Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Dendritischen Zellen kommt in der Immunabwehr des Körpers eine Schlüsselrolle zu: Stoßen sie z. B. auf Viren, dann aktivieren sie T-Zellen, die helfen, infizierte Zellen zu beseitigen. Bei MS sind T-Zellen unabhängig von einer Infektion aktiv und greifen das Zentralnervensystem an.
Eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. Heinz Wiendl, Vorstandssprecher des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS), hat mit der Entschlüsselung zweier Subtypen dendritischer Zellen möglicherweise ein Indiz gefunden, warum die Immunregulation bei MS-Patienten fehlgeleitet ist.
Bisher wissen Forscher wenig darüber, welche Rolle sog. plasmazytoide dendritische Zellen, eine Subpopulation dendritischer Zellen, bei Autoimmunerkrankungen wie MS spielen. Prof. Wiendls Team führte eine systematische Studie durch, in der dieser Zelltypus bei gesunden Menschen und Patienten mit MS auf verschiedenen Ebenen verglichen wurde. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass mindestens zwei Formen der plasmazytoiden dendritischen Zellen existieren. Diese unterscheiden sich durch bestimmte Zelloberflächenmarker, ihre Reaktionen auf Immunstimulation oder ihre Fähigkeit, T-Zellen auf bestimmte Antigene zu sensibilisieren. „Wir haben die beiden Varianten zunächst Typ I und II genannt. Bei gesunden Menschen sind sie im Verhältnis 4,4:1 verteilt. Sie wirken sich jeweils unterschiedlich auf die T-Zellen-Aktivierung aus – entweder in Richtung entzündungsfördernd bzw. -hemmend oder regulierend“, erklärt Prof. Wiendl. Im Fall einer Infektion erzeugen dendritische Zellen des ersten Subtyps T-Zellen, die übersteigende Entzündungsprozesse verhindern (sog. regulatorische Zellen), während Typ II jene aktiviert, die entzündungsfördernd wirken (sog. Th17 Zellen).
Subtypen dendritischer Zellen aus dem Lot
Bei MS-Patienten hingegen sind die beiden Formen umgekehrt verteilt, d. h., Variante zwei dominiert die erste. Die Folge: ein Überschuss an entzündungsfördernden T-Zellen wird erzeugt. Interessanterweise findet sich diese Fehlverteilung nur bei MS und nicht bei anderen Autoimmunerkrankungen. Ob dieses Missverhältnis bereits auftritt, bevor die Krankheit entsteht oder erst während ihres Verlaufs, ist noch unklar.
Quelle: Befund MS 3/2010