Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
Vier Frauen, eine Krankheit: Krebs. Ihre Strategien mit der Krankheit umzugehen, waren und sind dagegen ganz unterschiedlich.
Als Brigitte Päßler vor sechs Jahren beim Einkaufen ihren Tumor in der Brust selbst bemerkte, behielt sie ihren Verdacht zunächst einmal für sich. „Ich wollte niemanden verrückt machen“, erklärt sie. Erst nach dem Arztbesuch, der ihre Vermutung bestätigte, berichtete sie ihrem Mann davon. Der begleitete sie dann auch in der Therapie, war bei fast jedem Behandlungstermin mit dabei. Mit der restlichen Familie oder Freunden sprach Brigitte Päßler kaum über die Erkrankung.
Ein Versuch, sich einer Freundin anzuvertrauen, scheiterte an deren Unverständnis. Da vermeintlich gute Freunde kein Gefühl für ihre Situation hatten, distanzierte sich die damals 58-Jährige von einigen von ihnen. Mit dieser Erfahrung ist sie nicht allein. Auch Elvira John wurde durch Aussagen einer guten Freundin, die es an jeglicher Empathie fehlen ließ, sehr verletzt. Sie betont aber auch, dass viele Freunde ihr in dieser schweren Zeit sehr geholfen haben. „Meine Freunde waren zauberhaft in dieser Zeit. Kurze Telefonate, kleine Besuche und viel Verständnis haben mich über Wasser gehalten. Ich konnte auch mit den meisten immer offen sprechen. Vor allem auch mit meinen Eltern“, betont sie. Der Rückhalt von Familie und Freunden, dass Gefühl geliebt zu werden hat ihr in dieser schweren Zeit sehr geholfen. „Sie waren einfach immer für mich da und haben auch akzeptiert, wenn ich mal keine Lust auf Besuch hatte oder kurzfristig irgendein Treffen absagen musste.“
Psychoonkologin Christina Strotmann von der Krebsberatungsstelle in Münster weiß, dass das Umfeld der Patientinnen mit der Erkrankung ganz unterschiedlich umgeht. „Oftmals schildern Klienten und Klientinnen, dass manche gute Freunde sich distanzieren. Andererseits finden sie während oder sogar durch die Erkrankung neue Freunde. In schwierigen Lebenssituationen können sich Freundschaften verändern, einige werden intensiver und andere lockern sich“, betont sie. „Es gibt Menschen, die sich relativ leicht mit einer schweren Erkrankung wie Krebs auseinandersetzen können, aber es gibt auch Menschen, denen das Thema viel Angst macht und die deshalb versuchen, es zu vermeiden“, erklärt sie die Unterschiede.
Erlebte Hilflosigkeit, erschüttertes Vertrauen in die Zukunft und Unvorhersehbarkeit auszuhalten sowie körperliches Leid und Schmerzen sind Faktoren, durch die Betroffene selbst, aber auch Angehörige besonders belastet sind.
Nach der Erfahrung mit ihrer vermeintlich guten Freundin machte Brigitte Päßler ihre Sorgen, Ängste und Fragen lieber mit sich selbst aus. Die Therapie verkraftet sie gut, möchte keine Hilfe durch einen Psychoonkologen. Heute bespricht sie ihre Gedanken mit Gleichgesinnten aus der Selbsthilfegruppe. „Hier kann ich ansprechen, was mich bedrückt“, erzählt sie. „Eigentlich dachte ich, dass ich so eine Gruppe nicht brauche“, erinnert sie sich. Daher nahm sie nur zunächst am Sportangebot teil. Heute trifft sie sich regelmäßig mit anderen Betroffenen.
Der Sport hat auch Elvira John geholfen, zurück ins Leben zu finden. Vier Jahre nach ihrer Diagnose spürte sie in diesem Jahr, dass auch die körperliche Kraft wieder zurückkehrt. „Dabei hatte ich mich schon auf einem niedrigen Energielevel eingependelt, habe angenommen, was möglich war und habe nur sporadisch Sport gemacht.“ Doch durch den Aufruf vom Verein Miteinander gegen Krebs fing sie an, regelmäßig zu joggen, um für den „Cross against cancer-Lauf“ fit zu sein. Mit der Hilfe einer Laufschule schaffte sie es, insgesamt fünf Kilometer zu bewältigen. Und ist noch immer sehr stolz darauf. Geholfen hat ihr darüber hinaus die Normalität. Nach nur neun Monaten entschloss sie sich, wieder Vollzeit zu arbeiten. Anfangs war sie damit vor allem körperlich überfordert, hat sich aber durchgebissen.
