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Krebs allgemein

Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.

Krebs allgemein
© iStock - koto_feja

Geheilt vom Krebs – und jetzt?

Langzeitüberlebende sehen sich mit vielen Problemen konfrontiert

Den Krebs besiegt – und jetzt? Eine Frage, die sich viele Überlebende stellen. In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen, die an Krebs erkrankt sind oder die ihren Tumor bereits besiegt haben. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Langzeitüberlebende. Ihre Diagnose liegt bereits fünf Jahre oder sogar noch länger zurück. Doch während die Behandlungen immer besser, immer differenzierter und individueller werden, sind Lösungen für die sozialen, gesellschaftlichen, persönlichen und finanziellen Probleme Langzeitüberlebender häufig nur schwer zu finden.

Der Weg zurück in den Alltag ist für Betroffene nicht leicht. Sie sehen sich mit persönlichen Herausforderungen konfrontiert, die gemeistert werden wollen. Nach einer stark strukturierten Behandlungsphase müssen sie wieder im Leben, auch im Arbeitsleben, ankommen. Der Alltag verändert sich unter Umständen nachhaltig, abhängig von den jeweiligen gesundheitlichen und psychischen Folgen der Erkrankung und der damit verbundenen Notwendigkeit weiterer Behandlungen. Auch Jahre nach der Therapie – oder als Folge andauernder Therapien oder Maßnahmen zur Gesunderhaltung – können gesundheitliche Probleme die Leistungsfähigkeit und damit die Lebensqualität einschränken.

Teilhabe am Leben ist nicht immer einfach

Die Ungewissheit, welche Langzeitfolgen auftreten, verunsichert die Betroffenen. „Krebs hat viele Gesichter. Für viele tritt die Krankheit nach und nach in den Hintergrund. Es gibt aber auch Überlebende, die täglich mit den Folgen ihrer Krankheit konfrontiert werden“, sagt Uta-Maria Weißleder, Stellvertretende Vorsitzende des Vereins Leben nach Krebs! e. V. – Interessenvertretung und Selbsthilfe für Krebsüberlebende im erwerbsfähigen Alter. Erhöhte Infektanfälligkeit, Immunschwäche und Fatigue sind nur einige Beispiele, die den Alltag und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren können. Aufgrund der eingeschränkten Leistungsfähigkeit muss der Tagesablauf angepasst werden – und nicht immer hat das Umfeld Verständnis dafür. „Z. B. Fatigue macht das Leben zum Teil unplanbar, alles muss flexibel gehandhabt werden. Betroffene müssen oft lange um Verständnis bei ihren Mitmenschen ringen“, betont Uta-Maria Weißleder. Auch die Bewältigung von kleinen Alltagsaufgaben, wie Einkaufen oder Freunde treffen, kann dadurch bereits eingeschränkt sein.

Langzeitüberlebende fühlen sich mit diesen Problemen häufig allein gelassen. „Die Langzeitbegleitung Krebsbetroffener ist nicht zufriedenstellend geregelt. Auch Unterstützungsangebote für Krebsbetroffene nach der Erkrankungsphase sind nur wenig verbreitet“, berichtet Uta-Maria Weißleder von ihren Erfahrungen. So kommt es, dass Betroffene zu wenig Informationen haben, um ihre Rechte überzeugend vertreten zu können, etwa gegenüber dem Arbeitgeber. „Unsere leistungsorientierte Gesellschaft hat wenig Flexibilität für leistungsangepasste individuelle Arbeitsmodelle“, sagt Uta-Maria Weißleder. „Flexible Arbeitsmodelle sind noch zu wenig verbreitet. Für Langzeitüberlebende kommt erschwerend hinzu, dass sie sich den Vorurteilen der Arbeitgeber in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit ausgesetzt sehen.“ Nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Vorgesetzte oder Kollegen haben häufig große Zweifel, dass Krebsüberlebende dauerhaft ihre vormalige Leistung wieder erbringen können.

Über eigene Rechte informieren

Für Überlebende ist es deshalb besonders wichtig, dass sie ihre Rechte kennen. Nur dann sind sie dazu in der Lage, Unterstützungsmaßnahmen, die ihnen zur Verfügung stehen, auch abzurufen. So stehen ihnen unter anderem Integrationsfachdienste, bei anerkannter Schwerbehinderung, oder die Rentenversicherung als Ansprechpartner zur Verfügung, die z. B. über die Rechte gegenüber dem Arbeitgeber informieren. So ist der Arbeitgeber z. B. grundsätzlich zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet. So steht es im Sozialgesetzbuch (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Nicht immer wird dies betroffenen Beschäftigten auch angeboten. Doch auch nach einer Eingliederung können Probleme auftreten. Etwa dann, wenn sich die Belastbarkeit wieder verschlechtert oder Langzeitüberlebende aufgrund von begleitenden Behandlungen und weiteren notwendigen Eingriffen erneut am Arbeitsplatz fehlen.

