Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Klettern und MS – ein Widerspruch? Nein, denn mittlerweile gibt es deutschlandweit in mehreren Städten Klettergruppen für Menschen mit MS. Beim sog. therapeutischen Klettern geht es darum, Kraft, Ausdauer und Motorik zu verbessern. Klettern können unter geschulter Anleitung nicht nur MS-Betroffene, die gehfähig sind, sondern auch Rollstuhlfahrer.
Das Klettern schult Kraft und Ausdauer, Gleichgewicht und Koordination, vor allem aber stärkt es das Selbstvertrauen. Denn wer trotz vorhandener körperlicher Beeinträchtigungen erstmals feststellt, dass er in der Lage ist, eine Kletterwand zu bezwingen, wird dadurch ermutigt, auch andere Hindernisse zu überwinden und sich weiteren Herausforderungen zu stellen. Da meistens in Gruppen geübt wird, ist auch die soziale Komponente des therapeutischen Kletterns nicht zu unterschätzen.
2005 entstand an der Technischen Universität München (TUM) ein Pilotprojekt zum therapeutischen Klettern für MS-Patienten. Daraus ist die Gruppe „MS on the rocks“ entstanden. Das Projekt ist so erfolgreich, dass die TUM Ende 2014 die erste universitäre Fortbildung „Therapeutisches Klettern“ anbot. Beim therapeutischen Klettern, so die Wissenschaftler, kommt es nicht darauf an, dass alle MS-Betroffenen die gleichen Kletterrouten absolvieren – im Gegenteil. Jeder Sportler mit MS setzt sich ein eigenes Ziel. Das kann z. B. zunächst die Bewältigung eine Teilkletterstrecke sein, um sich im Anschluss – falls möglich – zu steigern.
Beim therapeutischen Klettern an der Kletterwand sind die Sportler über ein Seil ständig gesichert. An einer solchen Wand können die Griffe und Tritte zudem individuell angeordnet werden, um auf diese Weise z. B. bestimmte Muskelpartien zu stärken oder Bewegungsabläufe einzuüben. Mithilfe z. B. von am Bein angebrachten Schlaufen ist es für Menschen mit Bewegungseinschränkungen auch möglich, das Bein mit der Hand anzuheben und in die gewünschte Position auf einem Tritt zu bringen. Die Kletterer können dabei jederzeit eine Pause einlegen oder aber die Übung abbrechen, wenn sie z. B. merken, dass ihre Kraft nachlässt.
Beim therapeutischen Klettern lassen sich gezielt Bewegungen durchführen, die Bereiche des Körpers stärken, die von MS betroffen sind. Hat ein Kletterer z. B. Probleme seinen Rumpf gerade zu halten, können die Griffe an der Kletterwand weiter entfernt voneinander angebracht werden, sodass sich der Sportler beim Klettern strecken muss, wobei sich der Rumpf automatisch aufrichtet. Bei Koordinationsproblemen können die Griffe und Tritte leicht versetzt angeordnet werden.
Therapeutisches Klettern erlernen von MS Betroffene am sinnvollsten unter der Anleitung geschulter Therapeuten, die erkennen, welche individuellen Hilfen benötigt werden und welche Bereiche des Körpers trainiert werden müssen. Sie wissen auch, welche und wie viel Hilfestellung sie geben müssen und was sie den einzelnen Sportlern zutrauen können. Wer mit MS klettern möchte, findet auf der Website von MS on the rocks eine interaktive Deutschlandkarte mit den Orten, an denen Menschen mit MS bzw. neurologischen Problemen das Klettern erlernen und regelmäßig trainieren können.
Quelle: Befund MS 3/2015