Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
Anerkannte Standardverfahren sind z. B. die operative Therapie, die Strahlentherapie und begleitende Therapien, z. B. Chemo- oder Hormontherapie bzw. Antihormontherapie. Bei der Erstellung des individuellen Therapiekonzepts dient die sog. Stufe-3-Leitlinie (S3-Leitlinie) als Grundlage und wird durch die Therapieempfehlungen der Organkommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie AGO ergänzt. Diese nationale Leitlinie soll eine bestmögliche Behandlung gewährleisten. Sie gibt Auskunft über geeignete Diagnose- und Präventionsverfahren, Therapie und Nachsorge. Die Leitlinie wird regelmäßig aktualisiert.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Erhaltung der weiblichen Brust als die anzustrebende Standardbehandlung etabliert. Auch heute gibt es immer wieder Patientinnen, bei denen eine komplette Entfernung der Brust ratsam ist, aber hier gibt es Verfahren, die Brust entweder sofort oder auch zu einem späteren Zeitpunkt den Wünschen und Anforderungen der betroffenen Patientin entsprechend wiederherzustellen. All diese Veränderungen sollten schon im Rahmen der Erstbehandlung angesprochen werden. Es ist sehr wichtig festzuhalten, dass eine Brustkrebsoperation in den wenigsten Fällen eine Notfalloperation darstellt. Nehmen Sie sich Zeit, informieren Sie sich und fragen Sie nach der Möglichkeit, ggf. noch eine zweite Meinung einzuholen.
Heute wissen wir, dass bei Anwendung der guten Früherkennung mehr als 60 % aller betroffenen Frauen erfreulicherweise keinen Befall der Lymphknoten haben. Daher hat sich die Technik zum Nachweis des Wächter-Lymphknotens und dessen Entfernung durchgesetzt. Das bedeutet, dass die komplette operative Entfernung der Lymphknoten nur dann erfolgt, wenn mehr als zwei dieser speziellen Lymphknoten befallen sind. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass im Vorfeld der Operation keine tastbar vergrößerten Lymphknoten erkannt werden.
Um die Rate der brusterhaltenden Operationen zu erhöhen und insgesamt die Prognose der Patientinnen zu verbessert hat sich die präoperative oder neoadjuvante Systemtherapie in vielen Fällen etabliert. Es gilt also vor der Operation zu prüfen, ob im Behandlungskonzept möglicherweise eine Chemotherapie mit oder ohne Antikörpertherapie vorgesehen ist. Dann sollte diese Therapie möglichst vor der Operation durchgeführt werden. Nur so kann die Effektivität der Therapie durch die Verkleinerung des Tumors beurteilt werden. Die Therapiedauer beträgt üblicherweise sechs Monate. Das operative Vorgehen bleibt davon unbenommen.
Neben der Operation und der Bestrahlung ist die sog. unterstützende, auch adjuvante Therapie genannt, ein unverzichtbarer Bestandteil der Behandlung geworden. Operation und Bestrahlung kontrollieren die Erkrankung der weiblichen Brustdrüse lokal, also vor Ort. Sie haben wenig Einfluss auf die evtl. Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) in den Organen. Dazu bedient man sich verschiedener Medikamente, die in die Blutbahn gelangen und somit den gesamten Körper erreichen. Hierbei spielt die antihormonelle Therapie eine entscheidende Rolle. Bei der Entscheidung, ob eine Chemotherapie oder eine alleinige antihormonelle Therapie für die einzelne Erkrankte sinnvoll sein kann, ist in der S-3 Leitlinie oder den Therapieempfehlungen der Organkommission Mamma der AGO zu entnehmen. In Zweifelsfällen stehen seit einiger Zeit sog. Gen-Tests zur Verfügung, die bei der Entscheidung hilfreich sein könne. Leider werden die Kosten nur in wenigen Fällen von den Krankenkassen getragen. Hierbei werden bestimmte Tumoreigenschaften untersucht und das sog. Rückfallrisiko kann somit ermittelt werden. Diese Verfahren können hilfreiche Informationen bieten, die dann bei der Therapieauswahl mit genutzt werden können. Für eine generelle Empfehlung dieser neuen Verfahren müssen die Resultate klinischer Studien allerdings noch abgewartet werden.
