Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Das diabetische Fußsyndrom tritt oftmals nicht erst als Spätkomplikation des Diabetes auf, sondern ist bereits bei neu diagnostizierten Patienten festzustellen. Die aus den dauerhaft erhöhten Blutzuckergehalten resultierenden Beeinträchtigungen führen immer noch so häufig zum Verlust der Füße, dass Diabetes mellitus als eine der Hauptursachen für Amputationen in den westlichen Industrienationen zu betrachten ist. In Deutschland werden jährlich rund 28.000 diabetesbedingte Fußamputationen durchgeführt; weltweit erfolgt etwa alle 30 Sekunden eine Amputation bei Patienten mit Diabetes mellitus.
Die Behandlung von Patienten, die infolge eines Gefäßverschlusses an Durchblutungsstörungen sowie unzureichender Blutsauerstoffversorgung in den Beinen leiden, verfolgt als oberstes Ziel die Wiederherstellung der Versorgungsvorgänge in den betroffenen Geweben. In Abhängigkeit vom Ort und der Beschaffenheit des Gefäßverschlusses sind chirurgische Maßnahmen wie Bypass-Operation oder Gefäßdehnung häufig angewandte Verfahren. Für eine steigende Anzahl von Patienten sind derartige Eingriffe jedoch nicht geeignet.
Die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien zur Verbesserung der Blutversorgung und somit zur Verhinderung von Amputationen ist daher medizinisch von großer Bedeutung. Hierbei könnte z. B. die therapeutische Ausbildung neuer Blutgefäße über die Gabe von körpereigenen Stammzellen oder Stammzellprodukten in die Umgebung des blutarmen Gewebes eine Rolle spielen. Ob mit der Stammzelltransplantation eine Verringerung der Zahl notwendiger Amputationen, eine Verminderung des Ruheschmerzes und eine Einleitung der Wundheilung erreicht werden kann, bleibt allerdings noch zu beweisen.
Zur Blutgefäßbildung und Geweberekonstruktion wurde eine klinische Studie durchgeführt, in der Diabetes-Patienten mit chronischen Fußgeschwüren körpereigene Knochenmarkstammzellen bzw. Stammzellprodukte erhielten. Bei diesen Patienten war eine operative Wiederherstellung der Blutversorgung nicht möglich. Nachdem erste Studienteilnehmer erfolgreich mit dieser Methode behandelt und eine Abheilung der teils lange bestehenden Wunden erreicht wurde, könnte dieses Verfahren möglicherweise künftig eine neue Behandlungsform
darstellen.
Die Wundheilung ist wesentlich von Wachstumsfaktoren, Enzymen und deren Hemmstoffen abhängig. Bei chronischen Wunden und Wunden, die infolge des diabetischen Fußsyndroms entstehen, wird oftmals als charakteristisches Merkmal eine von der Norm abweichende Enzymmenge und -aktivität festgestellt. Bei örtlichen begrenzten chronischen Wunden, deren Blutversorgung noch sichergestellt ist, stellt die Behandlung mit Wachstumsfaktoren, die die Wundheilung regulieren, eine sinnvolle und wichtige Therapieform dar. Zur Wundheilungsbeschleunigung können neben einzelnen, isolierten Wachstumsfaktoren auch Wachstumsfaktorgemische – insbesondere aus Blutplättchen (Thrombozyten) – angewandt werden. Dabei finden entweder einzelne Wachstumsfaktoren aus Blutplättchen Verwendung oder aber direkt Thrombozyten-reiches Plasma. Letztgenannte Behandlung wird zur Beschleunigung der Wundheilung nach Operationen bereits seit Längerem erfolgreich durchgeführt.
In einer Anwendungsbeobachtung konnten erste Resultate in der Behandlung diabetischer Fußläsionen mit Thrombozyten-reichem Plasma erzielt werden: 30 diabetische Patienten mit chronischen Geschwüren, bei denen auch mit optimalem Wundmanagement keine Verkleinerung der Wunden erreicht werden konnte, wurden mit körpereigenem Plasmakonzentrat behandelt. Zusätzlich wurde Plasma aufgetragen, das reich an Blutgerinnungsenzymen (Thrombin) war. In allen betrachteten Fällen konnte eine Wundverkleinerung beobachtet werden und in 70 % der Fälle heilten die Wunden im Beobachtungszeitraum ab.
Großflächige, chronische und auch venöse Wunden (chronisch venöses Stauungssyndrom) werden in einem neuen Verfahren derzeit mit einer vergleichbaren Technik behandelt. Hierbei wird ein Gemisch, das aus den mit Blutplättchen angereicherten Wachstumsfaktoren und einem „Klebstoff“ der Blutgerinnung (Fibrin) besteht, auf die Wunde aufgesprüht. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass der Wirkstoff quasi als Film auf der Wunde verbleibt und somit großflächig eingesetzt werden kann. Erste Resultate aus der Anwendung dieser Methode sind vielversprechend.
Die hier geschilderten Verfahren sprechen unterschiedliche Wundsituationen an, haben aber alle das gleiche Ziel: Die Versorgung der chronischen Wunde mit Nährstoffen und Sauerstoff über die Wiederherstellung oder Verbesserung der Blutversorgung. Die chronische Wunde ist demnach nicht nur als Wunde im Ruhezustand zu verstehen, sondern sie ist wesentlich durch eine Mangelsituation gekennzeichnet.
Dr. Bernd Stratmann
Aus Befund Diabetes 1/09