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Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.

Multiple Sklerose
© iStock - Stadtratte

Medizinische Rehabilitation bei Multipler Sklerose

Neben der beruflichen und sozialen Rehabilitation nimmt die medizinische Rehabilitation bei Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose einen besonders hohen Stellenwert ein. Der Begriff medizinische Rehabilitation meint zusammenfassend alle ambulanten, teilstationären und stationären Maßnahmen, bei denen der Patient mit MS interdisziplinär durch Ärzte und

Therapeuten der verschiedensten Berufsgruppen dabei unterstützt wird, seine Krankheit im Verlauf zu stabilisieren, vorhandene Defizite durch ein gezieltes Training zu verbessern oder durch das Erlernen von Kompensationsstrategien besser mit den Einschränkungen im Alltag zurechtzukommen.

In Abgrenzung zu einer reinen akutstationären Behandlung in einer neurologischen Klinik ist der Blick bei der medizinischen Rehabilitation auf die individuellen Fähigkeiten und Defizite eines Patienten ausgerichtet und erst in zweiter Linie auf Dinge wie Krankheitsaktivität oder Läsionslast im Kernspintomogramm. In Abgrenzung zu ambulanter Physio- oder Ergotherapie, die i. d. R. durch den Hausarzt auf Rezept verordnet werden, hat die medizinische Rehabilitation einen „ganzheitlichen“ Anspruch in der Behandlung durch ein therapeutisches Team, das i. d. R. von einem Facharzt für Neurologie oder Rehabilitationsmedizin geleitet wird. Dabei werden nach dem bio-psychosozialen Krankheitsmodell nicht nur medizinische Aspekte beachtet, sondern es wird auch die Brücke zur beruflichen und sozialen Rehabilitaion geschlagen, wie im Sozialgesetzbuch IX gefordert.

Wann ist eine medizinische Rehabilitation bei MS sinnvoll?

Es gibt drei verschiedene Konstellationen, bei denen eine Rehabilitation infrage kommt:

– Nach einem schweren Schub sind noch erhebliche Defizite vorhanden, z. B. Einschränkungen beim Gehen oder des Gleichgewichts, die einer intensiven Übung zugänglich sind
– Beim sekundär-progredienten Krankheitsverlauf nehmen Funktionseinschränkungen über die Zeit derart zu, dass die Selbständigkeit in Teilbereichen gefährdet ist (z. B. die Gehfähigkeit oder die Handfunktion)
– Symptome der MS, wie eine schwere Spastik oder Schmerzen, behindern zunehmend den Alltag

Wie komme ich als MS-Betroffener zu einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme?

Reha nach Krankhausaufenthalt

Schließt sich die Rehabilitation unmittelbar an einen Krankenhausaufenthalt an, wird die Rehamaßnahme vom Krankenhaus beim zuständigen Kostenträger beantragt. Es gibt hierfür in Deutschland ein Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation:

– Phase A Akutbehandlung
– Phase B Frührehabiliation
– Phase C Weiterführende Rehabilitation
– Phase D Anschlussheilbehandlung (AHB)

Es hängt vom Ausmaß der Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) ab, welche Reha-Phase in Frage kommt. Diese Einschränkungen bzw. der Grad an Selbstständigkeit werden mit dem Barthel-Index bestimmt. Je nach Entwicklung kann ein Patient auch mehrere Reha-Phasen durchlaufen. Zum Beispiel hat ein Patient nach einem schweren MS-Schub in der Akutklinik einen Barthel-Index von 40. Er tritt eine stationäre Rehabilitation der Phase C an. Kostenträger ist die Krankenkasse. Bei Besserung durch die dort durchgeführten Therapien wird eine Anschlussheilbehandlung der Phase D durchgeführt, und zwar erst vollstationär, später teilstationär. Steht der Patient noch im Berufsleben, bezahlt diese AHB der Rentenversicherungsträger.

Die Frührehabilitation stellt eine Besonderheit dar, da diese in vielen Bundesländern der Akutmedizin zugeordnet ist. Deswegen ist für die Durchführung einer Frührehabilitation eine sog. „akutmedizinische Behandlungsbedürftigkeit“ nachzuweisen. Diese kann sich z. B. durch eine gleichzeitig zu den therapeutischen Maßnahmen durchgeführte Hochdosis-Kortisonstoßtherapie oder eine komplexe Medikamentenumstellung bei schwerer Spastik oder ähnliches begründen. Entsprechend findet die Frührehabilitation auch in einem Krankenhaus statt und nicht in einer Rehaklinik (allerdings haben viele Rehakliniken auch eine Zulassung als Krankenhaus).

