Mit dem Begriff Diabetes bzw. Diabetes mellitus bezeichnet man eine Erkrankung des Stoffwechsels, die chronisch verläuft und deren Kennzeichen erhöhte Blutzuckerwerte sind. Diesen liegt eine Störung oder ein Wegfall der Insulinproduktion oder eine Insulinresistenz zugrunde.
Sehr geehrter Herr Müller, ich bin seit etwa zwei Jahren von Typ-2-Diabetes betroffen. Schon länger spiele ich mit dem Gedanken, meine Ernährung auf vegetarisch umzustellen. Was mich davon abhält, ist die Sorge, dass eine vegetarische Ernährungsweise sich möglicherweise negativ auf meine Diabeteserkrankung auswirken könnte. Man soll ja bei Diabetes sparsam mit Kohlenhydraten sein. Würde ich als Vegetarier ohne Fleisch und Fisch zu viele Kohlenhydrate und zu wenig Eiweiß zu mir nehmen? Haben Sie vielleicht Tipps für mich, wie ich meine vegetarische Ernährung gestalten könnte oder würden Sie mir ganz davon abraten? Ich freue mich auf Ihre Antwort, Maike F.
S.-D. Müller: Vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen natürlich gerne ausführlich beantworten möchte. Immer mehr Menschen möchten sich vegetarisch ernähren und wissen um die Problematik einer veganen Ernährungsweise. In Deutschland leben mindestens sechs Millionen Typ-2-Diabetiker. Übergewicht, Bewegungsmangel, Stress und erbliche Faktoren sind die Hauptrisikofaktoren für den Diabetes mellitus Typ 2. Wird rechtzeitig gehandelt, ist eine Normalisierung der Blutzuckerwerte möglich.
In jedem Fall wirkt sich eine pflanzenorientierte Ernährungsweise positiv auf die Gesundheit aus. Das trifft auch für Diabetiker zu und zwar für alle Patienten. Mehr pflanzliche Lebensmittel aufzunehmen, bedeutet, den Körper optimal mit vielen Mineralstoffen (Mengen- und Spurenelemente wie Zink, Chrom, Mangan etc.) und Vitaminen (fett- und wasserlösliche), sekundären Pflanzenstoffen (einige davon spielen eine Rolle in der Blutzuckerregulation), Ballaststoffen (sättigen und verlangsamen die Blutzuckersteigerung) sowie wertvollen ungesättigten Fettsäuren zu versorgen. Auch Kräuter und Gewürze sollten reichlich verwendet werden. Beim Salz ist zu sparen, da viele Diabetiker an Bluthochdruck leiden. Frische Kräuter sind ein Quell an Vitaminen und Mineralstoffen und in Gewürzen wie Zimt stecken sekundäre Pflanzenstoffe, die die Blutzuckerregulation optimieren.
Eine vegetarische Ernährungsweise enthält normalerweise nicht zu wenig Eiweiß (Protein), wenn Sie nicht auf Milch(produkte) und Eier verzichten. Wollen Sie eine rein pflanzliche – also vegane – Ernährungsweise einhalten, können Sie Ihren Eiweißbedarf aus Vollkorngetreide, Pilzen, Nüssen und Samen sowie natürlich Hülsenfrüchten wie Soja und daraus hergestelltem Fleischersatz decken. In geringen Mengen enthält auch Obst Eiweiß. Der Kohlenhydratgehalt ist nicht zu hoch, Typ-2-Diabetiker müssen sich nicht kohlenhydratarm ernähren. Sie sollen nur auf eine Verteilung der Kohlenhydrate achten und keine reine Kohlenhydratmahlzeit aufnehmen – Kohlenhydrate immer mit Eiweiß und Fett mischen also beispielsweise Pellkartoffeln mit Tofu und Walnusspaste oder Vollkornnudeln mit Tomatensoße und Parmesan. Zudem sollten Kohlenhydratträger gemieden werden, die wie Obstsaft, Fertigprodukte oder Weißmehlprodukte den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen lassen (also einen hohen glykämischen Index haben). Jeden Tag sollte eine Handvoll Nüsse auf dem Speiseplan stehen – auch das verbessert die Eiweißzufuhr.
Beim Fett ist eine vegetarische Ernährungsweise optimal. Veganer essen keine Butter und führen daher auch nicht die darin reichlich enthaltenen gesättigten Fettsäuren und die gefährlichen Transfettsäuren zu. Butter ist reich an Transfettsäuren. Diese sind nicht in Pflanzenölen wie Raps-, Lein- oder Walnussöl enthalten. Margarine, die es im Bioladen auch in veganer Form gibt, ist ebenfalls frei von Transfettsäuen. Eine vegetarische Ernährungsweise ist für Sie als Typ-2-Diabetiker also optimal. Sie brauchen keine Angst vor Eiweißmangel oder einer zu hohen Kohlenhydratzufuhr zu haben, wenn Sie sich über die Zusammensetzung informieren.
Beste Grüße und allzeit gute Blutzuckerwerte und viel Gesundheit wünscht Ihnen Ihr Sven-David Müller.
Quelle: Befund Diabetes 4/2015