Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Sexualität ist ein wichtiger Bestandteil einer Beziehung, doch gerade Menschen mit MS klagen häufig über Probleme bei der körperlichen Liebe. Typische Störungen der Sexualfunktion, die bei Männern auftreten, sind eine verringerte Empfindungsfähigkeit im Penisbereich, Verlust oder Beeinträchtigung des Ejakulationsvermögens, Nachlassen der Libido und Störungen der Erektionsfähigkeit. Von dieser sog. erektilen Dysfunktion (ED) spricht man, wenn über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bei mehr als 70% der Versuche keine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion erreicht oder aufrechterhalten werden kann.
In Deutschland sind rund 20% der Männer zwischen 30 und 80 Jahren, das sind 4,5 Millionen, von einer ED betroffen, Tendenz mit zunehmendem Alter steigend. 10–20% dieser Männer vertrauen sich einem Arzt an – schließlich ist die umgangssprachlich auch als Impotenz bezeichnete Erscheinung ein Tabuthema. Meist wird erst nach ein bis zwei Jahren medizinischer Rat eingeholt, eine Leidenszeit, die sich die Betroffenen ersparen können, da es ein breites Spektrum an Therapiemöglichkeiten gibt, das auch dann geeignet ist, wenn eine Multiple Sklerose ursächlich für die sexuelle Funktionsstörung ist.
Therapiemöglichkeiten
Neben einer oralen medikamentösen Therapie mit verschreibungspflichtigen Präparaten, über die der Arzt Auskunft geben kann, gibt es auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Eine weitere Möglichkeiten, um eine befriedigende Erektion zu erreichen, ist die Schwellkörper-Auto-Injektions-Therapie (SKAT). Dabei wird ein Wirkstoff direkt in die Schwellkörper injiziert, was dank einer sehr dünnen Nadel relativ schmerzfrei ist und nach ca. zehn Minuten zu einer Erektion führt, die – je nach Dosis – bis zu einer Stunde anhält.
Das Prinzip der Vakuum-Erektionshilfe, in die der Penis eingeführt wird, beruht auf der Erzeugung eines Unterdrucks. Das Blut, das dadurch in den Schwellkörper einströmt, wird mittels eines Staurings dort festgehalten, sobald eine ausreichende Erektion eingetreten ist. Versagen alle anderen Therapiemöglichkeiten, so ist das Einsetzen eines Schwellkörper-Implantats die letzte Option. Da bei dem Eingriff große Teile der Schwellkörper zerstört werden, ist er nicht mehr rückgängig zu machen.
Die organischen Probleme ziehen häufig psychische nach sich, da sich Männlichkeit in unserer Gesellschaft z. T. auch über die Potenz definiert: Hier kann ein Teufelskreis aus Versagensängsten und funktionellen Störungen beginnen, aus dem der Betroffene ohne eine begleitende psychotherapeutische Behandlung schwer herauskommt. Zu überlegen ist im Einzelfall, ob es sinnvoll ist, die Partnerin in die psychotherapeutischen Betreuung mit einzubeziehen. Auf jeden Fall sollte aber zwischen den beiden Partnern offen über die Problematik, über Gefühle, Ängste und Wünsche gesprochen werden. Möglicherweise findet das Paar ja einen gemeinsamen Weg zu einer befriedigenden Sexualität, der auch ohne Erektion auskommt – es gilt einfach, verschiedene andere Spielarten zu erproben.
Quelle: BMS 1/2011