Wenn eine Therapie von Betroffenen oft auf keinen Fall gewünscht ist, so ist es die Chemotherapie. Übelkeit und Erbrechen, aber auch der zeitweilige Verlust der Kopfbehaarung sind akute Nebenwirkungen, die jedermann sofort einfallen. Dazu muss man wissen, dass diese Nebenwirkungen, bis auf den Verlust der Kopfbehaarung, heute so gut wie nicht mehr oder nur in einem sehr reduzierten Ausmaß auftreten. Der eigentliche Grund für die Entscheidung zur Chemotherapie liegt in den meisten Fällen in einem erhöhten Rückfallrisiko – das können große Tumoren sein oder eine Vielzahl von befallenen Lymphknoten, bei kleineren Tumoren das Fehlen von Hormonrezeptoren oder eine Häufung von negativen Prognosefaktoren. Ziel der verschiedenen Substanzen der Chemotherapie ist es, die bösartigen Tumorzellen derart zu schädigen, dass sie absterben – das können auch Zellen sein, die sich in der Blutbahn befinden und zu einem viel späteren Zeitpunkt dann die Grundlage für Fernabsiedlungen, sog. Metastasen, sein können. Die Chemotherapie wird mehrheitlich ambulant durchgeführt und erfolgt sechs- bis achtmal im Abstand von 21 bis 28 Tagen. Wenn wir heute schon sehr früh die Gewissheit erlangen, dass eine Chemotherapie nach der Operation erforderlich sein kann, dann macht es Sinn, sich Gedanken zu machen, ob die Chemotherapie auch schon vor einer Operation eingesetzt werden könnte. Mehr als 60 % der Brustkrebserkrankungen werden unter der Chemotherapie kleiner und ca. 20 % der Karzinome können mit dieser Maßnahme komplett zur Rückbildung gebracht werden. In allen Fällen muss man heute dennoch die geplante Operation durchführen.
Heute stehen Antikörper zur Verfügung, die bereits in Kombination mit einer Chemotherapie direkt im Anschluss an die Operation verabreicht werden können. Aber auch in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung sind diese Wirkstoffe vielversprechend einzusetzen. Die Nebenwirkungen sind moderat und die Substanzen sind gut verträglich. In Ergänzung hierzu gibt es zahlreiche andere Substanzen, sog. Small Molecules, deren gemeinsames Ziel darin liegt, spezielle Eigenschaften einer Tumorzelle zu erkennen und sich dort an die Tumorzelle zu binden, was wiederum zu einer verkürzten Lebensdauer der Tumorzelle führen wird.
Im Zeitalter der Brusterhaltung ist die Bestrahlung zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Therapie geworden. In allen Fällen der Organerhaltung muss die erhaltene Brust nachbestrahlt werden. Diese Bestrahlung erfolgt über einen Zeitraum von sechs Wochen, zumeist täglich, für einen kurzen Moment. Derzeit werden Methoden entwickelt, die als intraoperative Strahlentherapie (IORT) während der Operation eingesetzt werden. Insbesondere die Boost-Bestrahlung des Tumorbetts (ein- oder mehrmalige Bestrahlung des Tumorbetts mit einer erhöhten Strahlendosis) ist hierfür besonders geeignet. Diese Verfahren sind allerdings noch in der Erprobungsphase und sollten im Hinblick auf ihre Langzeitsicherheit nur in erfahrenen Zentren durchgeführt werden.
Die moderne klinische Forschung versetzt uns heute in die Lage, nicht mehr von dem einen Brustkrebs zu sprechen, sondern vielmehr zu erkennen, dass mithilfe einer kleinen Gewebeprobe heute schon alle spezifischen Informationen über den Tumor in wenigen Tagen vorliegen, die für die individuelle Therapieplanung wichtig sind. Auch die Auswahl der Substanzen, die für die Chemotherapie, die antihormonelle Therapie und die Antikörpertherapie infrage kommen, lässt sich mehrheitlich vor der Operation erkennen. In zweifelhaften Fällen, wo im Einzelfall zwischen dem Einsatz einer Chemotherapie und einer alleinigen Antihormontherapie entschieden werden muss, kann mit zusätzlichen Testverfahren die individuelle Risikosituation einer Patientin errechnet werden. Die Entscheidung zur Auswahl der richtigen Therapie obliegt dann dem interdisziplinären Team in Absprache mit der Patientin und ihrer Familie. In allen Fällen muss anschließend die geplante Operation durchgeführt werden.
Um ein Brustzentrum zu sein, benötigen die Kliniken zahlreiche Voraussetzungen und Geräte, um die Behandlung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft anzubieten. Die jeweiligen Operateure und Diagnostiker durchlaufen ein spezielles Training. Sämtliche Therapieentscheidungen werden in Konferenzen besprochen, an denen alle beteiligten Disziplinen teilnehmen. Somit ist sichergestellt, dass Behandlung und Beratung auf höchstem Niveau erfolgt. Achten Sie daher bei der Auswahl Ihrer Klinik darauf, ob es sich um ein Zertifiziertes Brustzentrum mit der Empfehlung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) handelt. Für die Behandlung von Brustkrebs gibt es heute verbindliche Therapieempfehlungen, die in der S3-Leitlinie zur Erkennung und Behandlung von Brustkrebs festgehalten sind.
Die Behandlungsqualität ist in Deutschland flächendeckend als sehr gut anzusehen. Dennoch gibt es gelegentlich verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zu besprechen. Auch wenn die Beratungs- und Behandlungsqualität in den zertifizierten Brustkrebszentren sehr gut ist, kann gelegentlich das Einholen einer qualifizierten Zweitmeinung hilfreich sein und dazu beitragen, Unklarheiten zu vermeiden. Diese Chance sollten die Patientinnen bei Bedarf durchaus nutzen.
Prof. Dr. med. Christian Jackisch
Offenbach
Quelle: Ratgeber Brustkrebs 2017