Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) begrüßt die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelkommission (EMA), Alemtuzumab zur Therapie der MS zuzulassen. Der Wirkstoff aus der Gruppe der monoklonalen Antikörper eignet sich zur Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmiger MS und aktivem Krankheitsverlauf, der durch klinische Parameter gekennzeichnet ist. In zwei Phase-III-Studien hielt das Medikament dem direkten Vergleich mit hochdosiertem Interferon-beta stand und war in den meisten Beobachtungskriterien überlegen, teilt das KKNMS mit.
„Dass Alemtuzumab von der EMA für ein relativ breites Therapiespektrum empfohlen wurde, kam für viele von uns überraschend“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Hemmer, Vorstandssprecher des KKNMS. Die Substanz ist zwar deutlich wirksamer als Interferon-beta, greift aber sehr nachhaltig ins Immunsystem ein. „Wir werden daher Alemtuzumab nur dann einsetzen, wenn die sicheren Basistherapeutika versagen oder Patienten von Anfang an hochaktiv sind.“ Prof. Dr. Hemmer begründet die Haltung des KKNMS damit, dass der langanhaltende Effekt des Präparats den Wechsel auf andere MS-Medikamente erschwere. Außerdem seien bis zu vier Jahre nach der letzten Alemtuzumab-Gabe noch monatliche Kontrolluntersuchungen notwendig, um bestimmte Nebenwirkungen wie antikörpervermittelte Autoimmunerkrankungen sicher auszuschließen. „Andererseits stellt Alemtuzumab eine wichtige Erweiterung unserer Therapiemöglichkeiten dar, die Patienten mit einer hohen Krankheitsaktivität nicht vorenthalten werden sollte, um diese zum Stillstand zu bringen“, so Prof. Dr. Hemmer weiter.
Alemtuzumab richtet sich gegen das Oberflächenprotein CD52, das auf Zellen des Immunsystems vorkommt. Dadurch werden B- und T-Zellen drastisch reduziert, die vermutlich maßgeblich an der Zerstörung der Myelinscheide von Nervenzellen bei MS beteiligt sind. Patienten bekommen den Wirkstoff in zwei aufeinanderfolgenden, jährlichen Zyklen über anfangs fünf, im Folgejahr über drei Tage in einer Dosis von 12 mg als Infusion verabreicht. Ein dritter Zyklus im Abstand eines weiteren Jahres kann in Erwägung gezogen werden.
In den zulassungsrelevanten Studien CARE-MS-I und CARE-MS-II wurde Alemtuzumab mit Interferon-beta verglichen. Gegenüber Interferon-beta konnte damit das Risiko, einen Schub zu erleiden, in beiden Studien um ca. die Hälfte reduziert werden. Auch entwickelten jene Patienten, die mit Alemtuzumab behandelt wurden, um fast ein Viertel weniger neue oder vergrößerte T2-Läsionen. In CARE-MS-II, nicht aber in CARE-MS-I, wiesen die Forscher zudem eine Verminderung des Risikos fortschreitender Behinderung unter Alemtuzumab um 42 \\\% im Vergleich zur Interferon-beta-Therapie nach.
Häufigste beobachtete Nebenwirkungen sind Infusionsreaktionen (z. B. Kopfweh, Übelkeit, Ausschlag) und Infektionen durch Viren aus der Herpesgruppe, die durch eine vorbeugende antivirale Behandlung aber weitgehend vermieden werden konnten. Ein größeres Problem stellen sekundäre Autoimmunerkrankungen wie Immunthrombozytopenische Purpura (ITP), Nieren- oder Schilddrüsenerkrankungen dar. Insbesondere die ITP, bei der die Zahl der Blutplättchen abnimmt und damit die Blutgerinnung beeinträchtigt wird, kann bei fehlender Behandlung einen lebensgefährlichen Verlauf nehmen. Konkrete Empfehlungen, wie mit Nebenwirkungen umzugehen ist, sowie generelle Hinweise zur Therapie mit Alemtuzumab können im Qualitätshandbuch oder in der App des KKNMS nachgelesen werden.
Quelle: Befund MS 03/2013