Reha-Maßnahme von zu Hause aus

Eine solche Rehabilitation dient i. d. R. dem Zweck, einen Zustand zu erhalten bzw. eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Die Beantragung erfolgt durch den behandelnden Arzt beim zuständigen Kostenträger (Krankenkasse, bei Berufstätigen Rentenversicherungsträger). Da diese Form der Rehabilitation von den gleichen Kliniken durchgeführt wird, die auch die MS-Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt behandeln, kann es im Einzelfall auch einmal zu längeren Wartezeiten kommen.

Wahl der geeigneten Rehaklinik

Im Gegensatz zur Krankenhausbehandlung, bei der der Patient innerhalb Deutschlands die uneingeschränkte Wahlfreiheit hat, kann bei der medizinischen Rehabilitation der Kostenträger (Krankenkasse oder Rentenversicherungsträger) bestimmen, welche Einrichtung er mit der Behandlung beauftragt (Ausnahme Frührehabilitation, s. u.). Er ist jedoch verpflichtet, die nächstgelegene Rehaklinik (Prinzip der Wohnortnähe), die medizinisch und fachlich geeignet ist, auszuwählen. Falls der Patient eine bestimmte Spezialklinik wünscht, muss er möglicherweise begründen, warum nur diese Klinik in der Lage ist, die Behandlung durchzuführen (z. B. spezielle Therapieverfahren, Möglichkeit der urodynamischen Untersuchung etc.). Wenn mit dem Kostenträger hierüber keine Einigung erzielt werden kann, muss der Patient evtl. neben den Fahrtkosten den Differenzbetrag zur nächstgelegenen, aus Sicht des Kostenträgers geeigneten Klinik, selbst bezahlen. Oft lässt sich jedoch im persönlichen Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter eine für alle Seiten akzeptable Lösung finden. Besonderheit Frührehabilitation: Hier stellt der behandelnde Arzt eine Einweisung aus, die Behandlung findet dann in einem DMSG-zertifizierten MS-Zentrum statt.

Ambulante und teilstationäre Rehabilitation

Nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ soll nach dem Willen des Gesetzgebers die wohnortnahe ambulante Rehabilitation und teilstationäre Behandlung gefördert werden. Vorteil ist eine unmittelbare Bezugnahme auf die Lebensumstände und den Alltag des Patienten: Alles Erübte und Trainierte kann zeitgleich in einem Prozess der kontinuierlichen Rückkopplung auf seine Alltagstauglichkeit getestet werden. Daneben können die Angehörigen und das übrige soziale Umfeld in den Rehabilitationsprozess leicht mit einbezogen werden. Auf der anderen Seite ist die Verfügbarkeit ambulanter und teilstationärer neurologischer Rehabilitationskliniken nicht nur auf dem flachen Land, sondern gerade auch in manchen größeren Städten keineswegs flächendeckend vorhanden. Außerdem ist für manche MS-Betroffene (und deren Angehörige) gerade eine stationäre Rehabilitation in einer gewissen Entfernung von zu Hause sinnvoll im Sinn einer „Auszeit“.

Was passiert in der Rehaklink

– Erstellung eines individuellen, mit dem Patienten abgestimmten Therapie- und Behandlungsplanes, Festlegung von Zielen, von Maßnahmen, wie diese Ziele erreicht werden sollen, und eine Evaluation/regelmäßige Überprüfung der Ziele und Maßnahmen.
– ärztlich-medizinische Maßnahmen: symptomatische medikamentöse Therapie und in der Frührehabilitation auch umfangreiche Diagnostik, Schubbehandlung, Optimierung der Basistherapie.
– Die therapeutischen Angebote umfassen Physio-, Ergo-, Sprach-, Schluck-, Sporttherapie, Neuropsychologie, psychologische Betreuung, physikalische Therapie, Hippotherapie …
– Wenn erforderlich, Hilfsmittelanpassung und -verordnung
– Einleitung von Maßnahmen zur Sicherstellung der häuslichen Versorgung, Arbeitsplatzadaptierung oder Wiedereingliederung in das Berufsleben

Fazit

Die medizinische Rehabilitation bei MS stellt einen wichtigen Baustein in der Behandlung dieser chronischen Erkrankung dar. Sie kommt sowohl bei akuten Verschlechterungen von Funktionen, als auch zur Erhaltung eines Zustands zum Tragen und sollte sowohl in der stationären, wie in der ambulanten/teilstationären Form immer auf die Fähigkeiten und Einschränkungen des einzelnen Patienten in seiner aktuellen Lebenssituation abgestimmt sein mit dem Ziel, eine größtmögliche Teilhabe des Patienten mit MS zu ermöglichen.

Dr. med. Ulrich Pötzl, Bayreuth

Quelle: Befund MS 3/2010

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