Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
Im Mai 2013 ging Angelina Jolie mit einer Meldung an die Medien, die wohl kaum jemand von einer so perfekt scheinenden Frau erwartet hatte. Jolie ließ sich vorsorglich beide Brüste amputieren!
Hysterie einer Prominenten – Publicitystrategie – oder doch etwas anderes?
Sie traf diese Entscheidung, nachdem bereits ihre Mutter an Brustkrebs starb. Bei ihr wurde eine Mutation nachgewiesen, die das Brustkrebsrisiko stark erhöht. Mit ihrem mutigen Schritt hat sie ein wichtiges Thema in die Öffentlichkeit getragen, dass im wahrsten Sinne des Wortes „Familienangelegenheit“ ist. Jedes Jahr erkranken in Deutschland ca. 70.000 Menschen neu an Brustkrebs. Rund 20 % davon haben eine vererbbare Mutation in den BRCA-Genen (BRCA engl. BReast CAncer) oder anderen Risikogenen als Ursache. In den betroffenen Familien kommen Brust- und auch Eierstockkrebs gehäuft vor. Die Erkrankung tritt oftmals im sehr frühen Alter auf.
Bereits in den 90er-Jahren wurden die Risikogene BRCA1 und BRCA2 entschlüsselt. Seitdem sind viele weitere bekannt geworden. Zusätzlich sind bisher unbekannte Genmutationen zu vermuten, die Einfluss auf die Krebsentstehung haben. Um festzustellen, ob eine Person aus einer Risikofamilie stammt, wurden Einschlusskriterien festgelegt, die laufend den aktuellsten Forschungsergebnissen angepasst werden. Diese können die Familienkonstellation der mütterlichen ebenso wie der väterlichen Linie betreffen – väterliche und mütterliche Familien werden grundsätzlich getrennt
beurteilt:
¹ Diese Kriterien werden aktuell im Rahmen von Studien an den spezialisierten Zentren überprüft.
Mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe wurden in Deutschland 15 spezialisierte Zentren aufgebaut, die sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen haben. Ärzte verschiedener Fachrichtungen arbeiten gemeinsam, um Frauen und auch Männer mit einem erblichen Risiko optimal zu betreuen. Beratung zum Krebsrisiko, Gentest, Früherkennung, Beratung vor vorbeugenden Operationen und ebenso psychologische Unterstützung erfolgen aus einer Hand. Ein Schwerpunkt der Zentren ist die Forschung zu bisher unbekannten Genen, die Einfluss auf das Krebsrisiko nehmen und im Besonderen die Erarbeitung von individuellen Behandlungsempfehlungen. Um Menschen mit einem erhöhten Risiko wohnortnahe Unterstützung anzubieten, haben die spezialisierten Zentren eine Vielzahl von Kooperationen mit qualifizierten Behandlern vor Ort geschlossen. Ergänzend zu den medizinischen Zentren hat sich 2010 das BRCA-Netzwerk – Hilfe bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs als Selbsthilfeorganisation gegründet. Ziel des gemeinnützigen Vereins ist es, Informationen und Austausch für Familien mit einer vermuteten oder bestätigten familiären Belastung anzubieten.
Ein Gentest wird für Angehörige aus Risikofamilien nach entsprechender Beratung und ab Volljährigkeit angeboten. Bestätigt sich eine Mutation in den BRCA-Genen, ist dieses für die betroffenen Familien mit Ängsten verbunden, aber auch mit einer Art von Erleichterung. Bedeutet es doch, eine Ursache für die vielen Krebserkrankungen gefunden zu haben. Eine Klärung des tatsächlichen Risikos ist möglich und wichtig. Nachkommen erben die Mutation nicht zwangsläufig, die Wahrscheinlichkeit liegt bei 50 %. Es ist folglich für Kinder von bestätigten Mutationsträgern genauso wahrscheinlich, die Veranlagung nicht geerbt zu haben und somit kein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung. Kinder ohne Nachweis der Mutation erfahren Entlastung. Nachkommen mit Nachweis der Mutation können lernen, sich auf das Risiko einzustellen und erfahren Unterstützung.
Für die vorbeugende Entfernung der Brustdrüse als sogenannte prophylaktische Maßnahmen entscheiden sich in Deutschland die wenigsten Frauen mit familiärer Belastung und wählen als Alternative die Früherkennung. Zudem ist bisher nicht belegt, dass bereits erkrankte Frauen mit einer Hochrisikomutation von der beidseitigen Entfernung des Brustgewebes einen Überlebensvorteil haben. Das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs hat ein spezielles Programm erarbeitet, das es ermöglicht, Brustkrebs im frühen und behandelbaren Stadium zu entdecken. Das Früherkennungs- und Nachsorgeprogramm für Hochrisikopatientinnen startet teilweise bereits ab dem 25. Lebensjahr (oder fünf Jahre vor dem Erkrankungsalter der jüngsten Erkrankten) bis zum 70. Lebensjahr. Es nutzt in mindestens jährlichen Abständen erweiterte Untersuchungsmethoden. Neben der Tast- und Ultraschalluntersuchung wird eine Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) sowie Mammografie der Brust durchgeführt. Um eine Entscheidung für oder gegen Früherkennung, für oder gegen prophylaktische Maßnahmen treffen zu können, ist umfassend Beratung notwendig, die abwägt zwischen tatsächlichem Erkrankungsrisiko, Nutzen, aber auch möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen.
Weiterführende Informationen und Ansprechpartner unter www.brca-netzwerk.de
Andrea Hahne
Quelle: Leben? Leben! 4/2013