„Wichtig ist, dass Betroffene akzeptieren, dass ihre Belastbarkeit schwanken kann. Grenzen erkennen, ist für viele schwierig, die es gewohnt waren, zu leisten und regelmäßig über diese Grenze gegangen sind. Verhaltensänderungen brauchen Zeit“, gibt Uta-Maria Weißleder zu bedenken. Überlebende müssen erst lernen, um Hilfe zu bitten und erkennen, wo Unterstützung überhaupt möglich ist. „Hierbei helfen Therapeuten, Coaches, das soziale Umfeld oder Integrationsfachdienste (bei anerkannter Schwerbehinderung), die Betroffene auch am Arbeitsplatz begleiten können“, sagt Uta-Maria Weißleder.

Muss das Arbeitspensum reduziert werden, oder machen die gesundheitlichen Einschränkungen Langzeitüberlebenden das Arbeiten unmöglich, sehen sich Betroffene häufig finanziellen Einbußen gegenüber, die nicht immer zu kompensieren sind. „Armut und Krebs ist ein großes Thema“, weiß auch Uta-Maria Weißleder. Die finanziellen Einbußen in der Krankheitsphase durch den Bezug von Krankengeld setzen sich fort. Erwerbsminderungsrenten, die häufig zunächst für einen befristeten Zeitraum beantragt werden, liegen im Schnitt bei unter 700 Euro im Monat, bei jungen Erwachsenen noch weit darunter. „So kann es vorkommen, dass junge Betroffene die ihnen verbliebene Selbstständigkeit aufgeben müssen und aus finanziellen Gründen zurück zu ihren Eltern ziehen. Sie werden in dieser Hinsicht wieder unselbstständiger“, bemerkt Uta-Maria Weißleder.

Zukunftspläne neu gestalten

Nicht selten müssen Überlebende ihre Zukunft also völlig neu planen und deshalb auch erst wieder Vertrauen in das eigene Leben zurückgewinnen. Von lang gehegten Wünschen, wie etwa einem eigenen Kind, müssen sich Frauen nach einer Chemotherapie häufig verabschieden. Hinzu kommt die meist allgegenwärtige Angst vor einem Rezidiv. Gezielte Übungen, z. B. aus der Traumatherapie, können helfen, mit dieser Angst umzugehen.

Der Austausch mit Betroffenen, therapeutische und psychoonkologische Unterstützung verbessern ebenfalls die Lebensqualität Langzeitüberlebender. Wichtig ist, sich hier so viel Unterstützung zu suchen, wie nötig. Je größer die Gruppe der Unterstützer ist, auf die Krebspatientinnen zurückgreifen können, um so eher profitieren sie davon. Mithilfe von sogenannten Mind-Body-Techniken, wie etwa Tai-Chi, Meditation oder Qigong können Betroffene lernen, ihre Ressourcen zu erhalten und zu erneuern. Das Schreiben eines Tagebuchs oder kreative Tätigkeiten können helfen, eigene Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

Nicht nur der Verein Leben nach Krebs! befasst sich mit den Problemen Langzeitüberlebender. Auch andere Vereine haben sich gegründet, um die Lebensqualität nach überstandener Erkrankung zu verbessern. Und auch das Gesundheitssystem hat, zumindest teilweise, die Versorgungslücke erkannt. Seit rund zweieinhalb Jahren befasst sich die AG Cancer Survivorship des Deutschen Krebsforschungszentrums mit dem Thema. Auch der German Cancer Survivors Day (veranstaltet von der Deutschen Krebsstiftung) will die Hürden aufzeigen, denen sich Langzeitüberlebende gegenübersehen, und Lösungen erarbeiten. Hier geht es weniger um medizinische, sondern mehr um lebenspraktische Themen, Betroffene, die sich austauschen, die berichten, wie sie die Krankheit erlebt und bewältigt, was sie daraus gelernt haben – und, die gleichzeitig das Thema Krebs enttabuisieren wollen. Denn noch immer ist es gerade die Tabuisierung der Krankheit, die damit verbundene Stigmatisierung, die Langzeitüberlebenden einen entspannten Umgang mit dem Thema Krebs erschwert. Keine Aufgabe für Mediziner, Psychoonkologen, Integrationsdienste – eine Aufgabe für die Gesellschaft.

Quelle: Leben? Leben! 4/2018

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