Krebs ist eine vielschichtige Krankheit. Man versteht darunter jede Veränderung eines Gewebes, bei der die Zellen sozusagen ihre Differenzierung verlieren und daher autonom, also selbstständig wachsen können.
Als orale Mukositis bezeichnet man eine Entzündung der Mundschleimhaut und des Rachens. Betroffen sein können Bereiche der Wange, des Zahnfleisches, der Zunge, des harten und weichen Gaumens und des Schlundes. Belastend ist diese Entzündung vor allem bei der Nahrungsaufnahme. Eine ausgeprägte Form kann auch Schmerzen bereiten.
Häufig sind Tumorpatienten von einer oralen Mukositis betroffen. Diese kann sowohl durch die Behandlung als auch durch patientenspezifische Ursachen entstehen.
Als Ursachen kommen zum einen die Durchführung einer Bestrahlung im Gebiet der Kopf-Hals-Region infrage. Zum zweiten gibt es aber auch eine Reihe von Chemotherapeutika, die für die Ausbildung von Schleimhautentzündungen auch im Mundrachenraum verantwortlich sein können. Insbesondere die Gruppe der Fluoropyrimidine führt häufig zu derartigen Beschwerden. Für 5-Fluorouracil wird bei ansonsten guter Verträglichkeit die Schleimhautnebenwirkung als die dosislimitierende Komponente angesehen. Auch von den häufig verwendeten Taxanen sind Mukositis-Reaktionen berichtet worden.
Andere ältere chemotherapeutische Substanzen wie die Vincaalkaloide zeigen in der Kombination mit energiereicher Strahlung ein erhebliches Potenzial zur Schädigung der Mundschleimhaut. Auch bei zeitversetzter Anwendung muss man an diese Gefahr denken, da das sog. Recall-Phänomen zu Reaktionen auch im Mundrachen führen kann. Hiervon abzugrenzen sind wiederum jene Patienten, die beabsichtigt eine simultane Radiochemotherapie des Kopf-Hals-Tumors appliziert bekommen. Auch bei ihnen tritt die Mukositis häufiger und heftiger auf als im Rahmen einer alleinigen Strahlentherapie.
Tumorpatienten haben i. d. R. ein geschwächtes Immunsystem. Gerade im Mundbereich haben wir es mit einer ganzen Reihe von Keimen aus unserer Umwelt zu tun. Funktioniert hier die körpereigene Abwehr nicht vollständig, so kommt es zu Entzündungsreaktionen wie einer Mukositis. Auch andere Entzündungen vor Ort, z.B. ein desolater Zahnstatus sind eine häufige Ursache für Veränderungen im Sinne einer Mukositis.
Leitsymptom ist der Schmerz beim Schlucken von Speichel oder Nahrung. Bei der Nahrungsaufnahme tritt oftmals ein Brennen hinzu. Veränderungen des Schmeckvermögens können auftreten. Wird der Mund ausgeleuchtet, zeigt sich eine geringe bis mittlere Mukositis durch eine gerötete Schleimhaut. Besonders ausgeprägt (und chronisch) ist die Mukositis, wenn bereits weißliche Beläge aus Fibrin (Ausschwitzungen) vorhanden sind. Stärkste Formen der Mukositis sind mit blutigen Läsionen der Schleimhaut verbunden.
Die amerikanische Vereinigung der Strahlentherapueten (ASTRO) hat eine Stadieneinteilung der Mukositis aufgestellt, die heute weltweit zur Klassifikation sowohl in Klinik als auch Wissenschaft genutzt wird.
0 Keine Reaktion der Mundschleimhaut
1 Leichte Rötung der Mundschleimhaut, leichter Schmerz möglich
2 Fleckförmige Veränderungen der Mundschleimhaut mit einzelnen Belägen, mäßige Schmerzen
3 Zusammenfließende Beläge, starke Schmerzen
4 Blutungen auf dem Boden stark ausgeprägter Beläge, Absterben von Schleimhautgewebe
RTOG – Gruppe nordamerikanischer Strahlentherapeuten
Die Behandlung einer oralen Mukositis fängt bereits mit vorbeugenden Maßnahmen an. Insbesondere bei Durchführung von Tumortherapien, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Ausbildung einer Mukositis erwarten lassen, muss unbedingt für eine ausreichende Mundspülung mit Wasser oder verschiedenen Teesorten gesorgt werden. Es eignen sich besonders Salbei- oder auch Pfefferminztee. Beide haben neben der Spülung auch einen entzündungshemmenden Effekt. Auch vom Kamillentee ist dieser bekannt, aber Kamille kann Schleimhäute zusätzlich austrocknen, was von manchen Bestrahlungspatienten als Belastung empfunden wird. Insgesamt sollten Mundspülungen vier- bis sechsmal täglich vorgenommen werden.
Ist eine Mukositis entstanden, so sollten die Teespülungen unbedingt fortgesetzt werden. Hinzu kommen dann Mundspülungen mit chemischen Substanzen, die desinfizierend wirken. Povidon-Jod hat sich in stark verdünnter Form hierfür bewährt.
Neben dieser Behandlung vor Ort ist es unabdingbar, dass Patienten regelmäßig Schmerzmittel einnehmen, um eine Nahrungszufuhr über den Mund so lange wie möglich zu gewährleisten und andererseits nicht als Folge der Mukositis noch ein Schmerzsyndrom auszubilden.
Da die Mukositis oft mit einem übersprießenden Wachstum von Pilzen einhergeht, die normalerweise im Mundraum vorkommen, hat es sich dennoch eingebürgert, dass bei weißlichen Belägen ein örtliches Pilzmittel eingesetzt wird. Dies sollte bevorzugt als Gel oder Suspension erfolgen, um den Lokaleffekt zu stärken. Das Pilzmittel kann ruhig geschluckt werden, es wird über den Darm normal ausgeschieden.
Die Verordnung von Antibiotika ist bei einer oralen Mukositis sehr selten und sollte nur nach Abstrich mit Keimbestimmung und in Übereinstimmung mit dem klinischen Bild (z. B. Mundgeruch plus Mukositis) gegeben werden. Grundsätzlich gilt, dass Antibiotika in der Behandlung der Mukositis eine Ausnahmesituation darstellen.
Quelle: Leben? Leben! 4/2011