Unter dem Begriff Brustkrebs, auch Mammakarzinom (lat. Mamma = Brust) genannt, versteht man bösartige Tumoren (Geschwulsterkrankungen) der Brustdrüse.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Brustkrebsbehandlung weiter entwickelt und vor allem individualisiert. Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes, berichtet über die Entwicklung der Krebstherapien und künftige Herausforderungen.
Nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts und der Gesellschaft der Epidemiologischen Krebsregister in Deutschland sind im Jahr 2012 knapp 70.000 Frauen und gut 600 Männer in Deutschland neu an Brustkrebs erkrankt. Diese Zahlen liegen etwas über denen von vor zehn Jahren. Nach ersten Schätzungen ist die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland im Jahr 2016 bei Frauen wieder leicht zurückgegangen. Bei den Männern gab es im letzten Jahr einen leichten Anstieg. Insgesamt haben sich die Überlebenschancen verbessert: Es versterben prozentual weniger Patientinnen und Patienten an ihrer Brustkrebserkrankung als noch vor zehn Jahren. Experten führen dies hauptsächlich auf verbesserte Behandlungsmöglichkeiten zurück. Inwiefern die Früherkennung die Brustkrebs-Sterblichkeit noch weiter senken kann, muss aus Sicht der Experten noch abgewartet werden.
Das wichtigste Standbein der Therapie von Frauen, die erstmalig an Brustkrebs erkranken, ist nach wie vor die operative Entfernung des Tumors. Bei einer wachsenden Zahl von Patientinnen kann die Brust dabei weitgehend erhalten werden. Bei manchen wird allerdings weiterhin empfohlen, die ganze Brust zu entfernen. Insbesondere die brusterhaltende Operation wird dann durch eine sog. adjuvante, also unterstützende, Strahlentherapie ergänzt. Abhängig von der Erkrankungssituation und den vorliegenden Risikofaktoren können auch noch medikamentöse Therapien hinzukommen, die sich nach den biologischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors richten. So erhalten etwa Frauen mit hormonsensiblem Brustkrebs i. d. R. eine antihormonelle Therapie. Frauen mit nicht hormonsensiblem Brustkrebs wird häufig eine Chemotherapie angeboten. Brustkrebs, der zusätzlich den Rezeptor HER2/neu vermehrt auf der Oberfläche trägt, kann außerdem mit einer Therapie behandelt werden, die gezielt gegen diesen Rezeptor gerichtet ist. Solche Medikamente können auch schon vor der Operation eingesetzt werden. Dieses Vorgehen bezeichnet man als neoadjuvant.
In fortgeschrittenen Erkrankungssituationen, in denen mit einer vollständigen Heilung nicht zu rechnen ist, tritt die örtliche Therapie mit Operation und Bestrahlung in den Hintergrund. Der Schwerpunkt liegt dann auf der medikamentösen Behandlung, die alle im Körper vorhandenen Tumorherde zurückdrängen soll. Hier ist es besonders wichtig, dass eine möglichst gute Lebensqualität der Patientin erhalten bleibt.
Die „konventionellen“ Krebstherapien wie Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie sind zur Brustkrebsbehandlung schon seit Jahrzehnten etabliert. In diesem Zeitraum wurden diese Behandlungsverfahren kontinuierlich verbessert. Weitere medikamentöse Therapien kamen im Verlauf der Zeit hinzu. Ein wichtiger Meilenstein der antihormonellen Therapie bei hormonempfindlichem Brustkrebs war die Zulassung von Tamoxifen. Sie erfolgte im Jahr 1977 in den USA und im Jahr 1985 in Europa.
Der gegen HER2 gerichtete Antikörper Trastuzumab wurde im Jahr 1998 in den USA und in Europa zwei Jahre später zugelassen. Dadurch hat sich die Prognose von Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs deutlich verbessert. Seitdem werden auch die antihormonelle und die zielgerichtete Therapie bei Brustkrebs ständig weiter optimiert. Beispiele sind in diesem Zusammenhang Aromatasehemmer, die inzwischen in der dritten Generation vorliegen, sog. Antiöstrogene, aber auch neue zielgerichtete Wirkstoffe wie der mTOR-Hemmer Everolimus oder Cdk4/6-Hemmer. Auch zur gegen HER2 gerichteten Therapie gibt es neue Medikamente. Dabei gilt, dass neue Wirkstoffe i. d. R. zunächst zur Behandlung von Patientinnen in der fortgeschrittenen Erkrankungssituation im Rahmen klinischer Studien erprobt und dann zugelassen werden.
