Müller. Wichtig ist es, dass Betroffene auch weiterhin, soweit möglich, am normalen Leben teilnehmen. Es ist auch nicht notwendig, dass sich betroffene Frauen schonen, im Gegenteil: „Körperliche Aktivität bessert auch bei metastasiertem Brustkrebs das Befinden. Hilfreich kann es sein, eine psychoonkologische Betreuung, ggf. auch mit dem Lebenspartner oder der Familie in Anspruch zu nehmen“, rät Prof. Müller.
Quelle: Leben? Leben! 2/2014