Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Auf der Tagung der Amerikanischen Academy of Neurology (AAN) im kanadischen Vancouver stellten zahlreiche Wissenschaftler aus aller Welt ihre neuesten Erkenntnisse zur MS vor. Es ging um Risikofaktoren für MS, um neue Ansätze zur Behandlung, aber auch um neu gewonnene Erkenntnisse zu bereits existierenden Therapieformen.
Eine US-amerikanische Studie unter Federführung von Milena A. Gianfrancesco von der Universität von California in Berkeley etwa kam zu dem Schluss, dass ein hoher Body-Mass-Index, also ein hohes Körpergewicht, bei Kindern und Jugendlichen das Risiko für MS auch dann erhöht, wenn bereits bekannte Umweltfaktoren und genetische Risikofaktoren für die MS einberechnet werden. Es wird vermutet, dass Entzündungsprozesse im Körper bei Übergewicht zur Entstehung der MS beitragen. Dagegen könnte Stillen eine schützende Wirkung vor MS entfalten, wie eine Studie von James Brenton von der Universitätä von Virginia Charlottesville nahelegt. Laut dieser erkranken Kinder, die kürzer als vier Monate gestillt wurden, später häufiger an MS. Allerdings ist die Zahl der 26 Teilnehmerinnen, die u. a. befragt wurden, ob sie ihr später an MS erkranktes Kind gestillt hatten, zu klein, um definitive Aussagen machen zu können.
Eine Langzeitstudie zu Natalizumab von Dr. Ulrike Kaunzner vom Judith Jaffe MS Center Weill Cornell Medicine in New York ergab, dass der monoklonale Antikörper die Entzündungsaktivität bei MS über einen längeren Zeitraum senken konnte. Er scheint in der Lage zu sein, überaktive Zellen des Immunsystems (Mikroglia und Makrophagen), die zu den Entzündungsprozessen beitragen, zu beruhigen.
Die Ergebnisse der PANGAEA-Studie – einer Langzeitstudie über vier Jahre – zum Wirkstoff Fingolimod, der bei der hochaktiven Verlaufsform der schubförmigen MS eingesetzt wird, stützen die Erkenntnisse aus den vorhergehenden klinischen Studien. Der Anteil der Patienten, die das Immunsuppressivum im ersten Jahr aus Gründen zu geringer Effektivität absetzte, war in der PANGAEA-Studie mit 2,6% gering. Das setzte sich im zweiten Jahr mit einer Absetzrate von 3,1% fort. Zu den ermittelten Nebenwirkungen gehörten ein Anstieg der Leberenzymwerte, Infektionen der oberen Atemwege sowie Fatigue und Depression. 45,4% der Teilnehmer erfuhren während der Studiendauer keine Nebenwirkungen.
Zu Alemtuzumab wurden Ergebnisse aus den CARE-Studien vorgestellt. Der monoklonale Antikörper und seine Wirkungen wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht, wobei die meisten Patienten vor vier Jahre behandelt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass Alemtuzumab die Hirnatrophie bei den behandelten Patienten anhaltend aufhalten konnte, obwohl die Behandlung schon eine Zeit lang her war. Das Hirnvolumen der Patienten blieb nahezu gleich.
Auch zur Remyelinisierung wurden verschiedene Studien präsentiert. Einige versuchten mit Stammzellen im Tiermodell die Myelinschicht wiederherzustellen, andere versuchten, mit östrogenähnlichen Substanzen die Remyelinisierung zu erreichen. Allerdings sind die Ergebnisse aus Tierversuchen bislang nicht auf den Menschen übertragbar.
Quelle: Befund MS 2/2016