Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Menschen mit Bewegungseinschränkungen sind häufig aufs Autofahren angewiesen, wollen sie mobil bleiben. Häufig sind die Wege von Bus oder Bahn zum Arbeitsplatz, zum Arzt oder zum Einkaufen zu lang oder nicht barrierefrei.
In vielen Fällen ist daher eine an die individuelle Bewegungseinschränkung angepasste Umrüstung des eigenen Pkw sinnvoll. Liegt eine Schwerbehinderung vor, übernimmt der jeweils zuständige Kostenträger wie die Agentur für Arbeit (wenn weniger als 15 Jahre Beiträge zur Rentenversicherung geleistet wurden), der Rentenversicherungsträger (wenn wenigstens 15 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt wurden) oder das zuständige Integrationsamt (Beamte, Selbstständige) unter bestimmten Umständen die Kosten des Fahrzeugumbaus.
§ 33 Sozialgesetzbuch neuntes Buch (SGB IX) sieht vor, dass der jeweils zuständige Kostenträger die erforderlichen Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erbringen muss, um deren Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Zu diesen Leistungen gehört auch die sog. Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung. Zur Kraftfahrzeughilfe wiederum zählen u. a. die Beteiligung an den Kosten zur Anschaffung eines Pkw sowie die vollständige Übernahme der Kosten für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, für ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit. Auch Nichtberufstätigen können diese Kosten erstattet werden, wenn sie auf ein Auto angewiesen sind, um am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben (SGB IX, Kapitel 7). Allerdings ist es für sie oft schwieriger, ihr Recht durchzusetzen.
Von MS Betroffene, die zum Personenkreis des SGB IX gehören und ihr Auto umbauen lassen wollen, müssen dem Kostenträger vorab den Nachweis erbringen, dass die jeweilige Umrüstung sinnvoll bzw. notwendig ist. Zudem müssen sie i. d. R. einen Kostenvoranschlag für den Fahrzeugumbau und eine Reihe weiterer Unterlagen wie Kopien von Schwerbehindertenausweis, Arbeitsvertrag und Führerschein sowie die Begründung, warum sie auf den Pkw angewiesen sind, einreichen. Lehnt der Kostenträger die Übernahme der Kosten ab, kann der Antragsteller innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen. Vor dem endgültigen Bescheid der Kostenübernahme sollte der Pkw besser nicht umgerüstet werden, sonst muss u. U. der Antragsteller den Umbau bei Ablehnung selbst bezahlen.
Die erste Hürde beim Autofahren stellt für Menschen mit Bewegungseinschränkungen i. d. R. das Einsteigen dar. Zu den Hilfen, die den Einstieg erleichtern, zählen Trittstufen, Aufstehlifte, Rutschbretter und Schwenk- oder Schwenkhubsitze. Ein ausklapp- oder aufsteckbares Rutschbrett sorgt z. B. dafür, dass ein Rollstuhlfahrer selbstständig bzw. mit Hilfe vom Rollstuhl auf den Fahrer- oder Beifahrersitz rutschen kann. Um Höhenunterschiede zwischen Rollstuhl und Autositz zu überbrücken, bietet sich ein integrierter Lift an. Schwenksitze lassen sich vom Auto nach außen schwenken (manuell oder elektronisch), Schwenkhubsitze können zusätzlich gehoben oder gesenkt werden. Es gibt zudem schwenkbare Gestelle, auf denen der abnehmbare Rollstuhlsitz einrastet und ins Auto geschwenkt wird. Das Rollstuhlgestell wird anschließend im Auto verstaut. Daneben sind Rollstuhlrampen oder Rollstuhllifte erhältlich. Fährt der Rollstuhlfahrer nicht selbst, kann der Rollstuhl mit einem speziellen Fixiersystem im Auto befestigt werden, sodass ein Umsteigen vom Rollstuhl auf den Sitz entfällt.
