Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Den Darm kann man sich wie einen langen Schlauch, bestehend aus Muskeln, vorstellen. Diese Muskeln sorgen dafür, dass der Darminhalt stetig weitertransportiert wird. Der Dünndarm entzieht dem Speisebrei dabei die Nährstoffe und führt sie dem Körper zu, der Dickdarm entzieht ihm überschüssiges Wasser und dickt ihn ein. Nervenschädigungen durch die MS können die Darmtätigkeit beeinträchtigen, etwa weil die Darmmuskulatur nicht mehr richtig mit Nervenimpulsen versorgt wird. Eine Verstopfung kann die Folge sein. Auch der unwillkürliche Abgang von Stuhl (Stuhlinkontinenz) kann als Folge von Empfindungsstörungen oder Problemen mit der Schließmuskelfunktion, die durch MS ausgelöst wurden, auftreten. Bei MS-Patienten mit Bewegungseinschränkungen kann auch ein Mangel an Bewegung zu Verstopfung beitragen.
Verstopfung kann u. U. sehr schmerzhaft sein und mit einem aufgeblähten Bauch sowie Völlegefühlen einhergehen. Stuhlinkontinenz ist i. d. R. sehr unangenehm. Viele Betroffene schämen sich, dass sie den Stuhl nicht mehr willentlich halten können, und ziehen sich aus dem Sozialleben zurück. Doch sowohl bei Verstopfung als auch bei Stuhlinkontinenz können MS-Patienten selbst aktiv werden.
Verstopfung lässt sich u. a. durch eine ballaststoffreiche Ernährung beeinflussen, die das Stuhlvolumen erhöht, weil sie viele unverdauliche Nahrungsbestandteile enthält, und zugleich den Stuhl weich macht. Die Beigabe von etwas Leinsamen zum Essen hilft zusätzlich. Es ist beim Verzehr von Leinsamen notwendig, gleichzeitig viel zu trinken. Ohnehin empfehlen Ernährungswissenschaftler und Ärzte, bei Verstopfung wenigstens 1,5 Liter Flüssigkeit am Tag zu sich zu nehmen, da dadurch der Stuhl weicher wird. Bewegung ist bei Verstopfung ebenfalls von großer Bedeutung, weil sie die Darmtätigkeit anregt. Auch MS-Patienten mit Bewegungseinschränkungen sollten sich daher ihren Möglichkeiten entsprechend täglich bewegen oder, etwa vom Physiotherapeuten, bewegen lassen. Eine Massage des Bauchs kann zusätzlich gegen Beschwerden helfen. Oft sorgen all diese Maßnahmen bereits dafür, dass die Verstopfung verschwindet.
Ein gezieltes Toilettentraining trägt zudem dazu bei, Verstopfung vorzubeugen. Wer täglich zur gleichen Zeit auf die Toilette geht, trainiert seinen Darm darauf, sich immer um dieselbe Zeit zu entleeren. Anfangs muss man sich dafür u. U. Zeit nehmen, um Erfolg zu haben, doch nach einer gewissen Zeit entleert sich der Darm fast automatisch. Ein Glas Wasser, getrunken vor dem Toilettengang, oder eine Tasse Kaffee können die Darmtätigkeit zusätzlich anregen. Haben all diese Maßnahmen keinen Erfolg, helfen Klistiere bei der Darmentleerung.
Bei Stuhlinkontinenz ist es ebenfalls sinnvoll, die Ernährung umzustellen: So ist der Verzehr von blähenden, scharfen und anderen Speisen, die die Darmtätigkeit anregen, ungünstig, da sie die unwillkürliche Stuhlentleerung forcieren. Vorbeugen lässt sich der Stuhlinkontinenz durch die gezielte Entleerung des Darms, z. B. mithilfe eines Klistiers. Ein weiteres Verfahren, die sog. transanale Irrigation, sorgt dafür, dass sich der Darm vollständig entleert. Bei der transanalen Irrigation wird durch einen Katheter Wasser in den Enddarm eingeleitet. Der Katheter hat am Ende einen Ballon, der verhindert, dass das Wasser wieder hinausläuft. Wird der Katheter schließlich entfernt, entleert sich der Darm. Ein ungewollter Stuhlabgang ist in den darauffolgenden Stunden i. d. R. nicht zu befürchten. Dennoch ist bei Stuhlinkontinenz zur Sicherheit das Tragen von Inkontinenzmaterial wie Einlagen oder Windelhosen sowie Analtampons sinnvoll.
In manchen Fällen kann es vorkommen, dass z. B. bei einer Stuhlinkontinenz, die durch andere medizinische Maßnahmen nicht unter Kontrolle gebracht werden kann, oder bei einer schweren Schädigung des Darms ein sog. Kolostoma gelegt wird. Dabei wird ein Teil des Dickdarms durch die Bauchdecke nach außen geleitet. Die Entleerung des Darms erfolgt dann in einen sog. Stomabeutel mit integriertem Geruchsfilter. Unterschieden wird dabei zwischen einteiligen und zweiteiligen Versorgungssystemen.
Beide bestehen aus einer Basisplatte, die auf der Haut über dem Stoma angebracht wird, und einem Beutel, in den sich der Stuhl entleert. Beim einteiligen System sind beide Teile miteinander verbunden, weswegen auch die Basisplatte entfernt werden muss, wenn der Beutel nach sechs bis 12 Stunden so voll ist, dass er gewechselt werden muss. Beim zweiteiligen System verbleibt die Basisplatte, abhängig von ihrer Beanspruchung, bis zu drei Tage auf dem Stoma, nur der Beutel wird gewechselt. Ein Hautschutz sorgt dafür, dass die Haut durch den Stuhl so wenig wie möglich angegriffen wird.
Nach der Entfernung des Versorgungssystems muss die Haut um das Stoma herum gründlich, aber vorsichtig gereinigt werden. Wasser und eine Seife, die dem pH-Wert der Haut angepasst ist und nicht rückfettend ist, reichen dafür oft aus, es gibt aber auch spezielle Reinigungslotionen. Sollten sich Pflasterreste von der Basisplatte noch auf der Haut befinden, hilft ein spezieller, auf die Haut abgestimmter Pflasterlöser bei der Entfernung. Bei der Reinigung der Haut ist es wichtig, zum Stoma hin zu reinigen. Die Haut muss vor Aufbringen des Versorgungssystems trocken sein. Die meisten Stomaträger lernen sehr schnell, das Versorgungssystem selbst zu wechseln und die Haut um das Stoma herum zu pflegen. Spezielle Pflegekräfte erklären zudem den Betroffenen das genaue Vorgehen, nachdem das Stoma gelegt wurde.
Quelle: Befund MS 3/2017