Auch Petra Haas wollte nach der Therapie so schnell wie möglich in den Alltag zurück. Nach der Therapie war ihr Zuhause für sie besonders wichtig. Eine Reha hat sie auch deshalb nicht gemacht. „Ich habe einfach so weiter gemacht, wie vorher. Die Normalität hat mir geholfen“, erinnert sie sich. Seit die Tumoren in ihrer Brust entdeckt wurden – und bei allem, was daraufhin folgte – hat ihr ihr Mann Kraft gegeben. Mit ihm gemeinsam hat sie auch entschieden, die betroffene Brust amputieren zu lassen. „Ich hatte Angst, dass sonst etwas in der Brust zurückbleibt“, berichtet sie. Bis heute hat sie ihre Entscheidung nicht bereut. „Ich habe einfach versucht, positiv zu denken.“ Daran hält Petra Haas fest. Besonders schwerfällt ihr dies vor dem nächsten Nachsorgetermin, wenn die Angst vor einem Rückfall besonders groß ist.
Diese Angst kennt auch Tanja Ibe. Als sie an Brustkrebs erkrankte, waren ihre drei Mädchen acht, neun und zehn Jahre alt. Sie selbst hat ihre Mutter mit fünf Jahren an den Krebs verloren und brach nach der Diagnose erst einmal zusammen, war sich zu diesem Zeitpunkt sicher, dass sie sterben wird. Heute, drei Jahre später, sagt sie: „Es ist das beste, was mit passieren konnte. Denn die Erkrankung hat mich aus meiner Depression herausgeholt.“ Dass sie an Depressionen litt, war der heute 47-Jährigen damals allerdings noch nicht bekannt. Die größte Hürde war für sie die Behandlung selbst. Zum Zeitpunkt der Diagnose lebte sie in Kanada, ließ sich dann aber auf eigene Kosten in Deutschland operieren.
Chemotherapie und Bestrahlung erfolgten dann in Kanada. Anders als in Deutschland werden die Patientinnen dort allerdings nicht in die Therapieentscheidung mit eingebunden – eine Besonderheit, die für Tanja Ibe schwer zu ertragen war. „Dafür hat man sich im Krankenhaus selbst liebevoll um mich gekümmert.“ Auch ihre Kinder wurden in einer besonderen Einrichtung nahe des Krankenhauses sehr gut betreut. Obwohl die Kinder noch klein waren, hat Tanja Ibe sie von Beginn an mit einbezogen, ihnen die Erkrankung und die Therapie erklärt. Auch ihr Mann sei in dieser Zeit ihr Fels in der Brandung gewesen, betont sie.
„Sowohl in der Partnerschaft als auch in der Familie und mitunter auch im Freundeskreis ist es hilfreich, die Erkrankung als gemeinsame Aufgabe zu verstehen, die gemeinsam bewältigt werden will“, bemerkt Christina Strotmann. „Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ im Umgang mit Krisen wie einer schwerwiegenden Erkrankung, sondern die jeweils individuellen Strategien der Problembewältigung sollten respektiert werden“, erklärt sie.
Für Kinder ist ein offener Umgang mit der Erkrankung hilfreich. Durch das Miteinbezogenwerden in die Erkrankung und den Behandlungsverlauf fühlen sie sich ernst genommen. Es stärkt ihr Selbstwirksamkeitserleben. Die Eltern in dieser Zeit als kompetent zu erleben im Umgang mit der Erkrankung und gleichzeitig als emotional unterstützend ist wichtig für die Krankheitsbewältigung.
Unterstützung durch nahestehende Personen bzw. soziale Unterstützung allgemein gilt als ein Faktor, der Resilienz fördert, im Sinne von Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit, Krisen zu bewältigen. Das soziale Umfeld, Familie, Freunde, Kollegen können durch offene Gesprächsangebote und manchmal durch ganz praktische Hilfe viel für die Betroffenen tun. Durch emotionale Bindung und Verlässlichkeit stärken sie das Gefühl von Sicherheit. Bei wichtigen Entscheidungen können sie auch Ratgeber sein.
Quelle: Leben? Leben! 4/2016