Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
Im Interview erklärt Dr. Gabor Heim, Bad Kreuznach, worauf Frauen mit Kinderwunsch nach einer Krebserkrankung achten sollten, welche Untersuchungen während der Schwangerschaft wichtig sind, wie auch nach einer Brustamputation gestillt werden kann und welche Möglichkeiten es gibt, vor der Therapie die Chance auf ein Kind zu erhalten.
Nach einer gynäkologischen Krebsbehandlung beispielsweise mit antihormonellen Medikamenten, einer Chemotherapie und Bestrahlung kann die Fruchtbarkeit nach der Behandlung eingeschränkt sein oder ganz zum Erliegen kommen. Bei jüngeren Patientinnen, bis maximal 35 Jahren, ist diese Gefahr geringer als bei Frauen, die älter als 35 Jahre sind. Bei jungen Patientinnen kann i. d. R. davon ausgegangen werden, dass nach Abschluss der Therapie der hormonelle Zyklus wieder normal einsetzt und auch Eisprünge als Voraussetzung einer möglichen Schwangerschaft wieder auftreten.
Patientinnen jenseits der 35 Jahre oder solche bei deren Erkrankung unmittelbar die Gebärmutter oder die Eierstöcke durch Operation oder Strahlentherapie betroffen sind, sollten Maßnahmen ergreifen, um ihre Fruchtbarkeit noch vor Beginn der Krebsbehandlung zu sichern. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten über die bereits der Gynäkologe, der die Krebstherapie durchführt, beraten sollte. Sinnvoll ist auf jeden Fall die Vorstellung in einem Kinderwunschzentrum, welches nach Möglichkeit dem Netzwerk „Fertiprojekt“ angehört.
Die meiste Erfahrung und besten Ergebnisse erzielt man mit der Entnahme und dem Einfrieren (Kryokonservierung) von Eizellen nach einer etwa zehntägigen hormonellen Stimulationsbehandlung. Bei Frauen, die in einer festen Partnerschaft leben, empfehlen wir die Konservierung befruchteter Eizellen, da dies die spätere Schwangerschaftswahrscheinlichkeit erhöht. Wer keinen festen Lebenspartner hat, kann aber auch auf unbefruchtete eingefrorene Eizellen zurückgreifen. Derzeit laufen auch Untersuchungen zur Entnahme und späterem Wiedereinpflanzen von Eierstockgewebe, dem sog. „ovarian tissue banking“ oder zu einem Schutz der Eierstöcke durch Medikamente während der Krebsbehandlung. Bei beiden Methoden fehlen uns aber noch die Langzeiterfahrungen.
Die Empfehlungen gehen dahin, nach einer Krebstherapie mindestens sechs Monate zu warten, bevor man schwanger wird. Es gibt aber auch kein Zahlenmaterial darüber, dass die Fehlbildungsrate höher ist, wenn eine Frau früher schwanger wird.
Nein. Es gibt im Gegenteil sogar Daten, dass Frauen, die nach einer Krebstherapie Kinder gebären, eine geringere Mortalität (Sterblichkeit) aufweisen.
Nach Möglichkeit sollte der Allgemeinzustand ähnlich dem vor der Therapie sein. Insbesondere sollte die Herzfunktion ausreichend gut sein, denn sowohl eine Chemotherapie als auch eine Schwangerschaft sind für das Herz-Kreislauf-System eine Belastung. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt sollte jede Frau in der Lage sein, ihre diesbezügliche Situation richtig einzuschätzen. Unabhängig von der Fitness gibt es wie gesagt die Empfehlung von einer Wartezeit von mindestens sechs Monaten.
Neben der Überwachung der mütterlichen Herz- und Nierenfunktion empfehlen wir eine umfassende Schwangerschaftsfrühdiagnostik mit Ersttrimesterscreening, Nackenfaltenmessung zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche sowie eine Ultraschallfeindiagnostik zwischen der 20. und 22. Woche. Im Zweifel sollte auch eine invasive Diagnostik mit Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese angeboten werden. Für spezielle Fragestellungen gibt es auch die sog. Nichtinvasive Pränataldiagnostik (NIPD). Diese lässt bereits aus dem Blut der Mutter Rückschlüsse auf etwaige genetische Fehlbildungen (Trisomie 21, 18, 13 und geschlechtschromosomale Fehlbildungen) mit einer Sicherheit von 99 % beim Kind zu. Grundsätzlich sollte aber jede Schwangere diese diagnostischen Möglichkeiten in Anspruch nehmen, bei Frauen mit einer vorangegangenen Krebsbehandlung sollte man aber ganz besonders darauf achten. Wichtig ist aber, dass es bislang keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, dass die Wahrscheinlichkeit einer fetalen Fehlbildung bei krebsvorbehandelten Frauen im Vergleich zum „Normalkollektiv“ höher ist.
Grundsätzlich ja. Bisweilen bekommen Frauen nach einer Brustkrebserkrankung eher eine Brustentzündung oder einen Milchstau, das muss man im Vorfeld wissen und ggf. rechtzeitig reagieren.
Es ist überhaupt kein Problem, dann einfach mit der vorhandenen gesunden Brust zu stillen.
Dies kommt immer häufiger vor. Das liegt zum einen daran, dass heute die Krebsdiagnosen früher gestellt werden und zum anderen realisieren Frauen ihren Kinderwunsch allgemein später als noch vor ein paar Jahren. Eine Vergleichsstudie zwischen den Zeiträumen 2000 bis 2002 und 2010 bis 2012 zeigt, dass sich die Schwangerschaftshäufigkeit nach einer Brustkrebserkrankung nahezu verdoppelt hat. Meine persönliche Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass eine vorangegangene Krebsbehandlung in den allermeisten Fällen keine Beeinträchtigung von Mutter oder Kind mitbringt. Im Gegenteil, diese Frauen erleben ihre Schwangerschaften oft sehr viel bewusster.
Quelle: Leben? Leben! 3/2016