Grundsätzlich ist es das langfristige Ziel, jeder Patientin eine Therapie anbieten zu können, von der diese mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit profitieren wird, und umgekehrt Therapien zu vermeiden, die sehr wahrscheinlich nur eine zusätzliche Belastung für die Patientin sein würden. Klinischen Studien zur Krebstherapie werden immer mit dem Ziel durchgeführt, ein neues Behandlungsverfahren oder Medikament dahingehend zu testen, ob es entweder das Überleben verlängern kann bzw. in bestimmten Situationen die Heilungschancen erhöht. Dabei sollte die Methode möglichst sicher und gut verträglich sein, sodass die Lebensqualität der Patientinnen möglichst wenig beeinträchtigt wird.
Wird Brustkrebs in einem frühen Stadium erkannt, ist die Prognose für viele Patientinnen bereits jetzt schon sehr gut. Trotzdem wird nach wie vor daran gearbeitet, die Brustkrebstherapie in allen Bereichen zu verbessern. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit der Therapie als auch im Hinblick auf ihre Verträglichkeit. In diesem Zusammenhang kann man auch die Vermeidung von Übertherapien nennen, die in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist. Um dies zu erreichen, werden derzeit neue diagnostische Verfahren entwickelt, um Patientinnen mit wenig aggressiven Formen von Brustkrebs zu identifizieren: Sie sollen keine belastenden Therapien erhalten, von denen sie keinen Nutzen haben. Ein anderes Forschungsgebiet liegt in der Behandlung von Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung. Im Gegensatz zum frühen Brustkrebs gelingt es in der metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Situation bisher deutlich seltener, die Erkrankung dauerhaft unter Kontrolle zu bekommen. Deshalb versuchen Ärzte und Wissenschaftler auf der einen Seite, neue Behandlungsansätze für diese Situation zu finden. Auf der anderen Seite soll aber auch die Früherkennung weiter verbessert werden, damit Brustkrebs in möglichst frühen Stadien entdeckt wird. Dies sind aber nur einige Beispiele für Forschungsfelder zu Brustkrebs. Allein in Deutschland nehmen zzt. über 100 Studien Brustkrebspatientinnen auf, die in einer internationalen Studiendatenbank registriert sind.
Aufbauend auf Erkenntnissen zu den Eigenschaften von Brustkrebs gibt es sehr viele neue Therapieansätze, die grundsätzlich das Potenzial haben, die Prognose der Patientinnen zu bessern. Brustkrebs ist eine Krebsart, die in den allermeisten Fällen multimodal behandelt wird. D. h., die Brustkrebsbehandlung setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen, die alle zum Behandlungserfolg beitragen. Es ist deshalb schwierig, einzelne neue Wirkstoffe oder neue Techniken herauszugreifen. Man muss auch berücksichtigen, dass Brustkrebs keine einheitliche Erkrankung ist – viele neue Substanzen werden speziell im Hinblick auf eine bestimmte Brustkrebs-Unterform entwickelt oder untersucht. Beispielsweise wird zzt. die Immuntherapie mit den sog. Immun-Checkpoint-Hemmern vor allem zur Behandlung von Patientinnen mit sog. triple-negativem Brustkrebs erforscht, der nicht hormonsensibel und auch nicht HER2-positiv ist. Zur Behandlung von Patientinnen mit hormonsensiblem Brustkrebs wurden und werden dagegen in den letzten Jahren häufig neue Kombinationen aus antihormonellen und zielgerichteten Medikamenten erprobt. Insgesamt geht der Trend in der Onkologie dahin, Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Krebserkrankungen besser zu verstehen – auch auf der molekularen Ebene.
Quelle: Leben? Leben! 1/2017