Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Im Jahr 2007 wurde in Deutschland eine neue Gruppe von Diabetes-Medikamenten zugelassen – die sog. Inkretinmimetika und Inkretinverstärker. Inkretine sind körpereigene Darmhormone, die nach der Nahrungsaufnahme aus der Darmschleimhaut in den Blutkreislauf abgegeben werden. Es sind zwei Inkretine bekannt, GLP-1 (Glucagon-Like Peptide-1) und GIP (Glucose-dependent Insulinotropic Polypeptide). Sie spielen eine elementare Rolle im Zuckerstoffwechsel, da sie für bis zu 70 % der Insulinausschüttung nach einer Mahlzeit verantwortlich sind. Man bezeichnet dies auch als Inkretineffekt.
Interessanterweise ist der Inkretineffekt bei Patienten mit Typ-2-Diabetes fast nicht mehr vorhanden, d. h., nach Nahrungsaufnahme schüttet die Bauchspeicheldrüse viel weniger Insulin aus als bei Gesunden und der Blutzucker wird nicht ausreichend gesenkt. Erhalten diese Patienten eine Infusion mit GIP, so ist kaum ein Effekt auf die Insulinausschüttung zu beobachten.
Verabreicht man aber eine Infusion mit dem anderen Inkretin, GLP-1, so wird die Bauchspeicheldrüse wieder angemessen stimuliert, eine ausreichende Insulinmenge freigesetzt und der Blutzucker regelrecht abgesenkt. Daneben besitzt GLP-1 zahlreiche weitere Effekte, die allesamt zu einer nachhaltigen und ungefährlichen Senkung des Blutzuckers führen und vorteilhaft in der Behandlung eines Typ-2-Diabetes sind:
GLP-1
Da körpereigenes GLP-1 in kürzester Zeit von einem Enzym abgebaut und über die Niere ausgeschieden wird und es für den Patienten nicht zumutbar ist, mehrstündige GLP-1-Infusionen zu erhalten, wurden Medikamente entwickelt, die die Wirkung von GLP-1 nachahmen bzw. seine Konzentration im Blut erhöhen. Zu den Stoffen, die die GLP-1-Wirkung imitieren, den sog. Inkretinmimetika oder GLP-1-Analoga, zählen aktuell Exenatide und Liraglutid.
Sie werden – ähnlich wie Insulin – mittels eines Fertigpens einmal (Liraglutid) oder zweimal (Exenatide) täglich unter die Haut gespritzt. Zu Beginn der Behandlung kommt es häufig zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, die jedoch nach längerer Behandlungsdauer abklingen können. In sehr seltenen Fällen kann eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung auftreten.
Zu den Stoffen, die die Spiegel von natürlichem GLP-1 im Blut erhöhen, den sog. Inkretinverstärkern gehören aktuell Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin. Sie hemmen das Enzym DPP-4 (Di-Peptidyl-Peptidase-4), das das körpereigene GLP-1 normalerweise sehr rasch abbaut, und werden daher auch als DPP-4-Hemmer oder DPP-4-Inhibitoren bezeichnet. Sie werden als Tablette einmal (Sitagliptin, Saxagliptin) oder zweimal (Vildagliptin) täglich eingenommen und weisen weniger unerwünschte Wirkungen als die Inkretinmimetika auf. Ihr Effekt auf das Körpergewicht ist jedoch deutlich geringer ausgeprägt.
Sowohl Inkretinmimetika als auch Inkretinverstärker sollten nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft von 2010 bisher nur in Kombination mit anderen Diabetesmedikamenten wie Metformin oder Sulfonylharnstoffen eingenommen werden. Mittlerweile sind bereits Präparate erhältlich, in denen diese Wirkstoffe kombiniert enthalten sind, sodass nicht mehrere Tabletten eingenommen werden müssen. Einzig Sitagliptin ist für die Monotherapie (Behandlung mit einem einzigen Arzneimittel) zugelassen, sofern zur Blutzuckersenkung Veränderungen des Lebensstils nicht ausreichen und eine Unverträglichkeit für Metformin besteht.
Da Sulfonylharnstoffe im Gegensatz zu Inkretinmimetika und Inkretinverstärkern eine Unterzuckerung hervorrufen können, sollte im Falle einer Kombination eine geringere Ausgangsdosis des Sulfonylharnstoffs eingenommen werden, um dieses Risiko zu vermindern. Bei Typ-1-Diabetes generell und bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die Insulin spritzen müssen, weil ihre Bauchspeicheldrüse nach langem Krankheitsverlauf kein Insulin mehr produziert, sind Inkretin-basierte Medikamente wirkungslos. Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion sollten je nach Schweregrad ebenfalls auf Inkretinmimetika bzw. -verstärker verzichten.
Inkretin-basierte Medikamente unterscheiden sich von den herkömmlichen Diabetes-Medikamenten insbesondere dadurch, dass sie nicht nur über eine Steigerung der Insulinausschüttung wirken, sondern daneben auch in andere Problemfelder eines Diabetes eingreifen. Hervorzuheben sind die Hemmung der Glukagonausschüttung (zusätzliche Blutzuckersenkung), die Gewichtssenkung bzw. Vermeidung einer Gewichtszunahme und die fehlende Gefahr einer Unterzuckerung. Sie stellen daher eine wichtige Ergänzung und interessante Alternative zu den bisher gängigen Medikamenten in der Behandlung des Typ-2-Diabetes dar.
Quelle: BD 2/2011