Menschen mit MS, die selbst Autofahren, brauchen meist eine Lenkhilfe, wenn ihre eigene Muskelkraft nicht ausreicht, um das Lenkrad zu drehen. Der Einbau einer leichtgängigen Servolenkung mit gesetzlich vorgeschriebener Ausfallsicherung setzt die Kraft herab, die fürs Lenken nötig ist. Das Lenken mit nur einer Hand ermöglichen ein Drehknopf am Lenkrad, eine Lenkgabel oder ein sog. Lenkdreizack. Der Lenkdreizack verfügt über drei Griffe, in die der Arm eingelegt wird. Auch eine Linear-Hebel-Lenkung kommt u. U. für Menschen mit MS infrage. Bei dieser Art von Lenkung ersetzt ein Hebel das Lenkrad. Das Lenken erfolgt durch Vor- und Zurück- sowie Rechts-Linksbewegungen des Hebels, der – je nach Einstellung – z. B. mit der Hand, aber auch mit nur einem Finger bewegt werden kann. Auch eine Art Joystick kann als Lenkung eingesetzt werden, wenn die Muskelkraft für die Betätigung anderer Lenkhilfen nicht ausreicht. Eine Fernbedienung mit individuell zuzuordnenden Bedienelementen erleichtert zusätzlich z. B. das Blinken, die Betätigung des Scheibenwischers etc.
Auch für das Bremsen und Gasgeben sind zahlreiche Hilfsmittel erhältlich. Neben mechanischen Handbedienungen für Gas und Bremse gibt es elektronische Handbedienungen, die eingesetzt werden können, wenn die Kraft des Benutzers für die mechanischen Systeme nicht ausreicht. Sie können individuell auf die Kraft und Bewegungsfreiheit des Fahrers mit Handicap eingestellt werden. Zudem lassen sie sich an verschiedenen Orten im Pkw anbringen, sodass für fast jeden Fahrer der am besten geeignete Platz gefunden werden kann.
Rollstuhlfahrer, die allein unterwegs sind, brauchen eine Hilfe, um ihren Rollstuhl ins Auto zu laden. Wer mit einem Faltrollstuhl unterwegs ist, kann z. B. ein Verladesystem wählen, bei dem der Rollstuhl hinter dem Fahrersitz verstaut wird. Dazu muss die Tür hinterm Fahrersitz in eine automatisch öffnende Schwenktür umgerüstet werden, um sie vom Fahrersitz aus per Knopfdruck öffnen und schließen zu können. An dem zusammengefalteten Rollstuhl befestigt der Fahrer wiederum vom Fahrersitz aus das Verladesystem, das den Rollstuhl schließlich ins und später auch wieder aus dem Auto hebt. Auch in einer Dachbox lässt sich ein Verladesystem und damit der Rollstuhl unterbringen. Das ist sinnvoll, wenn alle Sitzplätze des Autos benötigt werden.
Wer keinen Faltrollstuhl, sondern einen Rollstuhl mit starrem Rahmen oder einen Elektrorollstuhl fährt, kann einen vom Fahrersitz aus zu betätigenden Rollstuhllift zur Verladung des Rollstuhls hinter dem Fahrersitz einbauen lassen. Daneben gibt es eine Reihe von Verladesystemen (z. B. eine Art Verladekran), mit denen der Rollstuhl im Kofferraum oder Heck des Fahrzeugs untergebracht wird. Nicht zu vergessen sind auch die bereits genannten Rollstuhlrampen, über die sich der Rollstuhl ins Fahrzeug fahren lässt.
Da es eine so große Vielzahl an Möglichkeiten gibt, sein Fahrzeug umzurüsten, sollte man sich vor der Auswahl für ein bestimmtes System gründlich beraten und es sich – falls möglich – „in Aktion“ zeigen lassen. Wenn man verschiedene Hilfsmittel ausprobiert, findet man am ehesten das für einen selbst am besten geeignete heraus. An manche Hilfsmittel denkt man zunächst oft auch nicht. So kann z. B. eine Standheizung im Winter sinnvoll sein, die nicht nur das Wageninnere vor der Fahrt anwärmt, sondern auch dafür sorgt, dass vereiste Scheiben abtauen.
Die Veränderungen im Fahrzeug muss übrigens der TÜV abnehmen und in den Kraftfahrzeugschein eintragen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Zulassung für den Pkw erlischt. Möglicherweise wird der TÜV auch auf einer Fahrprobe bestehen, d. h., die Person mit den Bewegungseinschränkungen muss zeigen, dass sie mit dem umgerüsteten Pkw zurechtkommt.
Quelle: BMS 3/12