Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Menschen mit MS, die durch ihre Erkrankung körperlich oder kognitiv stark beeinträchtigt sind, haben u. U. Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Dafür muss jedoch zunächst beim Versorgungsamt ein Antrag auf Schwerbehinderung gestellt werden, in dem der Antragsteller alle Gesundheitsstörungen nennt, die sein Leben beeinträchtigen. Bei der MS sind das die Grunderkrankung selbst und alle Folgeschäden. Liegen weitere gesundheitliche Probleme vor, die mit der MS nichts zu tun haben, sollten diese ebenfalls genannt werden. Außerdem muss der Antragsteller die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden, falls das Versorgungsamt weitere Fragen zum Gesundheitszustand des Antragstellers hat.
Als schwerbehindert gilt ein Mensch, wenn das Versorgungsamt bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50% feststellt. Die sog. versorgungsmedizinischen Grundsätze geben Anhaltspunkte, welcher GdB bei welcher Gesundheitsstörung i. d. R. gewährt wird. Bei einem GdB von wenigstens 50% besteht ein Anrecht auf einen Schwerbehindertenausweis, mit dem Schwerbehinderte ihren GdB jederzeit nachweisen und Nachteilsausgleiche oder andere Hilfen in Anspruch nehmen können. So erhalten Schwerbehinderte u. a. steuerliche Freibeträge, die die Mehrkosten ausgleichen sollen, die durch die Behinderung entstehen. Außerdem stehen ihnen fünf zusätzliche Urlaubstage pro Kalenderjahr zu und sie genießen einen erweiterten Kündigungsschutz, d. h., das zuständige Integrationsamt muss einer Kündigung zustimmen, sonst ist sie unwirksam.
Diese arbeitsrechtlichen Vorteile erschweren die Kündigung von Schwerbehinderten gegenüber Arbeitnehmern ohne Handicap. Manche Menschen, die einen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis hätten, beantragen ihn daher vorsorglich nicht, weil sie fürchten, diese zusätzlichen Rechte könnten ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verringern. Sie mutmaßen, dass Arbeitgeber insbesondere das erweiterte Kündigungsrecht von Schwerbehinderten bei der Einstellung als problematisch ansehen könnten. Andererseits schreibt § 71 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IX vor, dass Arbeitgeber, die wenigstens 20 Mitarbeiter haben, wenigstens 5% der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen. Ansonsten müssen sie pro unbesetztem Pflichtplatz eine sog. Ausgleichsabgabe an die Integrationsämter zahlen.
Insofern ist gut zu überlegen, ob Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einem Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis tatsächlich auf ihre gesetzlich zugesicherten Rechte verzichten wollen. Insbesondere Großunternehmen sind u. U. sogar gern bereit, weitere Schwerbehinderte einzustellen, damit sie die Beschäftigungsquote erfüllen. Vor allem öffentliche Arbeitgeber merken deshalb in ihren Stellenanzeigen manchmal an, dass sie bei gleicher Qualifikation Schwerbehinderte bei der Einstellung bevorzugen. Sollte sich der Schwerbehindertenausweis jedoch als weniger hilfreich erweisen als erwartet, lässt er sich auch wieder abgeben.
Im Alltag kann ein Schwerbehindertenausweis Vorteile mit sichbringen. So gewähren viele öffentliche Institutionen (z. B. Bibliotheken, Schwimmbäder usw.) Schwerbehinderten bei Vorlage des Ausweises Ermäßigungen. Auch bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gibt es u. U. Vorteile, jedenfalls wenn im Schwerbehindertenausweis bestimmte Merkzeichen eingetragen sind. Schwerbehinderte, deren Ausweis eines der Merkzeichen G (gehbehindert), aG (außergewöhnlich gehbehindert), H (hilflos), Bl (blind) oder Gl (gehörlos) sowie einen orangefarbenen Flächenaufdruck verzeichnet, können den öffentlichen Personennahverkehr kostengünstig bzw. kostenfrei nutzen. Völlig kostenfrei nutzen können Menschen mit den Merkzeichen H oder Bl alle öffentlichen Verkehrsmittel im Nahverkehr. Sie müssen sich vom Versorgungsblatt ein Beiblatt zum Schwerbehindertenausweis ausstellen lassen, das mit einer Wertmarke versehen wird. Alle anderen oben genannten Merkzeichen erhalten diese Wertmarke nach Zahlung von 30 Euro pro Halbjahr bzw. 60 Euro pro Jahr. Das Merkzeichen RF im Schwerbehindertenausweis bestätigt, das eine Rundfunkbeitragsermäßigung oder -befreiung erteilt wurde.
Quelle: Befund MS 2/2015