Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.
Dr. Jutta Hübner vom Universitätsklinikum Frankfurt gibt im Interview Antworten zur Wirksamkeit der Misteltherapie, zu möglichen Nebenwirkungen und schädlichen Einflüssen auf andere Krebstherapien. Eine Mitarbeiterin der Deutschen Krebsgesellschaft sprach mit ihr über diese Therapieoption.
Die Misteltherapie kommt aus der antroposophischen Medizin und ist zu einer Zeit entwickelt worden, als die heutigen Behandlungsmöglichkeiten für Tumorpatienten noch nicht vorhanden waren. Die damalige Idee war, den Patienten etwas zu geben, was so ähnlich ist wie die Erkrankung selbst, daran sollten die körpereigenen Abwehrkräfte sozusagen trainiert und geübt werden, um dann den Krebs zu besiegen. Dann hat man in die Natur – oder Herr Steiner hat in die Natur geguckt und die Mistel als Parasit auf Bäumen entdeckt. Das ist natürlich Historie, entspricht überhaupt nicht mehr unserer heutigen Vorstellungsweise von Krebsentstehung und Krebstherapie. Man hat dann im Laufe der Zeit gemerkt, dass die Mistel einmal Giftstoffe enthält, die tatsächlich im Reagenzglas Tumorzellen abtöten können, die sind aber so giftig, dass wir sie gar nicht am Menschen einsetzen können. Und man hat gemerkt, dass sie Immunzellen stimuliert und zwar sehr unspezifisch und da setzt im Moment die Überlegung und die Forschung an, ob das einen Effekt im Tumorgeschehen hat.
Das ist ein hochumstrittenes Thema, es gibt eine Vielzahl an Studien, ich glaube, Mistel ist mit eines der Themen, zu dem schon am meisten Studien gemacht worden sind. Je nachdem aus welchem Blickwinkel man auf das Studienergebnis kommt sagen die einen, dass ist ein Beleg, die Mistel wirkt und man sollte sie anwenden, und eher kritische Geister sagen, dass reicht uns nicht, dass ist alles sehr schwammig und da wissen wir nicht genug und sind deshalb eher kontra Misteltherapie.
Ich glaube, man kann im Moment ganz klar sagen, so wie sie derzeit meistens angewendet wird, hat sie wahrscheinlich keine direkte Wirkung gegen den Krebs. Es gibt Hinweise, dass sie die Lebensqualität verbessern kann. Wenn man die Misteltherapie machen will, muss man überlegen, gibt es Kontraindikationen, gibt es also eine Erkrankungssituation, wo ich das nicht machen sollte, und das sind für mich ganz klar die Leukämie und Lymphome, Tumorerkrankungen des Immunsystems, da gebe ich keine Immunstimulanz. Das sind Patienten mit schwereren Allergien, weil auch diese schlimmer werden könnten, das sind Patienten mit Autoimmunerkrankungen, wo das Immunsystem sich also gegen körpereigene Organe wendet, das ist auch noch in manchen anderen Tumorsituationen, wenn ein Patient z. B. Medikamente bekommt, auf die man allergisch reagieren kann. Denn dann könnte sich das Risiko erhöhen, dass der Patient auf sein für ihn wichtiges Medikament reagiert.
Ja, ich glaube, das ist immer eine ganz wichtige Botschaft, die Patienten sollten den Mut haben und ich glaube, die meisten onkologischen Kollegen sind mittlerweile auch dem Gespräch gegenüber offen, bitte nicht nur den Hausarzt sondern auch den Onkologen informieren, bevor man mit komplementären Methoden beginnt.
Schwerwiegende Nebenwirkungen sind extrem selten nach allem, was wir wissen. Es können leichte Hautrötungen auftreten und die Patienten können einen leichten Temperaturanstieg haben, aber kein Fieber. Ganz selten gibt es Allergien, dann muss man aufhören.
Quelle: Leben? Leben! 4/2011