Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Bei der Hippotherapie handelt es sich um eine Form der physiotherapeutischen Einzelbehandlung mit und auf Pferden. Im Gegensatz zum Reiten hat bei der Hippotherapie, einer Form des Therapeutischen Reitens, nicht die Person, die auf dem Pferd sitzt, die Kontrolle über das Tier, sondern ein speziell ausgebildeter Therapeut, der das Pferd führt und seinem Patienten Anweisungen gibt. Studien belegen, dass sich Hippotherapie positiv auf diverse Symptome der MS auswirken kann.
Bei der Hippotherapie führt der Therapeut das Pferd im Gang am Zügel. Dabei übertragen sich dreidimensionale Schwingungsimpulse vom Pferderücken auf den Patienten. Der Körper des Patienten reagiert u. a. sowohl auf die Beschleunigung des Pferdes als auch auf die Kräfte, die auf ihn einwirken, wenn das Pferd seine Geschwindigkeit verringert. Die Schwingungsimpulse, die während der Therapie auf den Patienten einwirken, ähneln zum größten Teil denen des Bewegungsablaufs beim Gehen. Das wiederum soll sich auf die Gehfähigkeit und das Gangbild der Patienten übertragen, sodass sich beide verbessern und/oder die Gehfähigkeit erhalten bleibt. Die Motivation des Patienten wird u. a. dadurch gesteigert, dass an der Therapie neben dem Physiotherapeuten mit dem Pferd ein weiteres Lebewesen beteiligt ist, zu dem der Patient eine Bindung aufbauen kann.
Bislang erstatten die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Hippotherapie nur im Einzelfall. Das Zentrum für Therapeutisches Reiten Johannisberg e. V. hat Ende 2013 daher eine weitere Studie zur Hippotherapie gestartet, mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Therapie bei MS so belegen zu können, dass sie als erstattungsfähige Therapie für MS zugelassen wird.
Zwei vorhergehende Studien zeigten, dass die Hippotherapie sich günstig auf Spastik, das körperliche Gleichgewicht, Gehfähigkeit und das Schmerzempfinden bei den Beteiligten auswirkte. Während die erste Studie feststellte, dass sich auch die Lebensqualität der Teilnehmer erhöhte, war dies in Studie 2 nicht der Fall. Die Fatigue der Probanden besserte sich durch die Hippotherapie den Studien zufolge nicht. Die ersten Studien waren mit 16 bzw. zwölf Teilnehmern jedoch zu wenig aussagefähig, als dass die gesetzlichen Krankenkassen die Hippotherapie aufgrund ihrer Ergebnisse als erstattungsfähiges Heilmittel anerkennen.
Dennoch: Verschiedene von MS Betroffene, die u. a. auf eigene Kosten eine Hippotherapie oder mithilfe der finanziellen Unterstützung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) und der Deutschen Multiple Sklerose-Stiftung durchführten, bestätigen, dass diese Form der Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage ihren Gleichgewichtssinn und damit ihre Koordination, ihre Körperhaltung und auch die Muskulatur gestärkt habe. Zugleich tut vielen auch der Umgang mit dem Pferd gut. Das Training mit einem so großen Tier wie einem Pferd kann dem Selbstbewusstsein Auftrieb geben.
Wo MS-Patienten die Hippotherapie in ihrer Nähe ausprobieren können, erfahren sie u. a. beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten e. V. Gegenanzeigen für die Hippotherapie sind ein Gewicht von über 90 Kilogramm, fehlendes Gleichgewicht im Sitzen, ein akuter MS-Schub sowie eine Allergie gegen Pferdehaare oder Angst vor Pferden. Der Arzt muss die Hippotherapie verordnen.
Quelle: Befund MS 1/2015